Augenmaß

SI-Einheit der Politik, suggeriert Genauigkeit. Wenn Politiker vorgeben, mit A. zu entscheiden, klingt es positiv, so als seien sie besonders gründlich und vorsichtig. Das Gegenteil ist der Fall. Nur mit den Augen zu messen, ist fahrlässig. Das Auge kann leicht getrogen werden, noch dazu bei großen Mengen oder komplexer Technik. Damit entlarvt sich das A. als Malapropismus, als unangemessenes Wort – so wie der Quantensprung, der gern für einen großen Sprung verwendet wird, obwohl es doch ein ganz kleiner ist. Als Grundlage für Politik taugt das A. genauso gut wie die Einheiten „aus dem Bauch heraus“ oder „Pi mal Daumen mal Fensterkreuz“. Die vorgetäuschte Genauigkeit aber ist nicht das einzige Problem. Denn jemand, der seine Entscheidungen mit dem A. begründet, sagt vor allem, dass er „nach eigenem Ermessen“ handelt, nach Kriterien also, die er lieber nicht öffentlich zu diskutieren wünscht, die im Zweifel niemanden etwas angehen, schon gar nicht die Wähler.

Vielen Dank an Simon K. und andere für den Vorschlag.

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21 Kommentare

  1. Der Begriff kam mir bekannt vor. Offenbar bin ich sogar im Besitz eines gleichnamigen Twitter-Kontos. Muss mich wohl mal darüber geärgert haben, dass in der Firma auch immer von “Augenmaß” geredet wurde, wenn es um (Unternehmens-)Politik ging…

  2. Bin gerade über die Grimme Online-Awards bei euch gelandet und finde euch super! Gleich nach einem Lieblingswort “Quantensprung” gesucht und natürlich auch gefunden :-) Es gibt so viele Worte, deren Verwendung in vielen Fällen falsch ist und ich bin froh, dass ihr euch darum “kümmert”.

    Wo darf man Vorschläge einreichen? Ich finde noch nichts zu “vermeintlich” – was wohl fälschlicherweise meistens im Sinne von “wahrscheinlich”/”vermutlich” verwendet wird.

    Grüße

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