Steueroase

Die S. ist als sprachliches Bild von vorne bis hinten Murks. Denn was sagt der Begriff? Eine Oase bietet dem darbenden Wanderer Labsal, sie spendet Schatten und Wasser in einer sonst lebensfeindlichen Umgebung. Doch die, die ihr Geld in S.n schaffen, sind nicht kurz davor, finanziell zu verdursten. Im Gegenteil, sie haben Geld im Überfluss, sie wollen es nur nicht teilen. Oder ist mit der S. eine Oase gemeint, in der sich die Steuern wohl fühlen und wachsen und gedeihen können? Sicher nicht. Irgendwie passt die Metapher also nicht. Das liegt daran, dass die S. einst als Traumbild erschaffen wurde, als Sehnsuchtsort, an dem der geplagte Bürger aller Steuern ledig ist und die Früchte seiner Arbeit allein genießen kann: ein Urlaubsort. Inzwischen aber hat sich die Haltung zur S. gewandelt. Sie gilt heute als etwas Verachtenswertes. Trotzdem wird das Wort noch immer verwendet, eben weil es so schön klingt. Das aber verharmlost den zugrunde liegenden Vorgang und macht aus Verbrechern Urlauber. Übrigens: Schon die Steuerhinterziehung ist ein beschönigender Begriff. Hinterziehen meint nichtentrichten, rechtlich also unterschlagen. So etwas wird mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. Wer sein Geld aber in eine S. schafft, der betrügt, da er vorgaukelt, gar kein Geld zu haben. Betrug jedoch wird mit bis fünf Jahren bestraft, in schweren Fällen auch mit bis zu zehn. Heute möchten Politiker die S. daher gern „trockenlegen“. Doch niemand würde eine Oase trocken legen – also den einzig fruchtbaren Ort ebenfalls in Wüste verwandeln wollen. Das unterstreicht nur noch, wie verquer diese Metapher ist.

Mehr zur Entwicklung des Begriffes hat der Autor hier bei ZEIT ONLINE geschrieben.

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14 Kommentare

  1. Das S. heutzutage als Neusprech zu gelten hat ist sehr wohl richtig. Das aber nur, weil es heute als etwas negatives aufgefasst wird. In seiner ursprünglichen Bedeutung als ein Ort an dem man gerne hin möchte, weg von der Steuerwüste die sonst alle Länder bedeckt, würde ich den Begriff Steueroase gerne wieder verwenden können.

    Ob man mir zustimmt, dass Steueroasen wünschenswert sind, sei mal dahingestellt. Was sich in jedem Fall hier wieder zeigt ist, dass der Ton von objektivität in diesem Blog nicht angebracht ist. Wer welche Worte wie verquert ist eine Sache der Perspektive. Denn wenn es unterschiedliche Ansichten darüber gibt wie die Welt funktioniert und der eine etwas als gut ansieht, was der andere als schelcht ansieht, dann wird demjenigen mit der Deutungs/Begriffshoheit vorgeworfen werden er würde neusprech benutzen.

    Als Beispiel führe ich mal den hier verwendeten Ausdruck “teilen” an, bezogen auf das Geld des Oasenbesuchers. Teilen ist ja eine aktive Handlung einer Person beim Umgang mit dem eigenen Hab und Gut. Es ist verbunden mit dem Einverständniss desjenigen der teilt, also mit der Freiwilligkeit der Handlung. Besteht diese Freiwilligkeit nicht, und ein anderer bekommt das Eigentum trotzdem, so spricht man vom “nehmen”. Geschieht dies sogar explizit gegen das Einverständniss des Eigentümers, dann spricht man sogar von Diebstahl. Ich hoffe, dass man die (gelinde ausgedrückt) Meinungsverschiedenheit anerkennt, ob Besteuerung als teilen aufgefasst werden kann.

    Meine Darstellung geht natürlich von Verhälltnissen gemäß des Privateigentums aus, worüber es natürlich verschiedene Ansichten gibt. So wäre der Begriff “teilen” etwas (aber auch nur etwas) konsistenter in seiner Verwendung, wenn man davon ausgeht, dass der Author vom nicht näher erläuternswerten Kommunismus ausgeht. Es ist ja scheinbar derart selbstverständlich, dass alles allen gehört, dass man nicht mal beiläufig auf Argumente eingehen muss, nach denen Steuern als Zwangshandlung des Staates aufgefasst werden könnten.

    Aber selbst wenn man vom Kommunismus ausgeht, würde ich das wort “Teilen” nicht verwenden, denn es impliziert eine Gleichrangigkeit unter allen die sich daran beteiligenden. Das ist bei Steuern von ihrer Natur her nicht möglich, denn es wird immer von den einen genommen, während die anderen sich nehmen. Bei aller Subvention und Umverteilung ist es natürlich kaum vermeidlich, dass jeder sich mal in beiden Rollen findet, aber wenn mann alles nehmen und genommen werden aufwiegt, findet man notwendigerweise, dass es netto nehmer und netto opfer gibt.

    Und bevor man mir vorwirft Begriffe verquert zu haben, oder Neusprech zu verwenden, seid euch im klaren was ich hier gemacht habe, und was der Author nicht gemacht hat. Ich habe meine Ansichten nicht als selbstverständlich und objektiv richtig erachtet, sodass ich es mir erlaubt hätte einen objektiven Ton zu verwenden. Keiner wird beim lesen des Kommentars auf die Idee kommen, dass es etwas anderes als meine persönliche Ansichten sind, und die darin verwendeten Begriffe nicht auch in dem Lichte zu betrachten sind. Von daher sollte man sich langsam überlegen, ob der Titel des blogs wegen seiner Aufklärung über das Neusprech so angebracht ist, oder doch eher weil es seine Heimat ist und weil es hier fließend gesprochen wird.

  2. @Manuel Wenn dem oder der “Vermögenden” der Ausdruck “teilen” für seine/ihre Steuerpdlicht nicht behagt, dann kann er oder sie diese auch einfach als den Preis für die Leistungen verstehen, die er/sie von der Gesellschaft, in welcher er/sie leben möchte, einkauft.

    Aus verwaltungstechnischen Gründen ist es leider nicht möglich, nur jeweils die Leistungen einzukaufen, die man persönlich von der Gesellschaft zur Verfügung gestellt bekommen möchte. Man kann sich nur für das Gesamtpaket entscheiden.

    Dem oder der Vermögenden steht es frei, mit ein wenig finanziellem und organisatorischem Aufwand seinen/ihren Wohn- und Lebensort zu wechseln, sich also eine ihm oder ihr passende Gesellschaft zu suchen und sich dort zu integrieren.

    Wenn er oder sie es jedoch am liebsten völlig eigenverantwortlich und ohne Steuerlast haben möchte, dann bleibt noch der Weg, sich irgendwo in der Wildnis ein Fleckchen Erde zu kaufen, zu besiedeln und sein eigenes Hoheitsgebiet dort auszurufen. Damit verzichtet man dann aber auch auf all die praktischen Vorzüge eines Lebens in einer zivilisierten Gesellschaft. Will man diese, sollte man auch den (Steuer-)Preis dafür akzeptieren. Einfache Kosten-Nutzen-Rechnung, die im Gegensatz zu dem/der Vermögenden der arme Schlucker aka “Mehrwertsteuerzahler” nicht, und der etwas besser gestellte “Mehrwert-, Lohn- und Einkommenssteuerzahler” nicht wirklich hat. Aber weder der eine noch die andere würde sich auch ein monetäres Exil in einer Steueroase leisten können…

  3. Auf Spanisch nennt man Steueroasen “paraisos fiscales”, also Steuerparadiese. Gemeint ist natürlich nicht, dass die Steuern sich dort paradiesisch wohlfühlen, sondern dass es für den Steuerpflichtigen paradiesisch zugeht: er zahlt dort keine oder vernachlässigbar geringe Steuern. Diesen Unterschied auszudrücken ist durch die zwei unterschiedlichen Wörter “impuestos” (die Steuern, die man entrichtet, aus der Sicht des Betroffenen) und “fiscalidad” (das Steuersystem, eher aus der Sicht des Staates) im Spanischen viel leichter Möglich als im Deutschen. Aber auch auf Spanisch klingt der Begriff viel zu positiv.
    Herr Barkhau, mir scheint, dass Steueroasen ungerecht sind. Selbst wenn man Ihre Annahmen gelten läßt und Steuern prinzipiell für ebenfalls ungerecht hält, ist es nicht akzeptabel, wenn einzelne sich dieser Ungerechtigkeit durch Steuerflucht entziehen. Dann müssen die Zurückgebliebenen nur umso mehr von diesen (ungerechten) Steuern bezahlen. Das kommt mir assozial und selbstgerecht vor. Diesen Aspekt blenden Sie bie Ihrer Argumentation völlig aus – zu Unrecht, wie mir scheint.

  4. Das ist eine aufschlussreiche Diskussion: Was als “Objektivität” (Einwand von Manuel Barkhau) herüberkommt, ist ja kein aufgesetzter Anspruch des Artikels von Kai Biermann (Blog und Zeit Online), sondern ergibt sich vor allem aus dessen schlüssiger Argumentation. Besonders interessant ist der aufgezeigte Bedeutungswandel der ‘Steueroase’ vom “Traumbild” zu etwas “Verachtenswertem” – als sprachliches Signal für einen sich allgemein abzeichnenden Sinneswandel im Angesicht der anhaltenden Finanzkrise.
    Was allerdings unverändert dem Begriff der ‘Steueroase’ anhaftet ist die Vorstellung eines abgeschiedenen Ortes: ob früher “Sehnsuchtsort” oder heute ‘Tatort’ – die ‘Steueroase’ erscheint gleichsam losgelöst von der unsichtbaren Verflechtung mit dem globalen System von Steuerberatern, Finanzagenturen und mächtigen Banken. Eher würde daher das Bild von der Spitze eines Eisbergs passen.

  5. @Ferrer Ich stimme dir prinzipiell zu, dass gleiches Recht für alle gelten sollte. Bei Steuern handelt es sich nicht um Recht, sondern um Unrecht. Ich wäre z.B. auch nicht dafür die Wehrpflicht auf Frauen auszuweiten, auch wenn alle damit eher vor dem Gesetz gleichbehandelt würden, denn aus meiner Sicht handelt es sich dabei um eine Form von befristeter Leibeigenschaft, bzw. im Kriegsfall möglicherweise sogar unbefristeter Leibeigenschaft. Aber nur weil mir dieser tyrannischer Umgang mit meiner Freiheit angedroht wird, wünsche ich mir doch nicht, dass andere ebenso darunter leiden. Das macht die Sache ja nicht besser.

    Was die Zurückgebliebenen angeht kann ich nur hoffen, dass die höhere Last sie dazu bewegt aufzuwachen und dass dieses unhaltbare System eher zusammenbricht. Stell dir vor die ganzen Ingenieur und Ärzte wären nicht aus der DDR geflohen. Möglicherweise hätten sie dafür gesorgt, dass der Aparat noch ein Weilchien länger vor sich hin vergammelt wäre. Ich denke es ist besser das sinkende Schiff zu verlassen, als in einer hoffnungslosen Situation mit dem Eimer wasser raus zu schütten.

  6. Ich bleibe dabei: Eine arrogante und selbstgerechte Haltung haben Sie, Herr Barkhau, sich zusammengelegt. Ich hingegen muss gestehen, dass ich in der heutigen BRD, bei einem Spitzensteuersatz unter 50% und ohne Vermögenssteuer, liebend gerne ein oder zwei Jahre je eine Million an Einkommensteuer bezahlen würde. Das käme mir überhaupt nicht ungerecht vor. Mir bliebe ja mehr als dem Staat. Ist heute schon so, aber leider nicht in dieser Größenordnung.
    Übrigens: Die Steueroase im Deutschen und der paraíso fiscal im Spanischen nennen sich auf Englisch “tax haven”. Bei den Engländern scheint dass Bild so zu sein, dass man in einem Steuerhafen Zuflucht vor der rauhen Steuersee “dort draussen” findet. Auch dieses Bild hängt schief, denn “dort draussen” ist ja eigentlich dort, wo man steuerpflichtig ist (gemeinhin: wo man wohnt) und der Hafen ist dort, wo das Geld sicher ist, man sich aber selber nicht befindet. Draussen ist drinnen, und andersherum.
    Und auf Französisch? Wie im Spanischen: paradis fiscal. Bei diesem Begriff sind alles Neusprecher. Nur Euphemismen allenthalben.

  7. Der Witz bei ‘Steueroase’ ist obendrein, dass es medial eine feine Meinungs- bzw. Gesinnungsmanipulation der Bürgerschaft beinhaltet.

    Denn zu ‘Oasen’ und ‘Paradiesen’ möchte doch jeder mal kommen… Es ist das Lotterie-Spiel des Neo-Liberalismus. Jeder wird bis aufs blanke Fleisch ausgenommen, aber D U, ja, D U, hast die Chance, ins Paradies zu gelangen, wenn Du Dich nur korrumpieren lässt… Aus keinem anderen Grund wollte man auch die Bürger zum ‘Aktien-Handel’ verführen, hat man weiterhein eine Kapital veranlagte Versicherung usw. Man wird damit in ein korruptes System überführt – und damit zum Komplizen! Man teil die hoffnungsfrohen Aussichten und hoft und hofft… dass man zu den Lotterie-Gewinnern zählen wird. Gehirnwäsche und Massen-Korrumpierung in Vollendung. Das samstagliche Lotterie-Zittern spielt mit den gleichen Momenten und bereitet den Boden für die Gesamt-Korruption. Denn dafür, dass einer Millionen absahnt, muss die Masse einzahlen. Was ihnen bleibt, ist die Hoffnung. Irgendwann dazugehören zu dürfen – und ins Paradies zu gelangen…

    Diese absolut absurde Aussicht korrumpiert die gesamte Bürgerschaft. Darum lässt man die Schwerverbrecher damit durchkommen und drückt beide Augen zu. Und ‘Schwerverbrecher’ sind diese Leute doch hinsichtlich des tatsächlich monetären Schadens am Gemeinwohl. Aber behandelt man sie entsprechend des realen Schadens? Nein…

    Jeder Bankräuber, der für sein Verbrechen für Jahre hinter Gitter kommt, könnte in zwanzig Jahren nicht so einen Reibach machen, wie es für die Nutznießer von Steuer-Verbrecher-Standorte in der Tageskasse klingelt…

    Wir sind also ganz schön auf den Hund gekommen. Oder anders gesagt: die neo-liberalistische Umformung, also die blanke Barbarei, ist Normalität geworden. Und leider macht ein Großteil der Medien alles, diesen schrecklichen Notstand zu verfestigen. Eine Religion, die ihre Paradiese verspricht, während die Masse in der Hölle versinkt. Traurig, was in dieser Welt Ersatz-Religion und ‘Fortschritt’ bedeutet.

  8. Ausgekochter Käse immer wieder. Oasen sind auch dann noch liquide (!!), wenn aussen herum alles vertrocknet ist. Ganz einfach.

    Übrigens heissen die Feienbächer in der Schweiz Steuerparadiese, denn Wassermangel und Liquiditätsprobleme hatte unser Land seit langem nicht mehr erleiden müssen.

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