Markenkern

Politische Parteien sollen die Ziele derjenigen verwirklichen, von denen sie gewählt wurden. Marken sollen denen Geld bringen, die sie sich ausgedacht haben. Wenn es daher heißt, der M. der FDP sei beschädigt, Innere Sicherheit mache den M. der CDU aus oder der Atom-Ausstieg gehöre nicht zum M. der SPD, dann stimmt irgendetwas nicht. Offenbar handelt es sich hier um eine Art Wirtschaftssprech. Politik als Produkt, gezielt entwickelt, um sich am Wählermarkt gut verkaufen zu lassen.

Es mag leider wahr sein, dass die einstigen Kampforganisationen nur noch solche zum Verkauf entworfenen Marken sind, gut ist es nicht. Weil sie dann nicht mehr vertreten, was ihre Wähler sich erwarten. Sondern nur noch das, von dem sie glauben, dass es möglichst viele Menschen kaufen wünschen. Politik wird auf diese Art beliebig, austauschbar. Sie hat keine Ziele mehr. Und eine politische Partei, die sich sogar an ihre Inhalte erinnern muss, hat eben jene offensichtlich längst vergessen und besitzt somit auch keinen M.. Die Aussage, er sei nun beschädigt, dürfte damit zumindest eine starke Untertreibung sein.

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25 Kommentare

  1. Fairerweise muss man sagen, dass Parteienpolitik schon recht früh wirtschaftstheoretisch interpretiert wurde. Parteien “verkaufen” dann Politikinhalte (policies) und werden dafür mit Wählerstimmen “bezahlt”. Politik ist in diesem Sinne ein Produkt.

    Als klassischer Vertreter für solche Sichtweisen gilt etwa Anthony Downs’ “An economic theory of democracy” (1957). Das Buch lässt sich etwa bei Amazon bestellen:
    http://www.amazon.com/Economic-Theory-Democracy-Anthony-Downs/dp/0060417501/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1319537069&sr=8-1

    In diesem Sinne können Parteien durchaus als Marken interpretiert werden, was demokratietheoretisch noch nicht einmal schlecht sein muss.

  2. Wie ich als Marketingfuzzi diese Wortverwendung in der Politik hasse.

    Da schwingt irgendwie der geheime Wunsch mit, man könne mit genug Werbedruck dem Stimmvieh alles reinpressen, was die lobbyfinanzierte Parteikasse hergibt.

    Ausserdem ist das Wesen der Marke Informationsreduktion, also genau das, was man als mündiger Bürger nicht will.

  3. Es lässt sich bei näherem Hinsehen keinerlei Widerspruch erkennen zwischen “was […] Wähler sich erwarten” und was “möglichst viele Menschen […] wünschen”.

    Was dabei “nicht stimmt” oder “nicht gut ist” lässt der Artikel leider offen.

    Schade.

  4. Hmm, dann müssen wir es wohl noch ein wenig klarer formulieren, was wir meinen. Ich finde, Politik sollte mir nichts “verkaufen” und nicht um mich “werben”, sie sollte eine klare Haltung haben – die kann ich dann teilen oder nicht.

    lg
    k

  5. @Stefan Müller: Ich fürchte, da liegen die alten Parteien mit ihrer Einschätzung aber gar nicht so weit daneben – schließlich regieren sie noch.
    Mundus vult decipi, ergo decipiatur.

  6. Naja, das ist jetzt schon eine links-polemische Definition von Marke, die du hier benutzt. Marken haben nicht wirklich direkt den Sinn Geld zu verdienen oder auf dem Markt aufzutreten. Marken haben schlicht und ergreifend einen Erkennungswert. Wenn du “Hipp” hörst denkst du an Babynahrung, wenn du “Porsche” hörst an Sportwagen, wenn du “Greenpeace” hörst denkst du eine eine Umweltschutzorganisation und wenn du “Piratenpartei” hörst eben an Bürgerrechte. In diesem Sinne sind Parteinamen natürlich Marken, denn wir wollen ja auch, dass unser Name mit etwas verbunden wird ohne gleich gierig auf Wählerstimmen zu schielen. Da niemand mehr sagen kann, wofür die FDP steht und damit keine nennenswerten politischen Inhalte verbinden ist der Begriff des fehlenden Markenkerns IMHO durchaus gerechtfertigt.

  7. Danke! Danke dafür, dass es ausgesprochen wird. Ich dachte schon, ich bin irgendwie kleinlich geworden (meine Bekannten & Freunde schauten mich so komisch an…).

    Nichts dagegen, dass das USP – auch gerne am POI per Testimonial ermittelt – zukünftig mehr in die Kommunikation am POS einfliesst. Ich kauf eh´nur beim Discounter…

  8. Das erkläret allerdings auch viele Handlungsweisen der Politik, denn aus der Logik des Werbens und der Bezahlung mit Wählerstimmen verhalten sich die Politik in ihrem System durchaus rational, auch wenn der Bürger das völlig anders sieht.

  9. @ Andi:
    “Naja, das ist jetzt schon eine links-polemische Definition von Marke, die du hier benutzt. Marken haben nicht wirklich direkt den Sinn Geld zu verdienen oder auf dem Markt aufzutreten.”

    Na, na. Briefmarken natürlich weniger, Duftmarken auch nicht, und wenn man sagt “F.J.S., das war noch ‘ne Marke” (@Twix Raider), dann stimmt das schon.

    Aber wenn man vom “Markenkern” einer Partei redet, dann kommt das von genau demjenigen Markenbegriff, den Sie seltsamerweise “links-polemisch” nennen, obwohl diese Art der Kritik doch zunächst vor allem einen konservativen Hintergrund hatte.

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