Kostenloskultur

Die K., gerne auch Umsonst-Mentalität genannt, bedroht angeblich Kultur, Wissenschaft, Journalismus, ja die ganze Wirtschaftswelt. Ist das so? Bedroht das Netz tatsächlich die bestehende Ordnung der Vergütung von Inhalten? Aber hallo, und wie! Doch wo ist das Problem? Ist diese Ordnung etwa a) perfekt und/oder b) ein Naturgesetz? Nein. Sie war nur der Weg, der bisher irgendwie funktionierte. Nun gibt es andere technische Voraussetzungen. Es braucht also neue Wege. Die müssen gefunden und ausgehandelt werden. Das ist mühsam, klar. Aber es ist noch mühsamer, solange irgendein milliardenschwerer Großverleger von einer angeblichen K. faselt und das Bestehende so lange wie möglich konservieren will, statt sich über Neues Gedanken zu machen.

Wobei wir kurz anmerken müssen, dass das Gefasel von der K. natürlich eine Lüge ist. Kostenlos ist der Kram auf keinen Fall, auch der nicht, den Sie hier gerade lesen. Denn a) bezahlen Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit, die wir dann beispielsweise in Preise umsetzen können, die direkt auch kein Geld bringen, aber Ruhm und Ehre und letztlich Buchverträge et cetera. Und b) haben andere sehr wohl Geld dafür bezahlt, in Form von Werbung (nicht hier, aber überall sonst). Die versprechen sich davon ebenfalls mehr von Ihrer Aufmerksamkeit, es muss also eine valide Währung sein.

Die ganze Aufregung ist nur scheinheiliges Gejammer. Immerhin erleben wir die größte deutsche K. seit fast dreißig Jahren in Form des allabendlichen Fernsehbildes. Oder haben Sie schon einmal irgendetwas an Sat.1 überwiesen?

Beteilige dich an der Unterhaltung

41 Kommentare

  1. Gerade Privatfernsehen zahle ich ständig – es sei denn ich kaufe ausschließlich Produkte, für die keine Werbung geschaltet wird. Und ich zahle sogar doppelt: zum einen durch die unnötige Verlängerung von Fernsehabenden und zum anderen durch die Verteuerung der Produkte im Laden.
    Ganz ehrlich: da zahle ich lieber GEZ und zahle nur einmal. (TV Konsum nach 20 Uhr vorausgesetzt.)

  2. Der beste und einzig vernünftige Preis für die meisten Güter und Dienstleistungen ist null. – Wired”-Chefredakteur Chris Anderson in seinem Buch “Free”, in: brand eins 05/2010.

    Das haben nur noch nicht alle verstanden.

  3. …ja, und all das gibt es auch im Internet. Dort zahlen Sie auch auf mannigfache Weise. Weswegen es Quatsch ist, dort von einer Kostenloskultur zu sprechen.

    lg
    k

  4. Ich halte das ganz und gar nicht für scheinheiliges Gejammer. Sat1 und Co. sind werbefinanziert. Natürlich, auch in Zeitungen und Zeitschriften (online oder analog) sind Werbeanzeigen geschaltet, auch ARD und ZDF werben, aber sie finanzieren sich nicht ausschließlich so. Ich hielte das auch für sehr bedenklich.
    Schon jetzt ist es eine Gratwanderung, einerseits Anzeigen großer XY-Industriefirmen abzudrucken und andererseits im Bedarfsfall kritisch über diese zu berichten. Ihr versteht, was ich sagen will. Beiß nie in die Hand, die dich füttert. Die Unabhängigkeit der Medien geht der Abhängigkeit von Werbeaufträgen flöten. Wohin das führt, kann man bei genau den von dir zitierten Privatsendern sehen. Zu Konsum-TV, das bestenfalls noch Wischi-Waschi-Reportagen sendet, aber keinen Investigativ-Journalismus betreibt.
    So viel zur Presse. Forschung und Wissenschaft kosten ebenfalls ihren Preis, ansonsten wird bald nur noch erforscht, was irgendeinem Investor Gewinne zu bringen verspricht.
    Und was ist mit der Kunst? Wer ist denn bitte dieser milliardenschwere Großverleger? Ist er etwa symbolhaft?
    Einige kleine Verlage, die ich kenne, produzieren ausgezeichnete Bücher, wahre Schätze, sind mutig, weil sie publizieren, was sich sonst keiner traut. Die sind auf jeden Cent angewiesen. Wenn sie untergehen, stirbt auch viel kulturelle Bereicherung. Die Kostenlosmentalität macht die Kunst so zu Einheitsbrei, wie sie es bereits beim TV und den Onlinezeitungen geschafft hat. Wer Herausragendes will, muss verdammt noch mal dessen Preis bezahlen, denn der, der dieses Herausragende unabhängig (!) produziert, sei er Journalist, Wissenschaftler, Autor oder Verleger, muss von irgendwas leben.

  5. @ Kai Biermann
    vergessen sie beim Thema kostenlos Flattr nicht – Ich z.B hab euren Blog (über Flattr) abonniert.
    Das ist zwar keine Pflicht, aber – wie ich finde – eine gute Bezahlmethode, da das Geld (fast) direkt beim Autoren ankommt und nicht (direkt) zu irgend einem Plattenboss/Verleger/Rechteinhaber wandert.

  6. @Stefan: Das Bezahlen über Produkte, für die im Fernsehen geworben wird, ist nicht so eindeutig, wie man es immer gern darstellt. Es hängt von der Art des Produkts ab. Die Rechnung, die aufgemacht wird, scheint so zu sein: Es gibt Produktionskosten pro Stück X, darauf kommen TV-Werbekosten pro Stück Y plus etwas Gewinn gleich Preis. Übersehen wird, dass die Produktionskosten pro Stück durch die Massenwirkung von TV-Werbung sinken können, so genannte economies of scale spielen da rein, je mehr man produziert, desto mehr kann man Kosten drücken. Im Extremfall so weit, dass ein Produkt durch TV-Werbung billiger wird als ohne. Ich sage nicht, dass das immer so ist, manche Hersteller wollen durch TV-Werbung auch zusätzlichen Marken-Rahm abschöpfen, aber es ist auch nicht grundsätzlich so, dass TV-Werbung Produkte verteuert, dann wären die Hersteller ja schön doof, TV-Werbung zu machen.

    Dann noch was Anderes zum Thema Kostenloskultur: Was mich immer stört bei diesen Diskussion zwischen privaten Medienunternehmen und öffentlich-rechtlichen Anstalten, es wird stillschweigend angenommen, dass kostenlos keine Qualität haben kann. Dabei wird übersehen, dass Dinge, die aus Liebe zur Sache gemacht werden, oft genug eine Qualität erreichen, die weder die Verwaltungsfunker noch die Gewinnoptimierer schaffen. Prominenteste Beispiele sind sicher die Wikipedia oder neuerdings Vroniplag, viele Blogs oder Seiten, die von Fans erstellt wurden und alles, was kommerziell zum gleichen Thema gemacht wurde, in den Schatten stellen.

  7. “Gefasel” ist aber auch sprachlich nicht gerade schön. Das benutzen gerne Leute die die Äusserungen von anderen per Bezeichnung denunzieren wollen, das find ich etwas peinlich für Sprachkritiker.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert