Neusprechfunk 19

Wahrscheinlich sollte man sowas vorher nicht verraten, aber das ist dieses Mal kein netter Podcast. Der Neusprechfunk 19 ist natürlich wahnsinnig interessant und spannend und alles. Aber leider geht es in den fast zwei Stunden nur selten um nette Dinge. Wobei, eigentlich tut es das beim Neusprechfunk ja nie. Das ist das Leid, wenn man sich mit politischer Sprache auseinandersetzt. Ihr kennt das schon und es schreckt Euch offensichtlich nicht ab. Danke dafür!

Worüber also reden wir? Constanze beschäftigt sich mit der CDU und mit den von ihr (von der CDU, nicht von Constanze) so gern errichteten → Brandmauern. Weil sie gerade dabei waren, haben Mitglieder dieser Partei gleich noch → Integrationsgrenzen gezogen. Die kommentieren wir selbstverständlich auch. Vor allem aber reden wir über das → Korrekte-Sprache-Gesetz und die absurden Ideen dahinter. Diese Schöne-Worte-Gesetze waren bei uns schon häufiger Thema.

Maha hat sich das neue Grundsatzprogramm der CSU angeschaut, wie er es in Ausgabe 18 versprochen hatte. Die möchte gern eine „Liberalitas Bavariae“ als „Gegenentwurf zu Identitätspolitik und Wokeness“ etablieren. Wir reden darüber, warum das nichts mit der Liberalitas Bavarica zu tun hat und was die CSU mit all dem eigentlich ausdrücken möchte.

Kai hat sich den Bundeshaushalt vorgenommen, den der Bundestag gerade beschlossen hat. Er hat vor allem nachgeschaut, in welchen Bereichen Geld gestrichen wird. Wir besprechen das am Beispiel der “Einzelpläne” 9, 17 und 30. Das sind die Etats des Wirtschafts-, des Familien- und des Bildungsministeriums. Und ja, die Antwort auf die Frage, wo gestrichen wird, könnte Euch und die Bevölkerung beunruhigen.

Einen schönen Teil gibt es aber doch, ganz am Ende: Constanze hat ein Büchlein dabei, in dem sie vor vielen Jahren Begriffe gesammelt hatte, die ihr damals unbekannt waren, damit sie deren Bedeutung später nachschlagen kann. Das ist echter Bildungshunger! Aus dem Büchlein trägt sie vor und lässt uns die Begriffe raten. Und das ist auf ganz vielen Ebenen großartig. Für uns bietet sich dabei zudem eine famose Gelegenheit, über die Metamorphose sprachlicher Usancen zu sinnieren. Ihr merkt es vielleicht schon, es geht um Fremdwörter.

Aber hört selbst: Hier ist der Podcast, wie immer als mp3 und natürlich auch wahlweise als .ogg-Version. Viel Vergnügen!

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Kohlendioxid-Bepreisung

Der CO2-Ausstoß in Deutschland muss wie auch sonst auf der Welt reduziert werden. Das ist nur zu schaffen, indem ein hoher CO2-Ausstoß teuer, eine Vermeidung von CO2 jedoch finanziell vorteilhaft ist. Es liegt also nahe, Steuern auf CO2 zu erheben. Dummerweise sind Steuererhöhungen unpopulär. Da hilft nur Neusprech: So wurde die K. erfunden und plötzlich klingt die Steuer nach Wirtschaft und modern. Interessant ist, dass wenn man nach Bepreisung sucht, neben der K. auch die Bepreisung von Autobahnen auftaucht, also wieder ein negativ konnotiertes Wort vermieden werden soll, nämlich Maut, was ja auch eine Steuer ist. Merke: Nur eine Steuer, die nicht so heißt, ist eine gute Steuer.

Sozialklimbim

Abwertende Bezeichnung des FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler für einen Gesetzentwurf, der durch Geld vom Staat den Lebensunterhalt von Kindern sichern will, die von Armut bedroht sind oder in Armut leben. Diese sogenannte Kindergrundsicherung, die letztlich vor allem eine neue Bezeichnung für die bislang Kindergeld genannte staatliche Leistung ist, wurde von der FDP lange und lautstark kritisiert. Die Kritik gipfelte in der Schmähung, es handele sich dabei um S. und somit um etwas Unbedeutendes und Überflüssiges. In der Verwendung dieses verniedlichenden lautmalerischen Wortes zeigt sich vor allem eines: eine tiefe Verachtung für jede staatliche Hilfe, die armen Menschen zugute kommt. Und damit natürlich eine tiefe Verachtung für jene Menschen selbst.

Abwehrschirm

Steigerung von Rettungsschirm. Ähnlich wie beim Rettungsschirm, der sprachlich aus dem Bereich des Fallschirmspringens entlehnt zu einer Art Regenschirm gemacht wurde, denkt man auch beim A. an einen irgendwie schützenden Schirm. Nur dass der A. noch etwas aktiver ist, denn er rettet nicht nur vor irgendetwas, sondern wehrt sogar nicht näher bezeichnete Dinge ab. Der Wortschöpfer, Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), wollte damit Verbrauchende und Unternehmen vor steigenden Kosten schützen, somit ist er vor allem eine staatliche Subvention. Subventionen jedoch haben politisch einen schlechten Ruf, die Abwehr von etwas potenziell Schädlichem klingt da viel besser. Unter uns, er klingt auch viel besser als die Wortschöpfung des Bundeskanzlers dazu, der diese Subvention als Doppelwumms bezeichnete. Das Wort A. stammt dabei aus der Militärsprache. Dort ist es eine Übersetzung aus dem Englischen. Der „missile shield“ besteht aus Raketen, die abgefeuert werden, um andere Raketen abzufangen (Raketenabwehrschirm). Beim A. wird mit Geld gefeuert, viel Geld. Er ist „milliardenschwer“, ihn aufzuspannen, dürfte also gar nicht so leicht sein. Offenbar handelt es sich hier um eine Mehrfachmetapher, der man die Übertreibung leicht ansieht, noch dazu wenn mit ihm gar nichts abgewehrt wird. 

Neusprechfunk 18

Willkommen bei einem der letzten echten Laber-Podcasts, willkommen beim Neusprechfunk. Wir haben uns zum 18. Mal getroffen, um über politische Sprache zu reden und darüber, was sich hinter einzelnen Begriffen verbirgt. Es erwarten euch zwei Stunden Bahnsprech, Politikgeschwurbel und ein ausführliches Quiz zu der Frage, wie verständlich Politikerinnen und Politiker reden. Bitte hier entlang. Das Ganze gibt es hier natürlich auch wieder als ogg-Version.

Wir reden, das ist für uns durchaus ein Novum, über das Marketing von Marlboro und die Versuche der Tabakindustrie, sich zu einer „Gesundheits- und Wellnessmarke“ zu „mausern. Und dabei nebenbei auch über die DDR-Zigarettenmarke „Kenton“. Wie gesagt, ein echter Laber-Podcast.

Im Juni haben die Innenminister der EU den sogenannten Asylkompromiss verhandelt. Beziehungsweise eine, wie es offiziell heißt, Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Wie reden über die Sprache der Reform, bedeutet sie doch vor allem weniger Rechte für diejenigen, die Asyl suchen. Der Kompromiss bezieht sich dabei nur auf den politischen Streit innerhalb der EU, Asylsuchende hatten keinen Anteil an der Debatte und würden sich sicher einen anderen Kompromiss wünschen. Unter anderem sollen Menschen, die in der EU Schutz vor Verfolgung suchen, zuerst in → Asylzentren an den Außengrenzen der EU ihren Asylantrag stellen gefangen gehalten werden. Diese Lager wurden schon unter vielen verschleiernden Namen diskutiert: → Ankerzentren, → Entscheidungszentren, → Willkommenszentren, → Aufnahmezentren … Neu ist, dass die Lager nun nicht einmal mehr auf dem Boden der EU errichtet werden sollen – was noch weniger Rechte und noch weniger Schutz für die Schutzsuchenden bedeutet. Später geht es dann auch noch um das Grundrecht auf Asyl, das die Union gleich ganz abschaffen will.

Dabei sprechen wir am Rande auch über die Neufassung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), das sogenannte Heizungsgesetz, beziehungsweise den „Heiz-Hammer“, wie eine bestimmte Zeitung es nennt.

Zwischendurch sind wir etwas ratlos über die Veränderungen sozialer Debattenplattformen und fragen uns, wo künftig gesellschaftliche Verhandlungen stattfinden, wenn nicht mehr auf Twitter. Was nutzt Ihr? Schreibt es uns gern in die Kommentare.

Maha berichtet von einem seiner Lieblingsthemen. Als Mensch, der sehr viel die Deutsche Bahn und ihre Dienste nutzt, beschäftigt er sich oft mit Bahnsprech, hier mit der Debatte um die Zerschlagung der Deutschen Bahn, die CDU und CSU planen. Beziehungsweise mit einem Artikel, der diesen Begriff auf etwas seltsame Art verwendet. Da wir schon dabei sind, geht es auch um das Deutschlandticket und die sprachlichen und rechtlichen und finanziellen Nuancen dieser Tarifmodelle.

Eine Studie der Universität Hohenheim (pdf) hat untersucht, wie verständlich die Reden verschiedener Politiker und Politikerinnen im Bundestag sind. Wir quizzen uns selbst, ob wir einige der amtssprachlichen Begriffe, die in Reden verwendet wurden, erraten und erklären können. Dabei schauen wir, wann und wie oft diese im Bundestag erwähnt wurden, das geht mit dieser Suchmaschine hier. Siehe Petitum.

Anschließend raten wir gleich weiter, was denn eine „Schwachstelle der Wiedervereinigung“ gewesen sein könnte, wie es CDU und CSU einst bezeichneten und wie es der Spiegel berichtete. Spoiler: Kommt Ihr nie drauf.

Das fröhliche Wörterraten geht weiter mit der „Leichtigkeit des Verkehrs“, einer Wortschöpfung des FDP-regierten Verkehrsministeriums, und mit der „Potenzialstärkung“.

Hier ist der Podcast als mp3.

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