Schutzwaffe

Eine S. oder auch passive Waffe ist gar keine Waffe. Das verwirrt Sie? Moment, wird gleich klarer. Mit den Begriffen werden im Versammlungsrecht all jene Dinge bezeichnet, die dazu taugen, vor der Wirkung von Waffen zu schützen. Aber natürlich ist diese Falschbenennung kein Zufall, dient sie doch dazu, das Tragen von schützender Kleidung zu diskreditieren, oder genauer: deren Träger. Das wird klar, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Dinge gemeint sind: Regenhosen zum Beispiel, Zahnschienen oder eine Schutzbrille (die auch noch als Vermummung gilt). Selbst ein Fahrradhelm ist nach dieser Rechtsauffassung eine passive Waffe. Wer sich vor Gewalt schützen wolle, so die Logik, der suche die Gewalt geradezu, ja sei selbst zu ihr bereit. Die Argumentation ähnelt auf fatale Weise der üblen Ansicht, Frauen seien auch irgendwie schuld daran, wenn sie vergewaltigt würden. Schließlich hätten sie ja ein enges Kleid angehabt. Es handelt sich also bei der S. um das Gegenteil eines Euphemismus, um einen Dysphemismus, eine Schmährede.

Und bitte jetzt keine Witze über die Gewaltbereitschaft deutscher Polizisten angesichts ihrer Helme und Schilde. Denn die tragen selbstverständlich eine Schutzausrüstung, das ist etwas ganz anderes. Oder, wie der grandiose Georg Kreisler sang: “Jeden Tag sind wir beim Schützen frisch dabei / schützet auch die Polizei!”

Mit herzlichem Dank an Jörg S. für die Einsendung.

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23 Kommentare

  1. Wie wahr, wie wahr.
    Gibt’s eigentlich schon eine höchstrichterliche Entscheidung zu der ganzen Sache?
    Ich kann, ja auch Argumentieren, dass aufgrund von “erlebnisorierentierten Jugendlichen” und Agent Provocateurs das Risiko von Gewalt auf Demos größer geworden ist. Und damit auch die Eskalationswahrscheinlichkeit steigt. Da ich aber mein Recht auf Freie Meinungsäußerung wahrnehmen will, aber dabei nicht aus versehen die Augen rausgeschossen bekommen möchte, ist es doch mein gutes Recht mich zu schützen.
    Oder anders gesagt, wenn ich Gefährliche Sachen mache, ist es in einigen Bereichen sogar meine Pflicht mich zu schützen. Z.B. Motorrad fahren (Helmpflicht) oder im Labor (Schutzbrille und Kittel).

  2. Ich muss mich echt zusammenreißen, jetzt nicht “Schutzhaft” zu erwähnen. Ups.

    > Wer sich vor Gewalt schützen wolle, so die Logik, der suche die Gewalt geradezu, ja sei selbst zu ihr bereit.

    Klar. Ich nehm ja auch immer einen Regenschirm mit, weil ich eigentlich klatschnass werden will.

  3. Die letzten beiden Sätze triefen ja geradezu vor Sarkasmus ….. :D hab selten so gelacht bei nem artikel auch wen es eigentlich traurig ist, dass solche wörter mit absicht generiert werden.

    @janwo: Ja ich nehme auch immer nen regenschirm mit wenns regnet nur weil der extrem modisch aussieht und zu meiner kleidung passt….

  4. Ich finde auch die klangliche Ähnlichkeit zur “Schusswaffe” erhöht den gefühlten Bedrohungseffekt enorm.

  5. Danke für diese Beschreibung dieses Unsinnskonzept. Es wird wirklich Zeit, dass jemand diese perverse “Schutzwaffen” Argumentation nach Karlsruhe trägt. Artikel 2 II GG.

  6. schöne erklärung.
    und wie im beitrag vermutet erscheint die deutung des begriffs beabsichtigt.
    und wenn dies beabsichtigt ist, ist bösartigkeit zu unterstellen.

    was ich noch wichtig fände:
    klärung wer dieses wortschöpfung initiiert, natürlich nicht von den betreibern des blogs (da hoher aufwand) sondern der netzgemeinde. um menschen bennen zu können, die unschuldigen schuld unterstellen, um ihre macht auszuweiten.

  7. Im Großen und Ganzen finde ich den Artikel sehr angebracht.
    Nur leider sind nicht alle Links so ganz passend.
    http://www.lawblog.de/index.php/archives/2011/05/01/gewaltbereitschaft-wird-vermutet/
    “Gewaltbereitschaft wird vermutet[…]
    Bei der Personenkontrolle vor dem Stadion am Bieberer Berg wurde in seinem Schuh ein schwarzer Mundschutz gefunden.”
    Also bitte… Wer versteckt in seinem SCHUH einen Mundschutz? Dort darf sehr wohl die Gewaltbereitschaft vermutet werden.

    Im Allgemeinen bin ich auch der Meinung, dass diese ganze Sache mit den “Schutzwaffen” zu weit getrieben wurde. Denn irgendwie muss man sich ja z.B. vor prügelnde S21-Polizisten schützen müssen.
    Im speziellen ist aber der Fall des Mundschutzes im Schuh eher schlecht als Beispiel angebracht.

  8. Zum Thema “der suche die Gewalt geradezu”:
    Christum ist eine zur gewalt auffordernde Religion.

    Denn wer hält den gerne gleich die zweite Wange hin;))

    Ähm, ihr hab doch meine IP;)

  9. Ich kannte den Kontext dieser Wörter nicht und dachte bei “Schutzwaffe” und “passiver Waffe” zuerst an ein Schönreden im Sinne von “Präventionskrieg”, also Waffen, die zum Angriff eingesetzt werden, der Angriff aber als Schutzmaßnahme hingestellt wird.

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