Eckpunkte

In den vergangenen Jahren ist das Vorlegen einer Liste von E.-n offensichtlich zu einer der wichtigsten Aufgaben der Politik geworden. Die E. treten dabei grundsätzlich im Plural auf (pluralis tantum). Möglicherweise, weil ein einzelner Punkt in einer Ecke albern aussähe. Wahrscheinlicher aber, weil die entsprechenden Dampfplauderer Politiker, wenn sie schon keinen detaillierten Plan zur Lösung eines Problems haben, wenigstens ein wenig Brimborium abliefern wollen. Denn nichts anderes sind die E.: Minimalforderungen, die Handeln simulieren, die eigene Position jedoch höchstens skizzieren. So wie die Holzpflöcke, die auf einem sonst unberührten Stück Land anzeigen, welchen Grundriss das geplante Haus einmal haben wird, sollte es je fertig werden. Mit einem politischen Konzept haben die so gern zitierten Stichpunkte so viel gemein, wie diese Holzpflöcke mit einem Bauplan. Denn die E. verzichten grundsätzlich auf die notwendigen Details und versuchen, schwierige Fragen so uneindeutig wie möglich zu beantworten. Sie sind damit Ausdruck des Prinzips „Form statt Inhalt“. Leider verstärken viele Medien dieses rudimentäre politische Handeln noch, indem sie ihrerseits nur rudimentär über die Ursachen der Probleme und die politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge berichten. Wer also lediglich E. vorlegt, statt eines politischen Bauplans, hat gute Chancen, damit durchzukommen und auch noch gut auszusehen. Siehe auch Markenkern.

Mit herzlichem Dank an Kay H. für die Idee.

Beteilige dich an der Unterhaltung

9 Kommentare

  1. Ich würde die Eckpunkte an Ihrer Stelle nicht so schnell in die Neusprech-Ecke stellen. Natürlich gibt es “Eckpunkte”, die Ihrer Beschreibung voll und ganz entsprechen, und wahrscheinlich gibt es in den letzten Jahren mehr davon als früher. Doch die meisten Eckpunkte erfüllen eine wichtige Funktion in der Politikentwicklung: Sie sind der Schritt zwischen Koalitionsvertrag und Referentenentwurf und enthalten oft die wichtigsten Massnahmen eines Gesetzesvorhabens, zum Teil sogar in detaillierter Form. Eckpunkte dienen der Kompromissfindung zwischen den Parteien und legen Grundsätze fest, die im weiteren Verfahren nicht mehr angetastet werden sollen. Ein aktuelles Beispiel: Wenn es so einfach wäre, Eckpunkte vorzulegen und gut mit ihnen auszusehen, dann hätte Gesundheitsminister Bahr seine oft angekündigten Eckpunkte zur Pflegereform wohl schon längst vorgestellt.

    Ich teile Ihre Kritik an den Medien und würde noch einen Schritt weiter gehen: Oft sind es die Medien, und nicht die Politiker, die jede noch so rudimentäre Position als “Eckpunkte” bezeichnet, nur weil sie auf einem Stück Papier aufgeschrieben wurde. Somit entleeren einige unbedachte Journalisten diesen Begriff, der eigentliche nützlich und treffend ist, um den Zwischenschritt vor dem Referentenentwurf zu beschreiben. Minister Röslers Insolvenz-“Eckpunkte”, die Sie als Beispiel in Ihrem Eintrag nennen, sollten schlicht und einfach als Position bezeichnet werden.

  2. Wenn man sich über einen Begriff lustig macht, dann sollte doch wenigstens die eigene Sprache einigermaßen fehlerfrei sein, insbesondere bei der Verwendung von Fremdwörtern. Ein Wort, welches nur im Plural auftaucht, heißt plurale tantum oder, in der Mehrzahl, pluralia tantum, aber niemals “pluralis tantum”. Die Klage über rudimentäres Wissen wirkt um so peinlicher, wenn offenbar wird, dass dem Klagenden leider auch nur einige Eckpunkte, in diesem Fall der lateinischen Sprache, bekannt sind.

  3. @Burkhard: Es ist sicher nicht Aufgabe dieses Blogs, sich über jemanden lustig zu machen. Aber nun zum Thema: Im Gegensatz zum Griechischen, in dem grammatische Kategorien im Neutrum verwendet werden, richtet sich das Genus der lateinischen Termini nach dem normalen Genus der Kategoriebezeichnung: hier also Numerus (m.), daher: (numerus) singularis und pluralis. Hier ist die Kategorie gemeint: „treten nur im Plural auf“ mit anderen Worten im Numerus „pluralis tantum“ (tantum heißt ‚nur‘). Anders ist es, wenn ich sage, dieses Nomen (n.) ist Plural (lat.: hoc nomen est plurale tantum. Für die Nicht-Lateiner: (Numerus) pluralis (dt. Plural) bezeichnet die Kategorie; Plurale, Pluralia (letzteres ist Neutrum Plural) bezeichnet das Wort, die Wörter. Leider wird tantum oft fälschlicherweise für ein Adjektiv im Neutrum gehalten, weshalb manche Leute glauben, die korrekte kategoriale Bezeichnung wäre auch plurale tantum. In Wirklichkeit ist tantum hier ein unveränderliches Adverb mit der Bedeutung ‚nur‘.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert