Der C. ist ein Wichtigtuerwort. Verlags- und Werbemenschen fuchteln damit herum, wenn sie die Dinge meinen, die in Konzerten gespielt, im Fernsehen gezeigt, in Zeitungen gedruckt oder im Internet veröffentlicht werden. Texte klingen aber auch langweilig, nicht so cool wie C. Englisch schließlich ist hierzulande längst Zweitsprache. Das führt gelegentlich zu skurrilen Erfindungen wie dem Rückenladen, aka Back-Shop und dem WC-Center, also der Pinkelzentrale, so etwas wird aber als schick empfunden. So erfolgreich waren die Werbemenschen, dass der C. sich bald eine ganze Branche eroberte. Doch geht es nicht nur um Wichtigtuerei. In dem Bemühen, sich durch den Anschein harter Arbeit aufzuwerten, beschreiben sich Sender und Verlage gern als C.-industrie, siehe auch Finanzindustrie. Das hat den Vorteil, dass niemand mehr an die Autoren denkt, die sich all die Texte, Bilder und Töne ausgedacht haben und denen ihre Verwertungsrechte abgepresst wurden. Der C. ist weit von ihnen entfernt und lässt sich damit viel unbeschwerter vermarkten. Wie Sascha Lobo twitterte: „Inhalte nennt man in Deutschland immer dann ,Content‘, wenn jemand damit Geld verdienen will.“ Womit das unscheinbare englische Wort für ,Inhalt‘ langsam zum Euphemismus wird. Denn diese „Industrie“ produziert keine Musik, keine Bilder und keine Texte. Sie verwertet sie lediglich, beziehungsweise die damit verbundenen Rechte der Urheber. Kritiker werfen den Firmen deswegen vor, das Wort C. beschreibe ihren Umgang mit der Arbeit vieler kreativer Menschen nur allzu gut und bezeichnen sie daher als C.-mafia. Natürlich ist die „Mafia“ in diesem Zusammenhang genauso unsinnig wie die „Industrie“. Es zeigt jedoch: Aus dem einstigen Deppenbegriff ist eine Kampfvokabel geworden. Das war nur möglich, weil der Ausdruck, der ja für Inhalt steht, ironischerweise so inhaltsarm ist, dass er überallhin passt.
Ich habe mal einen Webdesigner sagen hören, er kümmere sich um alles außer um den Content. Das Wort Content kannte ich bisher nur gegenüber allem, was kein Inhalt ist, und trotzdem eine Webseite ausmacht. Wird dies Wort also nicht nur für Online-Inhalte gebraucht? Content, jedenfalls ein neutrales Wort, das quantitativ Vorhandenes bezeichnet, ohne es nach Qualität zu differenzieren.
Im Verlagswesen ist es inzwischen ziemlich üblich. Content meint beispielsweise alles, was in einer Zeitung steht und keine eindeutig gekennzeichnete Werbung ist.
lg
k
John Perry Barlow, ca. 2004: “Das Wort “Content” tauchte auf, als die Container verschwanden.” #Krisensymptom
“Lorem ipsum …”
Der Begriff Content dient vor allem dazu, die Idee von verschiedenen Kanälen, in denen Informationen fließen, zu verfestigen und von dem, was sie transportieren zu unterscheiden. “Cross Media”-Produktion, vorangetrieben von zum Beispiel der Software von Adobe, geht davon aus, dass es medienunabhängige “Inhalte” gibt, sozusagen körperlose Ideen, die man problemlos auf verschiedenen Medien “ausgeben” kann. Dazu speichert man, so zumindest die Vorstellung, die “Inhalte” in verschiedenen Formaten ab oder exportiert sie in bestimmte Systeme hinein.
Die wahre Ausdrucksmächtigkeit liegt dabei im “Template”, in der Vorlage, in die die “Inhalte” einfließen. Die Vorlage setzt den Kontext für alle in ihrem Rahmen “angezeigten” Dinge. Was @Veit hier erwähnt, dass Webdesigner sich nicht um den “content” kümmern, bedeutet, dass bei der Formfindung die Inhalte unberücksichtigt bleiben und der Vertriebsstruktur mehr Wert beigemessen wird als dem was sie vertreibt.
Dass diese Ansicht, die im Web2.0 entwickelt wurde, vor allem im unerträglich zynischen Begriff “User Generated Content”, nun von den verschiedenen klassischen Verlagen in diesem Maße übernommen wurde, ist schon bestürzend, denn das Web2.0 ist doch deren Angstfeind Nummer Eins, vor dessem niedrigen Grunzen unsere Kultur durch das Leistungsschutzrecht bewahrt werden soll!
Das C in content führt noch zu einem anderen bliebten C-Wort: commodity. Wo früher Urheberleistungen der Kern der Veranstaltung waren, sind sie heute nur noch ein Rohstoff, das heißt eine Ware, die man dort besorgt, wo sie am günstigsten ist. Der Content hat keine eigene Intention, keine definierte Qualität. Das Internet ist da am wenigsten verlogen und hat tatsächlich Rohstoffprozesse für die Contentproduktion hervorgebracht (siehe z.B. texte.com), das völlige Desinteresse an Qualität greift aber überall um sich ist in dieser Radikalität neu. Es geschieht überall dort, wo finanzorientierte Manager den Laden führen. Die Mentalität ist dem der Investment-Banker verwandt: “Hier stehe ich, hier mach ich Geld.” So wird der Buchhandel von Sales-Mangern geleitet, die ihr Parfümerie-Konzept auf die Medienprodukte übertragen. TV-Sender werden aus der Buchhaltung heraus gesteuert. “Content is king” korreliert direkt mit “Quotenkönig”.
Diese Form von Beiträgen trägt in kleinster Weise dazu bei das Dilemma in dem sich viele gerade unabhängige Künstler befinden zu lösen. Auf der einen Seite steht die “böse” Industrie auf der anderen Seite der “gute” Nutzer, der ja nur Fan ist. Beide unterstellen dem jeweils anderen das dieser nicht bereit ist den Künstler ausreichend und fair zu bezahlen.
Ich für meinen Teil veröffentliche seid 13 Jahren Schallplatten und habe das Wort Content erstmals im Zusammenhang mit dem Wort Mafia wahrgenommen. Da die Mafia scheinbar etwas böses darstellt, ist somit jeder der nicht das “Schutzgeld” entrichtet, ein Widerstandskämpfer und Held. Gut für das eigene Wohlbefinden, nicht mehr.
Zwischengedanke: Müssen wir jetzt Max Brod für seine Arbeit danken oder hätte er Franz Kafka seinem Schicksal überlassen sollen?
Da die Diskussion auf solch einem Niveau nicht geführt werden kann und nur unsinnige Zeit und Mittel verschlingt in denen jeder auch kreativ tätig sein könnte, wäre es doch an der Zeit generellen der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen feindlich gegenüberstehen und deren Abschaffung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen.
Meines Erachtens ist es die Gier auf allen Seiten, die es zu bekämpfen gilt.
Um es in meinen Worten zu sagen: Ich habe diese verlogene Scheiße so satt, ist doch egal ob ein Großkonzern Künstler enteignet oder 1 Million “Fans”, am Ende haben die Künstler nichts zu fressen. Dieses heulerische Eintreten für die Rechte der Künstler ist so widerwärtig. Klar verdient Madonna, U2, Deichkind und Jan Delay fett an Konzertauftritten und weniger an ihren Platten, aber sind das eure Maßstäbe an Musik und Kunst? Jazz existiert heute fast nur noch in gesponserter Form. Die meisten Musiker/Schauspieler/Künstler haben Nebenjobs. Wollt ihr da hin?
Ihr habt die Möglichkeit und ihr habt die Macht, die Moral allerdings die habt ihr nicht auf eurer Seite ( PS: die Majors allerdings auch nicht).
Danke für die beiden letzten Absätze, “Otto”.
Ich würde sie am liebsten kopieren und in mein Blog stellen.
Aber dann pisst mich der “Contentmafia”-Hasser fefe an (der ja sonst in vielem Recht hat)
In dem Wort verbirgt sich auch ein kaum auflösbarer Widerspruch: Im Lateinischen heißt contentum esse sich begnügen, zufrieden sein.
Tatsächlich gibt sich die C.-Industrie nicht zufrieden.
An: Auch ein Geschädigter: Du kannst es!
Ich würde mir eine Wertedebatte, die diesen Namen auch verdient, sehr wünschen, allerdings sehe ich da keine Chance. Was ich allerdings als grandios Offenbarung empfinde, sind die Alternativlos Folgen über Gutenberg und über Korruption.
Hier verwenden Fefe und Susanne die selben Argumente wie ihre hassgeliebte Contentmafia.
Hallo Hans, leider definiert niemand den genauen Rahmen für C.-Industrie/-mafia. Sind es alle oder nur die großen Firmen. Wer genau gehört dazu?