Exzellenzinitiative

Neusprech ist die Kunst, von Schwächen abzulenken, oder noch besser, sie als Stärken zu verkaufen. Besonders funkelnde Wörter sollten daher stutzig machen. So wie die E., sie gleißt geradezu: Exzellent sind nur überragend gute Dinge. Eine Initiative außerdem ist entweder ein Anstoß, der Beginn von etwas Neuem. Oder sie ist, wie in Bürgerinitiative, ein Zusammenschluss von Vielen, um gemeinsam ein höheres Ziel zu erreichen. Was also will die E.? Soll sie ein erster Schritt sein, um zu erreichen, dass deutsche Universitäten wahnsinnig gut werden? Oder soll sie diverse, in ihren Fachgebieten führende Forscher zusammenbringen, damit sie gemeinsam etwas Neues, noch nie Dagewesenes schaffen? Der Begriff selbst verrät es nicht. Was unter Umständen die Absicht seiner Erfinder war. Denn wer sich die Idee der E. anschaut, kommt schnell dahinter, dass es hier um etwas anderes geht, um Mangelverwaltung. 1,9 Milliarden Euro hatte der Staat übrig und wollte damit die Universitäten vier Jahre lang fördern. Bekäme jede Hochschule etwas, beschränkte sich die Förderung auf ein paar neue Drucker und vielleicht noch hier und da eine Mikrofonanlage für den Hörsaal. Da das nicht sonderlich funkelt und nicht zum Angeben taugt, entstand bei Politikern die Idee der E.: Wenige bekommen viel und sehen damit gut aus, der Rest soll sehen, wo er bleibt. Verzeihung, die anderen sollen das natürlich als Ansporn betrachten. Das hat den Vorteil, dass sich mit den Auserwählten prima protzen lässt. Auch wenn es in der Summe natürlich noch immer nicht viel bringt, schon gar nicht für alle. Zu wenig Geld ist eben zu wenig Geld, egal, wie es verteilt wird. Siehe auch → Leuchtturmprojekt.

Dieser Text erschien zuerst in unserem Buch „Sprachlügen: Unworte und Neusprech von ,Atomruine‘ bis ,zeitnah‘“.

Beteilige dich an der Unterhaltung

5 Kommentare

  1. Mit dem Wort ‘Exzellenz’ – Entsprechung von englisch ‘excellence’ als höchster Ruhm von Universitäten – wird nicht nur akademisches Weltniveau beschworen, sondern auch das angloamerikanische Modell elitärer Spitzeneinrichtungen gedanklich eingeschleust, das mit einer Hierarchie von finanziellen Mitteln und sozialem Prestige einhergeht.

  2. “Exzellenz” ist so ein Plastikwort, bei dem mich immer noch ein diffuses Unwohlsein erfasst. Was sagte man eigentlich früher, als es dieses Wort noch nicht gab? (Der Grimm kennt die E. in dieser Bedeutung nicht!) Spitzenforschung, Spitzenuni, Spitzenleistung? Forschung/Uni/ Leistung von Weltrang?

    Was ist der semantische Mehrwert von Exzellenz? Sabine hat, finde ich, die Richtung gut erfasst. Ich möchte ergänzen, dass im deutschen Sprachraum “Exzellenz” ein Titel war, der v.a. Staatsministern zukam. Ich denke, diese Bedeutung ist durchaus noch präsent und verleiht der “modernen” E. die Aura von Elite und Standeswürde. Und genau das zwickt mich so: In der Wissenschaft soll es nur auf Ideen und Leistungen ankommen, aber nicht auf Rang- und Würdenbezeichnungen! Ich sehe in der Einrichtung von “Excellence-Clustern” und in den E.initiativen eine Feudalisierung der Forschungslandschaft. Vergangene Spitzenleistungen innerhalb einer Uni werden zu einer Tugend uminterpretiert, nämlich der Tugend, hervorragende Leistungen zu erbringen. Was also zuerst nur eine Leistung von Forschern war, wird zu einer Eigenschaft, die der Uni an sich zugemessen wird und die eine finanzielle Privilegierung legitimiert.

    Es ist aber richtig: In Wahrheit steckt Mangelverwaltung hinter diesem miefigen, großkotzigen Begriff, der einem Untertanenstaat angemessen wäre.

    Grüße,
    Jürgen

  3. Ich denke auch dass ‘Exzellenz’ eher ein Code-Wort fuer ‘Elite’ ist. Aus meiner Erfahrung ist ‘Excellence’ (wie auch ‘Innovation’) im amerikanischen Sprachraum kein besonders qualifizierendes Wort. Im Gegenteil, wenn beispielsweise Firmen oder Universitaeten sich NICHT als ‘excellent’ (oder ‘world class’) beschreiben, entsteht der Verdacht, dass es sich um ‘low performers’ handelt. Es sei denn man heisst Harvard oder MIT – dann braucht man die ‘Exzellenz’ nicht extra betonen. Das koennte auch in den Hinterkoepfen der Wortschoepfer in Deutschland eine Rolle gespielt haben: solange deutsche Universitaeten international keinen besonderen Ruf geniessen, muss man eben mit E. etwas nachhelfen. Ich glaube nicht, dass Mangel an Mitteln den Ausschlag gab. Eher geht es darum, die deutsche Uni-Landschaft fuer Forscher aus dem Ausland – sowie Rueckkehrer – attraktiver zu machen und den Anschein zu erwecken, dass Wettbewerb (und damit Leistung) gefoerdert wird. Das Groteske daran ist natuerlich, dass mit der Einstufung als ‘exzellent’ der Leistungsdruck steigt, ohne dass sich die (finanziellen) Anreize fuer AkademikerInnen veraendern. Damit werden paradoxer Weise ‘nicht exzellente’ Universitaeten wieder attraktiver. Nach Amerika ist diese Initiative sowieso noch nicht vorgedrungen. Wer denkt, dass ein Studium (oder ein PhD) an einer ‘Exzellenz-Universitaet’ internationale Job-Chancen erhoeht, wird schnell eines Besseren belehrt.

  4. Ich habe noch die Primitivfunktion der Unität erlebt.
    Und dort habe ich gelernt:
    Unität gehört zu den deutschen Un-Wortbildungen: Unbau, unbeliebt, Unbill, Undauung, Undienst, Unehe, unerleidlich, Unfreund, Ungeberde, Ungehorsam, Untiefen; ach, was!
    Alles “untergegange Wörter”. Wie die Unität das überlebt hat, als UnTote, ist ein akademisches Rätsel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert