Arbeitgeber

„Es konnte mir nicht in den Sinn kommen, in das ,Kapital’ den landläufigen Jargon einzuführen, in welchem deutsche Ökonomen sich auszudrücken pflegen, jenes Kauderwelsch, worin z.B. derjenige, der sich für bare Zahlung von andern ihre Arbeit geben läßt, der Arbeitgeber heißt, und Arbeitnehmer derjenige, dessen Arbeit ihm für Lohn abgenommen wird.“ Den Satz schrieb Friedrich Engels im Vorwort zur dritten Auflage von Karl Marx’ „Kapital“. Geholfen hat es nichts, das Kauderwelsch ist inzwischen gang und gäbe, überall ist vom A. die Rede. Der klingt, als würde er der Welt einen Gefallen tun, wenn er den Menschen mit all ihrer überschüssigen Arbeitskraft großzügig die Möglichkeit gibt, sich an Arbeitsplätzen abzuarbeiten. Folgerichtig heißt der, der sich dort abarbeiten darf, dann auch → Arbeitnehmer. Für Marx selbst war Arbeitskraft ganz nüchtern eine Ware, die von dem einen verkauft und von dem anderen gekauft wird. Die sich jedoch überhaupt nur auf dem Markt befindet, weil der Anbieter keine anderen Waren verkaufen kann – also gezwungen ist, seine Arbeitskraft gegen Geld zu tauschen. Irgendwie haben es deutsche Firmenchefs und Politiker geschafft, dieses Verhältnis sprachlich umzudrehen. Die, die hier ,nehmen‘, haben gar keine andere Wahl, als jeden Tag eben jenem Verkauf ihrer Kraft zuzustimmen. Und im Übrigen auch nur wenig Einfluss darauf, wie hoch der Preis dafür ist.

Dieser Text erschien zuerst in unserem Buch „Sprachlügen: Unworte und Neusprech von ,Atomruine‘ bis ,zeitnah.‘“

Beteilige dich an der Unterhaltung

30 Kommentare

  1. Auch wenn in den Kommentaren wohl zu Recht bemängelt wird, dass das Wort “Arbeit” Bedeutungen in beiden Richtungen hat (einerseits Arbeit, die geleistet wird, andererseits Arbeit im Sinne von Arbeitsstelle oder -Möglichkeit): Ich halte die Kernbotschaft dieses Eintrags für richtig. In einem üblichen Arbeitsverhältnis ist die Person, die die Arbeit durchführt, in der Bilanz mehr die gebende Seite und die Institution, die die Arbeitsstelle geschaffen hat, mehr die nehmende. Die Vokabeln “Arbeitgeber/Arbeitnehmer” sind also “falsch herum”.

  2. @Mantera: Das finde ich sehr interessant, auch wenn ich die Wortwahl “linke Propaganda” nicht verwendet hätte. In der Tat gibt es heute einen Beschäftigungsgeber und einen Beschäftigungsnehmer. Insofern stimmt der Terminus “Arbeitgeber” durchaus mit der Wirklichkeit überein. Wir haben hier also einen Beschäftigungsnehmer, der darauf angewiesen ist, dass ihm jemand Beschäftigung gibt. Der marx’sche Terminus heißt hierfür “der doppelt freie Bürger”. Eben frei von Produktionsmitteln und frei von seinem Herren, was ihn wieder direkt in die nächste Abhängigkeit führt. “Arbeitgeber” ist also gar keine Verschleierung von Tatsachen, sondern lediglich Ausdruck derselben. Wir stören uns nur gar nicht daran. Wer weiß warum…

  3. Zwei Irrtümer:

    1. Der Arbeitende wird von niemandem gezwungen, seine Arbeitskraft anzubieten. Es ist seine freie Entscheidung dies zu tun. Er kann das Anbieten seiner Arbeitskraft auch verweigern oder selbst zum Unternehmer werden. Natürlich hat er auch die Konsequenzen für seine freie Entscheidung zu tragen.

    2. Jeder, der schon selbst in Lohnverhandlungen stand, weiss, dass er durchaus Einfluss auf den Preis seiner Arbeitskraft hat. Auch Gewerkschaften wissen dies.

  4. -Zitatanfang-
    „Arbeit“ heißt auf französisch „le travail“, auf spanisch „el trabajo“, auf portugiesisch „o trabalho“. Das alles kommt vom lateinischen „tripalium“, einer Peitsche mit drei Lederriemen, an deren Ende jeweils ein Metallstern angebracht ist – zur Züchtigung von Sklaven.
    -Zitatende-

    Ich gehe gern auf Arbeit.
    Bin ich jetzt ein Nazi?

  5. Hallo allerseits,

    nachdem ich mich schon seit Jahren nach passenden Gegenbegriffen sehnte (ohne wirklich aktiv danach zu suchen), floss mir vorgestern in einem Chat der Begriff “Arbeitskäufer” quasi von selbst aus den Fingern und vorhin kam der “Arbeitsleister” noch dazu. Ich werde die in Zukunft konsistent verwenden und würde mich freuen, wenn ich ein paar Leute inspirieren könnte, es auch zu tun. Falls jemand bessere Vorschläge hat, immer her damit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert