Verquere Inhalte spiegeln sich oft auch in verqueren Begriffen: Als Google dem neuen Gesetz Folge leistete und damit begann, Angebote deutscher Zeitungsverlage in Folge des Leistungsschutzrechtes aus der Nachrichtensuche zu entfernen, kamen die Verlage auf eine neue Idee. Sie wollten Google zwingen, ihre Inhalte wieder anzuzeigen, Google wollte aber nicht fragen, ob es Inhalte anzeigen darf und schon gar nicht dafür zahlen. Also erteilten sie Google eine widerrufliche G. Meint: Die Verlage nehmen Google die Mühe ab, zu fragen, ob Google die Inhalte anzeigen darf und erteilten – ganz uneigennützig, versteht sich – von sich aus eine Einwilligung. Auf das Geld verzichteten sie auch. Das ganze Gehampel um das Leistungsschutzrecht, mit dem die Verlage Google zwingen wollten, an sie Geld zu überweisen, war also völlig sinnlos. Wobei, nicht ganz. In Kombination mit der G. zementiert das Leistungsschutzrecht jetzt die Monopolstellung Googles – es ist also das Gegenteil von dem passiert, was das Leistungsschutzrecht ursprünglich erreichen sollte. Aber noch hoffen die Verleger, denn ihre Einwilligung ist ja widerruflich. Einwilligungen können eigentlich immer zurückgenommen werden, es sei denn sie sind ausdrücklich unwiderruflich. Das überflüssige widerruflich klingt daher so seltsam, wie es sachlich ist. Aber die G. ist auch deshalb verquer, weil ja nicht die Einwilligung gratis, also unentgeltlich ist, sondern die Nutzung der Inhalte. In der Linguistik werden solche verqueren Bildungen Enallagé genannt.
Das Adverb gratis bedeutet übrigens ursprünglich auf Lateinisch ‚aus Gnade‘. Das passt zur Hybris der Verleger! Als würden sie Google eine Gnade erweisen. Es passt allerdings nicht zur Einwilligung: Nur der Mächtige kann gnädigerweise eine Erlaubnis erteilen, der Ohnmächtige muss einwilligen. Eine Einwilligung setzt also Machtlosigkeit voraus (linguistisch nennt sich diese Voraussetzung Präsupposition) und der Begriff gibt damit die Tatsachen preis, die die Verlage eigentlich kaschieren wollten. Inzwischen haben die Verleger offenbar gemerkt, dass das Wort Einwillung zwar der Wirklichkeit entspricht, jedoch nicht ausdrückt, was sie gern ausgedrückt hätten. Jetzt sprechen sie von Gratislizenz, also von Erlaubnis. Dass die neue Wortwahl die Verleger mächtiger macht, darf bezweifelt werden.
Guter Beitrag; so ist mir das noch nicht aufgefallen!
Die Verlage nehmen also aus gnädiger Kulanz den Schuss zurück, den sie sich selber ins Knie verpasst haben? Klingt in der Tat schräg, gut beobachtet
und nachdem das Leistungsschutzrecht schon gut abgelegen ist und die Konsequenzen für alle sichtbar und dokumentiert, wird es nun ident in Österreich eingeführt.
Vermutlich sind die österreichischen Verleger mächtiger.