beschäftigt, geringfügig

Wir sind beschäftigt, wenn uns etwas zu schaffen macht, wenn wir mit einer Sache gut zu tun haben, ja wenn wir uns geradezu ausgelastet fühlen. Diese Bedeutung ist auch hier durchaus angestrebt – um zu kaschieren, dass die entsprechende Tätigkeit gerade nicht auslastet. Und so lautet die umgangssprachliche Bezeichnung für diese Art der Arbeit denn auch treffender Minijob. Doch ist der Ausdruck noch auf einer anderen Ebene falsch. Denn es ist nicht eine bestimmte Menge an Arbeit gemeint, wie die Bezeichnung nahe legt, sondern eine bestimmte und sehr geringe Menge an Geld. Laut Sozialgesetzbuch liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das „Arbeitsentgelt (…) im Monat 400 450 Euro nicht übersteigt“. Und zwar unabhängig davon, wie lange der Betroffene dafür schuften muss. Also sind eigentlich jene gemeint, die für ihre Mühen mies bezahlt werden. Was den Begriff nicht nur zum Euphemismus macht, sondern auch unfreiwillig entlarvend: Er rückt damit nämlich in die Nähe der zweiten möglichen Wortbedeutung: Denn für beschäftigt gibt es im Deutschen nicht nur eine aktive Verwendung, es kann auch passiv eingesetzt werden: So werden Kinder beschäftigt, damit sie sich nicht langweilen. Es geht somit darum, Menschen etwas tun zu lassen, was wie Arbeit aussieht, diese Bezeichnung im Sinne von Beruf aber nicht verdient.

Dieser Text erschien zuerst in unserem Buch „Sprachlügen: Unworte und Neusprech von ,Atomruine‘ bis ,zeitnah‘“.

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13 Kommentare

  1. Kleine Korrektur, die aber eigentlich nichts zur Sache beitraegt, in Form eines Zitats von Wikipedia zum Thema: “Die Arbeitsentgeltgrenze bei geringfügig entlohnter Beschäftigung wurde in Deutschland zum 1. Januar 2013 von 400 Euro auf 450 Euro angehoben.”

    Ich halte das aber nicht fuer eine Sprachluege (zumindest zum Zeitpunkt der Einfuehrung des Gesetzes): Menschen, die nur wenige Stunden in der Woche arbeiten (z.B. neben einem Studium, oder weil sie eben keine Vollstelle finden), aber einen akzeptablen bis guten Stundenlohn dafuer erhalten, sind auch betroffen, und geniessen an der Stelle steuerliche Vorteile, was zunaechst ja mal sinnvoll ist.
    Dass Lohndumping-Betroffene auch unter “geringfuegig beschaeftigt” fallen, halte ich eher fuer eine Folge unzureichender Regelung (wobei das Gesetz auch an dieser Stelle ja immer noch sinnvoll bleibt… aber der Name trifft heir wirklich nicht mehr)

  2. Sei dem 1.1.13 sind es 450 € / Monat.

    Natürlich nicht automatisch für Altverträge, klar. Ist ja Deutschland hier.

    Ansonsten alles richtig.

  3. Öhm – warum wird “geringfügig beschäftigt” benutzt, um zu kaschieren, dass eine Tätigkeit _nicht_ auslastet? Wenn ich geringfügig, also nur wenig beschäftigt bin, dann sagt es ja genau das Gegenteil von “sehr beschäftigt sein”: dass ich noch Zeit, Energie usw. frei habe. Damit kaschiert er doch, wie du dann selbst sagst, dass nur die Bezahlung festgelegt ist, nicht aber die Auslastung. Oder viel mehr: der Ausdruck legt sogar legt nahe, dass geringfügig Beschäftigte wenig zu tun hätten und damit vermeitlich zu Recht wenig verdienen.
    Es sieht ja auch nicht nur wie Arbeit aus, es ist ja tatsächlich Arbeit, im Sinne von einer Tätigkeit, die die Arbeitskraft der Leute aufbraucht. Im Sinne von Beruf oder Berufung für die meisten natürlich nicht (wobei Nicht-Minijobs ja auch nur mit viel Glück Berufung sind). Vielleicht hast du das ja auch gemeint, aber es lässt sich so wie es da steht auch anders, ganz im Sinn des Euphemismus (das ist ja gar keine richtige Arbeit, die richtig bezahlt werden müsste ist) lesen.
    Naja. Es ist ja schon lange schwierig mit der Sprache und der Arbeit: https://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitnehmer#Kritik_am_Begriff

  4. @sylar_5

    “Dass Lohndumping-Betroffene auch unter “geringfuegig beschaeftigt” fallen, halte ich eher fuer eine Folge unzureichender Regelung”

    Nein, die Mini-Job-Gesetze hatten von Anfang an das Ziel, Menschen mit einer geringfügigen _Bezahlung_ von Steuern und Sozialabgaben zu entlasten. Es ging daher nie um die tatsächliche monatliche Arbeitszeit, sondern nur um das durchschnittliche monatliche Arbeitseinkommen. Gut dotierten Beraterjobs oder Aufsichtsratsposten fallen ja bekanntlich nicht unter “geringfügige Beschäftigung”, obwohl sie es nach dem Arbeitsaufwand oft sind.

    Es ist auch kein Betriebsunfall, dass Minijobs in immer stärkerem Maße Normalarbeitsplätze ersetzen. Es sollte ja gerade die Aufnahme von schlecht bezahlter Arbeit erleichtert werden, und das ist gelungen.

    Deshalb danke an Martin Haase, mir war die Ideologielastigkeit dieses Begriffs bislang nicht bewusst. Sicher, man könnte argumentieren, dass zumindest in der Vergangenheit Arbeitszeit und Entlohnung miteinander korrelieren. Aber: Genau die Einhaltung dieser Korrelation überwacht das Minijob-Gesetz _nicht_. Es gibt keine Mindestlohnklausel für Minijobs. Nur wenn es diese gäbe, wäre der Gesetzesbegriff der geringfügigen Beschäftigung angemessen.

    Grüße,
    Jürgen

  5. Die umgangssprachliche Bezeichnung ‘Minijob’ für geringfügige Beschäftigung (bzw. Bezahlung) hat ebenfalls ihre Tücken. Während ‘Mini-‘ das Problem der Geringfügigkeit verharmlost, verdrängt ‘-job’ (als Bezeichnung für alle möglichen Beschäftigungsverhältnisse) den gedanklichen Anspruch auf Arbeit (im Sinne einer geregelten beruflichen Tätigkeit). Das Kurzwort ‘Minijob’ vermag also leicht zu verdrängen, was geringfügige Beschäftigung tatsächlich ausmacht (mehr dazu im Neusprech-Glossar http://attacberlin.de/ags/sprache/themen/neusprech-glossar/ unter ‘Minijob’).

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