Fundamentalisten, linksliberale

Klingt übel und soll es auch, ist es doch eine bewusste Schmähung, die auf dem Niveau der Bild mit Vorurteilen spielt. Glauben Sie nicht? Nun, woran denken Sie beim Begriff Fundamentalisten? Richtig, an al-Qaida. Bei Linken? Genau, an brennende Autos und fliegende Steine. Bei Liberalen, noch dazu Linksliberalen? An die FDP? Sie scherzen. Denken Sie nicht viel eher an Unterstützer der Schwulenehe oder an Kriegsdienstverweigerer und ähnliche „Feiglinge“? Das zumindest hat sich Innenminister Friedrich wohl erhofft, als er „Kritiker der Anti-Terror-Gesetze“ in Bild (sic!) linksliberale F. nannte (übrigens ein Oxymoron, F. sind ja gerade nicht liberal). Sollen Sie doch all jene für gefährlich halten, die sich auf das Grundgesetz berufen und argumentieren, zu viel Überwachung, für welchen gut gemeinten Zweck auch immer, könne nicht gut sein.

Dabei ist das Grundgesetz eine Sammlung von Abwehrrechten. Es soll den Einzelnen vor dem Staat schützen. Denn das Grundgesetz misstraut nicht „dem eigenen Rechtsstaat“, wie Friedrich es seinen Kritikern vorwirft, es misstraut jedem Staat. Aus langer und leidvoller Erfahrung. Somit ist es eine erstaunliche Verdrehung dieser Idee, wenn der Innenminister behauptet, wer den Staat in seiner Macht beschränken wolle, gefährde „Leib und Leben Unschuldiger“. Dient die Beschränkung des Staates doch dazu, die Freiheiten aller zu erhalten und damit letztlich auch ihren Leib und ihr Leben. Denn niemand hat in der Geschichte so bedenkenlos und so erfolgreich unterdrückt, gefoltert und getötet, wie allmächtige Staatsapparate und ihre sich unangreifbar fühlenden Beamten.

Friedrich bedient sich damit also einer negativen Konnotation, in der Sprachwissenschaft auch als Pejoration bezeichnet. Man könnte auch sagen, er betreibt Propaganda.

Dank an janwo für das Oxymoron.

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50 Kommentare

  1. vielen dank fürs auseinander nehmen des Begriffes.
    Hätte, glaube ich, auf eine ähnliche Bedeutung getippt, wo bei das Oxymoron woll an mir vorbei gegangen wäre.
    Also in diesem Sinne ‘doppel plus gut’ und noch einen schönen Tag.

    cmk

  2. Die Kritik an der Äußerung des Innenministers ist berechtigt. Er bezeichnet Verteidiger des Rechtsstaats und der Grundrechte als Fundamentalisten und dagegen muss man natürlich protestieren.

    Zum Oxymoron: So einfach ist es nicht. Es gibt liberale Fundamentalisten, aber nicht dort, wo der Innenminister sie sieht. Als Fundamentalisten würde ich z.B. einen Teil der Libertären bezeichnen. Fundamentalismus muss ja nicht bedeuten, dass jemand immer mit Waffengewalt für ein Ziel oder eine Ideologie eintritt.

  3. Dieses Missverständnis über die Natur des Grundgesetzes scheint mir bei vielen konservativen Politikern allerdings mehr als Propaganda zu sein. Es gibt wohl einfach ein Bedürfnis, einmal in einem “guten” Staat angekommen zu sein, und ein solcher Staat macht dann per definitionem nichts “Böses” mehr. Seine Grundrechtseinschränkungen sind Grundrechtseinschränkungen der Liebe…

    Woher diese einfache Gut/Böse-Dichotomie wohl kommen mag?

  4. Und nebenbei führt er in Deutschland das Wort liberal als Schimpfwort ein. So heimlich und leise, daß wir uns in zehn Jahren wundern werden warum liberal mal positiv besetzt war.

  5. @stefanolix

    Vielleicht ließe sich das Problem mit dem Oxymoron damit lösen, eine klare Unterscheidung zwischen “liberaler Fundamentalist” und “fundamentalistischer Liberaler” zu behaupten. Ersteres wäre unsinnig und die zweite Variante würde dann den genannten Fall abdecken. Bspw. eine Person, die das Freiheitskonzept eines bestimmten libertären Theoretikers als die einzige gültige und wahre Freiheitsdefinition ansieht und sein ganzes Weltbild darauf fundiert.

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