Wer sich fragt, wie so kreative Wortschöpfungen wie neuartiges Rundfunkempfangsgerät, Sicherheitsscanner oder Warnschussarrest entstehen, der konnte das gerade live erleben. Auf dem 14. europäischen Polizeikongress in Berlin diskutierten vier Länderinnenminister über die Zukunft des Internets. Es ging um Schutzlücken, um Cyberwar und um die Vorratsdatenspeicherung. Beziehungsweise um die Mindestpeicherdauer für IP- und Telefondaten. So nämlich sollte, fand Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger, die Vorratsdatenspeicherung künftig unbedingt genannt werden. Der bisherige Begriff immerhin sei „vorbelastet, die Angelegenheit müsse versachlicht werden“. So kann man das auch nennen. Es ließe sich aber auch einwenden, dass Neusprech offensichtlich eine Funktion besitzt: Es soll demjenigen, der es verwendet, Schutz geben. Schutz vor Kritik, Schutz vor Anfeindung, Schutz vor Verantwortung. Tut ein Begriff das nicht mehr, braucht es eben einen neuen Namen für das alte Phänomen. Das ist wie mit vergammeltem Fleisch. Das lässt sich auch besser verkaufen, wenn man es neu verpackt und ein neues Haltbarkeitsdatum draufdruckt.
Mit Dank an Michael D. und viele Twitterer
Am 1. April bekam der Begriff vom Verein Foebud einen BigBrotherAward verliehen. In der Laudatio sagte Martin Haase: “Wer ein solches Wort verwendet, um eine grundlose, immerwährende und vollständige Überwachung und Bespitzelung jeder elektronischen Kontaktaufnahme zu beschreiben, der hat offensichtlich nichts übrig für demokratische Ideale wie Menschenwürde, Redefreiheit und Unschuldsvermutung.”
Am 4. April berichtete netzpolitik.org, Innenminister Hans-Peter Friedrich wolle künftig lieber von „Mindestdatenspeicherung“ sprechen. Begründung: beim Begriff Vorratsdatenspeicherung werde man inzwischen „merkwürdig angeschaut“. Interessant, soll noch einer behaupten, Politik habe keinen Handlungsspielraum. Vielleicht hilft es ja, wenn noch viel mehr Leute merkwürdig schauen, damit die Politik das Projekt Totalüberwachung nicht nur immer neu verpackt, sondern ganz fallen lässt.
Inzwischen spricht man beim Innenministerium auch ganz offiziell von: Mindestspeicherfrist.
das schlimme daran ist, dass es impliziert das VDS ( oder
wie man es nennt) notwendig ist. zum vergleich: “wir brauchen die
VDS” “wir brauchen die Mindestspeicherdauer” ziemlich
perfide
simcup hat Recht. Das Wort Mindestspeicherdauer bedeutet, dass eine Speicherung nicht mehr zur Debatte steht. Es soll nur noch verhandelt werden, wie lange man mindestens speichert.
Frech, von “Versachlichung” zu sprechen, wenn der Begriff Meinung transportiert.
Irgendwieist es doch noch unlogischer als sonst, die VDS “Mindestspeicherdauer” nennen zu wollen, oder? Eine Mindesspeicherdauer wäre für mich ein Zeitraum, also 6 Monate oder 3 Stunden, aber nicht die Speicherung an sich.Oder denke ich nur zu logisch für Neusprech?
Das Problem an der >Mindestspeicherdauer<-begrifflichkeit ist, daß es impliziert, das die Speicherung an sich gar nicht mehr das Thema ist, sondern nur noch über die Länge selbiger verhandelt werden müsse.
Um es mal in BW-Sprache zu sagen: Tarnen und Täuschen
Mindestspeicherdauer ist offensichtlich schon verbrannt oder aus anderen Gründen für ungeeignet befunden. http://www.heise.de/newsticker/meldung/Innenminister-warnt-vor-rechtsfreiem-Raum-im-Internet-1221444.html (Bericht vom 23. Bundeskongress der Deutschen Polizeigewerkschaft) spricht konsequent von Mindestdatenspeicherung. Das geht wieder etwas näher an Vorratsdatenspeicherung heran.
ne, das zeigt einfach nur das die Vokabel nicht ausreichend gelernt wurde *duck*
Speicherung ist einfacher zu merken und bei Voräten schaut man eh auf Mindesthalbarkeitsdatum….
vielleicht liest sich auch das Eprom nicht mehr vollständig löschen…
Wie gross ist eigentlich die Mindestregierungsdauer von Herrn Friedrich, wie lange die von Angela Merkel?