Nett ausgedrückt, ist Politik wie Leben in Zeitlupe; eine Entscheidung, für die wir Sekunden brauchen, kann da problemlos Jahrzehnte dauern. Ein A. zum Beispiel. Eigentlich ist aussteigen ein terminatives Verb, das heißt, es bezeichnet einen eindeutigen Zeitpunkt. Wenn also jemand um 15.31 Uhr den Bus verlässt, dann ist er draußen, und wenn er sagt, er wolle nun aussteigen, dann meint er eben jenen kurzen Moment der Tat. Zum Glück für Politiker verliert sich in der deutschen Sprache diese terminative Lesart (Aspektualität), wenn ein Verb nominalisiert und damit zum A. wird. Von dem kann man viel reden, ohne sagen zu müssen, wann das Ganze denn nun vonstattengehen soll. Aussteigen geht schnell, aber so ein A. der kann sich hinziehen. Daher ist der sogenannte Nominalstil in politischen Reden auch so beliebt und Verben eher nicht so. Denn in der Politik wird lieber lange über Taten debattiert, als kurz gehandelt. Das bringt mehr Stimmen Schlagzeilen Aufmerksamkeit.
“Aussteigen geht schnell”
Das glaube ich nicht. Denn im deutschen gibt es mehr als nur eine Bedeutung. Der Duden sagt z.B.
“seinen Beruf, seine gesellschaftlichen Bindungen o.Ä. aufgeben (um von allen Zwängen frei zu sein)”
Ein Ausstieg aus der Drogen-/Nazi-/Biker-/whatever-Szene ist ja auch nicht mal eben schnell “wie aus dem Bus aussteigen” getan.
Da wäre es sinnvoller zu schauen, wie das laut Duden “(um von allen Zwängen frei zu sein)” mit dem Atomausstieg zusammenpasst. Denn man ist ja trotz Ausstieg nicht von den Zwängen frei. (Endlager, Subvention der Energieversorger etc.) Den Aspekt hätte man etwas näher betrachten können. Ein Ausstieg ist eben auch im nicht-politischen Umfeld durchaus an langer Prozess.
Sehr geehrter Herr Haase,
Ein Terminatives Verb z.B. aussteigen beschreibt nicht nur ein Tun in einem Augenblick (Zeitpunkt), sondern auch und viel öfter ein Tun innerhalb eines Zeitraums (und der Zeitraum muss in keinem Fall “kurz” sein), wobei es vorkommt, dass aus sprachlichen Gründen ein Zeitpunkt als Zeitraum herhalten muss.
In ihrer Ausführung vermischen Sie zeitliche Aspekte und Eigenheiten der deutschen Sprache, so das es schwierig ist die Intention Ihrer Argumentation zu erfassen, ich dachte nach dem ersten Lesen sie hätten sich einen Scherz erlaubt.
Ich denke rhetorisch wird der “Ausstieg” genutzt, weil ein Ausstieg an zeitlich nicht definierter Vorgang ist und ein Ausstieg aus dem Ausstieg möglich ist.
Es verhält sich mit dem “Ausstieg” in der Rhetorik wie mit dem “auf den Weg bringen”, beides sind Vorgänge die speziel nichts mit Geschwindigkeit zu tun haben.
Man beachte den Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus der “Kernenergie”.
Wer ausstiegen ist draussen. Selbst wenn Aussteigen einen Zeitraum benötigt, so ist dieser marginal zur Reisedauer.
Ausstieg ist auch nicht ein seligmachender Zeitpunkt, aber ein Einschneidender, weil – um im Bild zu bleiben – man in unbekannten Gebiet ausgestiegen ist.
Erst wird von einer “Brückentechnologie” gesprochen und jetzt ist es auf einmal ein Ausstieg. Wenn jemand aussteigt heißt das, er zieht Konsequenzen die sofort und radikal gezogen werden ,auch bei all den negativen, schwer zu ertragenden Konsequenzen .
Das ist auch bei den angeführten Beispielen von Franzl so. Jeder Alkoholiger muss sofort mit dem Trinken aufhören nicht erst langsam sonst funktioniert das wohl kaum,da wäre wohl nicht absehbar wann das klappt ,das würde sich dann lediglich als weniger trinken ,aber nicht als Ausstieg betiteln lassen.
“Ein Ausstieg aus der Drogen-/Nazi-/Biker-/whatever-Szene ist ja auch nicht mal eben schnell “wie aus dem Bus aussteigen” getan.”
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Eben doch. Siehe “lux”. (Und das klappt auch, resp. nur dann klappt’s. Ich weiß wovon ich rede, als ex-starker Raucher).
Sonst ist es kein “Ausstieg” sondern was-weiß-ich: ein “Versuch”? eine “Veränderung”? eine “lahme Entscheidung”? ein “mal versuchen”? ein “weder-ja-noch-nein”? Jedenfalls kein Ausstieg. Ausstieg hat was entgültiges. Wenn man aussteigt ist man draußen. Zack!
Ich würde zwischen A. & A. unterscheiden: es kann sich um eine Bewegung handeln – eine Bewegung, die in jedem Fall ein Anfang & ein Ende hat & sich meistens nicht ewiglich hinzieht. Es kann aber auch der Wechsel von einem Zustand zum anderen handeln, & das dauert in aller Regel etwas länger.
Anders: die Distanz zwischen dem, wo mensch drinnen (sei es ein Ort oder ein Zustand) ist & dem, wohin mensch sich bewegt, kann unterschiedlich gross sein. Daher unterschiedlich schnelle Ausstiege.
Trotzdem danke für den Post :)