Eigentum, geistiges

Der Ausdruck kommt so plausibel daher, dabei ist er eine Propagandavokabel, die lediglich Assoziationen wecken soll. Denn die Idee des E.-s funktioniert bei Ideen nicht, ja sie ist sogar kontraproduktiv. E. heißen Dinge, die ihren Wert daraus beziehen, dass jemand die alleinige Herrschaft über sie ausübt. Ungenutztes Gold mag einen Wert darstellen, wenn es im Tresor liegt, weil es in diesem Moment kein anderer haben kann. Ungenutzte Ideen hingegen sind für den, der sie hat, nutzlos. Ein anderer kann sie genauso haben, beziehungsweise auf den gleichen Gedanken kommen, egal wie gut die Idee eingeschlossen ist. Wie Hoffmann von Fallersleben schon dichtete: „Die Gedanken sind frei.“ Das ist der große Nachteil von Dingen, die sich nicht anfassen lassen. Zumindest aus Sicht derer, die trotzdem gern allein über sie herrschen und Profit aus ihnen schlagen wollen. Dabei ist diese „Gedankenfreiheit“ eigentlich ein Vorteil. Denn wer eine Idee mit anderen teilt, der vervielfältigt sie zum Nutzen aller und damit auch zum eigenen. Je freier ihre Nutzung geregelt ist, desto mehr Menschen können davon profitieren. Genau darin liegt der eigentliche Gewinn solcher nichtmateriellen Güter. Wer jedoch versucht, Ideen wie E. einzusperren, beziehungsweise ihre Verbreitung zu verhindern, der enthält damit der Gesellschaft etwas vor. Und er läuft im Zweifel Gefahr, viele Menschen zu Verbrechern zu erklären und eine Zensur zu installieren. Viele also zahlen einen hohen Preis, damit einer profitiert. Genau das will der Begriff verschleiern rechtfertigen.

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92 Kommentare

  1. Ein Photograph lichtet einen Laptop ab und stellt dieses Bild ins Internet. Ein User nutzt das Foto bei einer Auktion. Der Photograph mahnt ihn ab geht vor Gericht und will 11.000 Euro (Bildwert: 300 € / Abmahnung: Rest).
    (Gericht spricht ihm 20€ zu…).

    Für was bekommt der Photograph überhaupt Geld ? Dafür, dass er einen Laptop, den er nicht entwickelt hat, für den er keine Rechte hat, ablichtet, das Bild im Internet veröffentlicht ?

    Soviel zu “geistigem Eigentum”…

  2. Ein paar Ergänzungen, die vielleicht nicht uninteressant sind:

    Der Begriff des “geistigen Eigentums” kommt Ende des 18. Jahrhunderts in die Nachdruckdiskussion (heute würde man wohl sagen: Raubkopiediskussion). 1773 bringt Klopstock die “Deutsche Gelehrtenrepublik” heraus, in der er ankündigt, den klassischen Buchhandel durch eben diese Gelehrtenrepublik abzulösen. Klopstock stellt sich das recht romantisch vor: Die Gelehrten würden ihre Werke ankündigen, interessierte Leser subskribieren (d.h. sich zum Kauf verpflichten) und alle wären glücklich.

    Gegen Ende des 18. Jahrhunderts haben sich im Buchhandel jedenfalls drei Fronten gebildet, die man pauschalisierend als Originalverleger, Nachdrucker und Selbstverleger bezeichnen könnte. Klopstock bringt seine bereits erwähnte Gelehrtenrepublik eben im Selbstverlag raus, auch weil das gleichnamige Projekt auf Selbstverlag basieren soll. Dass die Autoren ihre Werke selbst verlegen, daran haben die “Originalverleger” natürlich wenig Interesse und werden zuweilen auch selbst zu Nachdruckern, um gegen den Selbstverlag vorzugehen.

    Argumentativ entwickelt sich in diesem Zeitraum auch der Begriff des geistigen Eigentums. Klopstock fordert, dass die Gelehrten wieder Herr über ihre Schriften werden sollten. Philipp Erasmus Reich – einer der prominentesten sich als “Originalverleger” stilisierenden Buchhändler der Zeit – entgegnet dem:

    “Ihr Eigenthum? dieß wird Ihnen kein Mensch streitig machen. Sie sind, wie jeder Kaufmann über seine Waare, so Herren über Ihre Handschriften, und will der Käufer nicht Ihre Bedingungen eingehen, so wird kein Buchhändler Ihnen dieselben mit Gewalt entreissen wagen.” [0]

    Was Reich damit sagen will: Klar ist das beschriebene Papier, das Manuskript, Eigentum des Autors. Aber nicht etwas, das über dieses materielle Ding hinausgeht. Ein Immaterialienrecht ist für Reich undenkbar.

    Es entsteht der Begriff also ursprünglich als Schlagwort der Selbstverleger gegen die Verleger. Was nicht gerade unspannend ist angesichts der Tatsache, dass er heute besonders durch Rechteverwerter regelmäßig auf den Tisch gebracht wird, um ihre Position und Daseinsberechtigung argumentativ zu stärken.

    So kann sich innerhalb von ein paar hundert Jahrhunderten alles ganz schön auf den Kopf stellen: Wo einst ein “Fürst des Buchhandles” wie Philipp Erasmus Reich sich des Begriffs des geistigen Eigentums erwehren musste, um nicht sein Geschäft an Selbstverleger oder gar eine ganze Gelehrtenrepublik zu verlieren, da wird heute so getan, als stünden Verwerter und Autoren auf der einen Seite gegen diebische Leser (oder Up- und Downloader) auf der anderen.

    Das alles ist schwer so kurz zu erklären, ich hoffe das trotzdem hinreichend korrekt und interessant gemacht zu haben. Ich empfehle zur Lektüre:
    Bosse: Autorschaft ist Werkherrschaft.
    Höffner: Geschichte und Wesen des Urheberrechts.
    Theisohn: Plagiat. Eine unoriginelle Literaturgeschichte.
    Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels im Überblick.

    [0] Philipp Erasmus Reich: Zufällige Gedanken eines Buchhändlers über Herrn Klopstocks Anzeige einer gelehrten
    Republik. Leipzig 1773. In: Reinhard Wittmann (Hrsg.): Nachdruck und geistiges Eigentum, Bd. 1 (Quellen zur Geschichte des Buchwesens 7), München: Kraus, 1981, S. 73 (11)

  3. “Es gibt geistiges Eigentum. Das ist das, was ich als Gedanke oder Wissen etc. im Kopf habe. ”

    @lennstar, welche gedanken oder wissen hättest du denn ohne texte, gespräche, bücher oder musik?
    Alles was wir denken oder wissen beruht auf geistige ergüsse anderer Menschen.

  4. Wer auf sein “Geistiges Eigentum” besteht, möge selbiges bitte daheim im Tresor einsperren. Da ist es in jedem Fall sicher vor “Verbrechern” wie “Raub-Kopierern” (Polemik der Verwertungsindustrie), und sogar vor dem all-sündigen Internet.

    Wenn man Werke kopiert, gibt es nach dem Kopieren ein “Stück” mehr als vorher. Dieser Vorgang ist daher eher mit dem biblischen Teilen eines Brotlaibs als mit Diebstahl zu vergleichen, durch den dem Eigentümer hinterher ein Stück fehlt.

    Die Fakten harmonieren nicht im geringsten mit dem postulierten Diebstahl von E.

    Fazit: Es ist nicht alles ein Vergleich, was hinkt.

  5. Ich benutze Opera und habe Javascript aus Sicherheits/Privatsphärengründen deaktiviert. Leider ist neusprech.org damit nicht mehr benutzbar. Stattdessen bekomme ich eine “Mobile” Version vorgesetzt und über die ganze Seite ist ein schwarzer Vorhang mit dem Hinweis, dass ich Javascript aktivieren muss. Bitte reparieren! :)

  6. @Gabriele Höfler: Sehr interessant! Zumal wir heute an derselben Stelle stehen: Als Wissenschaftler kann ich meine Erkenntnisse viel besser über das Internet verbreiten als über ein gedrucktes Buch. Damit wird die Gelehrtenrepublik plötzlich und unerwartet Wirklichkeit – sehr zum Leidwesen der Verleger. Hier ein Zitat aus einer Mail, die ich erhielt, als ich einen Verlag, der einen Artikel von mir veröffentlicht hatte, bat, ihn mir als pdf zu schicken; der Wunsch wurde mir abgeschlagen, da das Erstellen eines pdfs Arbeit mache und aus folgendem Grund:

    Der zweite, ausschlaggebende Grund ist der, dass wir das Handbuch natürlich verkaufen möchten und uns gegen eine unkontrollierbare digitale Verbreitung durch die Weiterleitung von PDFs, die wir dann natürlich allen Autoren zukommen lassen müssten, gerne schützen möchten. Ich hoffe sehr, dass Sie für diesen Standpunkt Verständnis haben.

  7. Das ist ja doch eher ironisch. Schließlich führt eine weite Verbreitung von PDFs eher zu einem höheren Bekanntheitsgrad des Buches und ganz im Gegenteil eher zu Verkaufszahlen als wenn das Buch in irgendwelchen Registern namentlich genannt wird und inhaltlich nicht durchsuchbar ist! Denke ich persönlich zumindest. Ich glaube, wenn ein Buch wirklich gut ist, dann will man das doch nach wie vor gern als Hardcopy haben. Zumindest ich habe das etwa mit Theisohn so gehandhabt, den ich ja ursprünglich auch nur aus der Bibliothek geliehen hatte (was m. E. grob gesprochen vergleichbar ist damit, sich ein PDF gratis runterzuladen).

    Dazu fällt mir außerdem ein Video ein, das Peter Purgathofer (@peterpur) gestern getweetet hat:
    https://www.youtube.com/watch?v=0Qkyt1wXNlI

  8. Hmm, mit uns kann man nicht reden? Wieso nicht, geht doch prima…

    – Der Text versucht, auf einer, wie es oben stand, philosophischen Ebene aufzudröseln, was der Begriff “geistiges Eigentum” versucht.

    – Dazu verwendet er den Begriff “Idee”, der offensichtlich nicht eindeutig genug ist. Ich versuche es mal anders.

    Ich habe kein Problem damit, wenn der Urheber eines Werkes eine Vergütung erhält. Warum sollte ich? Schließlich bin ich Journalist un lebe daher von genau diesem Urheberrecht.

    Ich habe ein Problem damit, wenn Verlage versuchen, selbst Überschriften und sogenannte Snippets verwertungsrechtlich zu schützen und dabei mit dem Begriff “geistiges Eigentum” hantieren. Das hat für mich etwas mit der sogenannten Schöpfungshöhe zu tun. Auch das ein schwieriges aber sinnvolles Konzept.

    Wenn ich einen Text mit 5000 Zeichen schreibe, ist die Chance, dass jemand anders genau denselben Text mit genau denselben Worten schreibt, ziemlich gering. Wenn ich eine Überschrift mit 50 Zeichen verfasse, ist die Chance, dass jemandem zum gleichen Thema die gleiche Idee kommt, ziemlich hoch.

    Für den ersten Fall möchte ich gern Geld, für den zweiten eher nicht. Moment, ich bin noch nicht fertig. Denn das heißt für mich aber auch, dass andere Teile meines Werkes verwenden können, solange sie a) nicht das komplette Werk (die 5000 Zeichen, nicht die 50) einfach kopieren und b) solange sie aus Teilen davon etwas eigenes schaffen.

    So. Da das Kopieren dank Computern so leicht und das Kontrollieren aufgrund der hohen Menge so schwer ist, wäre es doch sinnvoll, eine pauschale Vergütung einzuführen, die letztlich alle zahlen. Aus dieser Pauschale werden dann die Urheber finanziert.

    Gleichzeitig können sie natürlich versuchen, ihr Werk auf anderen Wegen zu verkaufen, wenn sie Käufer dafür finden. Das geht umso besser, je leichter zugänglich der Verkaufsweg ist.

    Und sie können zulassen, dass andere ihre Werke nutzen, solange sie dafür sagen, woher sie sie haben und sie unter gleichen Bedingungen weiterverteilen, eben als CC-Lizenz wie dieses Blog. Denn davon profitiere ich auch, das ist Werbung.

    Was nicht geht, finde ich, ist es, jeden zu verfolgen und in den Boden zu klagen, der sich meinen Text ausgedruckt oder mein Lied abgespielt hat. Ich habe noch nie jemanden abgemahnt, der meine Texte einfach kopierte – was vorkommt. Ich habe lediglich gebeten, mich korrekt zu nennen oder es zu lassen. Hat immer funktioniert.

    Das Problem bei der ganzen Sache sind aber gar nicht Urheber. Es sind die Verlage. Die schöpfen nichts, ihre bislang von der Gesellschaft eingeräumten Rechte lassen sich viel schwerer durchsetzen dank der Computer. Und wir sollten neu darüber verhandeln, wie viele davon sie haben sollen, finde ich. Snippets aber, die sich sich wünschen, gehen auf jeden Fall viel zu weit.

    lg
    k

  9. Ich habe den Verdacht, dass die meisten schlauen Piraten, die über Urheberrecht reden, noch nie etwas selbst “geschöpft” haben.

    Ich kenne beide Seiten: Als Business Analyst habe ich in einer OpenSource-Software-Firma gearbeitet, und als Sachbuch-Autor will ich für meine Ideen – die ja wiederum anderen Menschen helfen – entsprechend entlohnt werden. Dazu braucht man keine hochfliegenden philosophischen Phantasien.

    Hier zeigen die Piraten enttäuschende Nicht-Solidarität, auch mit ihrem “natürlichen” Umfeld: Die Webdesigner sind doch Legion, die für einen Entwurf, den sie tagelang für eine Firma entwerfen, nicht bezahlt werden. Die Piraten ignorieren ein einfaches Lebensprinzip: von der intellektuellen Arbeit, die ich leiste, leben zu können und eine Familie zu ernähren.

  10. Könnten wir die Piraten in dieser Debatte bitte einfach draußen lassen? Das führt zu nicht viel. Alle Beteiligten müssen sich letztlich Gedanken über Erlös- und Rechtsmodelle machen. Das immer mit einer bestimmten Partei zu verknüpfen, ist nicht sehr weitsichtig. Und es führt vor allem dazu, dass sich alle mit dieser Partei beschäftigen, statt mit dem Problem.

    lg
    k

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