Wortneuschöpfung, bis vor kurzem noch durchaus treffend als Mindestlohn bezeichnet. Der jedoch offensichtlich der Wahrheit zu nahe kommt, indem er andeutet, dass die gezahlte Summe wirklich das Mindeste ist, was man Menschen zumuten sollte, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Die L. dagegen klingt gleich viel weniger ausbeuterisch, ja geradezu wie ein Naturgesetz. Schließlich muss alles eine Grenze haben, nichts und niemand darf schrankenlos sein, nicht die Anonymität und nicht einmal die Menschenwürde. Wo kämen wir denn sonst hin, nicht wahr? Sind Schranken und Grenzen beteiligt, kann sich daher selbst die CDU mit der Idee anfreunden, dass harte Arbeit auch ein Mindestmaß an Geld erbringen sollte. Lustigerweise hat sich die neusprechende Union mit der L. in eine argumentative Falle begeben. Denn wo es eine Untergrenze gibt, muss natürlich auch irgendwo eine Obergrenze existieren. Weswegen wir dringend mal wieder über die Boni und Prämien der Leistungsträger reden sollten. Falls die grundlosen Zahlungen in irrer Höhe, die sich die Begünstigten meist selbst genehmigen, denn überhaupt noch so genannt werden.
Nachtrag: Um auch wirklich jedem klar zu machen, wie absurd die Wortschöpfung ist, hat die CDU sich dankenswerterweise entschieden, das Konzept zwar L. zu nennen, eine dazugehörende Untergrenze aber gerade nicht festzulegen. Eine grenzenlose Grenze sozusagen, was völlig neue Möglichkeiten der politischen Kommunikation Propaganda eröffnet: „Wir sagen jetzt hier mal Stopp! (Das klingt immer gut, aber wir fürchten natürlich die Konsequenz, weswegen wir nicht verraten, an welchem Punkt gestoppt werden soll.)“ Clever.
Mit herzlichem Dank an Oliver für den Nachtrag.
Das Wort Lohnuntergrenze finde ich auch nicht so toll. Jedoch aus einem anderen Grund das Wort “Untergrenze” sugeriert hier etwas eindeutiges starres, dass der zum Beispiel der Geldentwertung nicht angepasst wird.
Dennoch gibt es kein Gesetz, nicht einmal in der Mathematik, dass schlussfolgern ließe, aus der Existenz eines Min(A) folgt gleichzeitig auch die Existenz eines Max(A) einer Menge A folgt.
Ja, einverstanden. Dann aber wäre die Untergrenze der absolute Nullpunkt und die obere Grenze strebte gegen Unendlich, oder? Auch nicht so toll, argumetativ…
So wie ich das verstanden habe, wird der Begriff des Mindestlohns vermieden, da im Koalitionsvertrag mit der FDP ein solcher ausgeschlossen wurde. Um diese Idee jetzt dennoch zu vertreten, hat sich die CDU eben einen anderen Namen einfallen lassen.
Besser als eine Lohnobergrenze finde ich eine hohe Besteuerung hoher Einkommen. Wenn jemand sein reichliches Einkommen mit der Allgemeinheit teilt, wird ihm sicher keiner sein Einkommen neiden (von Verdienst will ich hier gar nicht reden).
Obwohl thematisch etwas anders angesiedelt, ist es das Gleiche mit “Sekundarschule”. Solange das Ding noch “Gemeinschaftsschule” hieß, konnte die CDU es nicht akzeptieren – “Mittelschule” (FDP) hätte wiederum die SPD nicht mitgetragen…
Aber die Anmerkung mit dem Koalitionsvertrag finde ich durchaus schlüssig…
Also, ich empfinde das neue Wort eher ein Anti-Neusprech. Der Mindestlohn klingt für mich nach aus der Arbeitnehmersicht definiert, also, wieviel muss mindestens gezahlt werden, damit das für mich als Arbeitgeber akzeptabel ist. Die Lohnuntergrenze klingt für mich nach einem von-oben-kommen, also aus Sicht des Arbeitgebers: wie weit kann ich runtergehen, bevor der Lohn für den Arbeitnehmer nicht mehr akzeptabel ist.
Damit ist zwar ein Wort geschaffen, das wunderbar nach der Arbeitgeberseite klingt und damit eindeutig besser zum Koalitionsvertrag passt. Aber einen weniger ausbeuterischen Klang und damit eine Beschönigung kann ich für mich hier nicht feststellen.
Gespannt bin ich aber auch, ob nach der Findung einer Untergrenze, dann vielleicht doch weiter nach einer Obergrenze gesucht wird…
“Denn wo es eine Untergrenze gibt, muss natürlich auch irgendwo eine Obergrenze existieren. ” – das ist doch Blödsinn. Eine Untergrenze bedeutet eben nicht, dass es auch eine Obergrenze geben muss.
Z.B. gibt es eine Untergrenze für die Temperatur: 0 Kelvin. Eine Obergrenze aber nicht. Es gibt auch eine Untergrenze für den Wert einer Kaufoption auf ein Wertpapier: 0 Euro. Eine Obergrenze aber gibt es nicht.
Es gibt auch zahlreiche Länder, in denen es einheitliche Mindestlöhne gibt, die mithin eine Lohnuntergrenze darstellen, und dort gibt es keine Obergrenze.
Lohnuntergrenze wäre im Gegenteil die richtige Bezeichnung für einen einheitlichen, branchen- und regionenübergreifenden Mindestlohn. Tatsächlich wird es den ja nicht geben, so dass Mindestlohn die passendere Bezeichnung wäre.
das Interessante hierbei ist doch, dass die Partei, die sich mittlerweile ähnlich wie die Neoliberalen zu den ach so oft betonten Klein- und Mittelverdienern bekennt, nicht auf den Mindestlohn oder meinetwegen Lohnuntergrenze festlegt.
Man kann daraus schließen, was diese Politprofis unter Kleinverdienern verstehen
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Hoffentlich denken alle Beteiligten bei der nächsten Wahl an die aktuellen Aussagen dieser Neopolitiker und machen keine Wahlenthaltung!…