Wir haben uns Anfang August wieder zu einem Neusprechfunk zusammengesetzt, wodurch wir nun schon den dritten Podcast dieses Jahres veröffentlichen können. Wir steigern uns!

Hier nun also der Neusprechfunk 22 als mp3-Datei, auch eine ogg-Version ist selbstverständlich verfügbar.

Als wir uns trafen, waren gerade die ersten hundert Tage der neuen Regierung abgelaufen. Daher beschäftigen wir uns vor allem mit dieser und ihrem Tun: beispielsweise mit der Hetzkampagne, mit der Rechte und Rechtsextreme die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf geschmäht haben. Aus dem Zusammenhang gerissene Zitate und ein Framing der Frau als „Abtreibungsaktivistin“ und „radikale linke Lebensfeindin“ – nichts davon ist sie – genügten, damit Unionspolitiker wie Jens Spahn ihre Wahl scheitern ließen.

Wir reden außerdem über den seltsamen Sinneswandel bei Bundeskanzler Friedrich Merz, wenn es um die Schuldenbremse geht.

„Es ist in der naheliegenden Zukunft ausgeschlossen, dass wir die Schuldenbremse reformieren.“ Friedrich Merz am 25. Februar 2025

Und wir reden über den Rekordhaushalt der Bundesregierung. Die Bestleistung bestand in diesem Fall übrigens nicht darin, Bildung, Wissenschaft oder Gesundheit besonders zu fördern, sondern allein darin, Schulden in „historischem Ausmaß“ aufzunehmen. Dabei geht es auch um so schrecklich schöne Begriffe wie das Sondervermögen, das wir schon einmal verbloggt haben, und um das Entsparen.

Am Rande unterhalten wir uns auch über ein nur auf den ersten Blick technisches Thema, nämlich die automatisierte Datenanalyse. Wer das Beamtendeutsch nicht gleich versteht: Es geht um den US-Konzern Palantir, der in Deutschland als Polizei-Vertragspartner Software liefert. Die könnte zum Betriebssystem des Überwachungsstaates werden, trotzdem will die Union sie unbedingt beschaffen. Wie es sich für einen ehrenwerten Podcast gehört, geben wir dazu auch Aktienempfehlungen. Wer jetzt nicht reinhört, ist selber schuld!

Constanze bekennt sich ja regelmäßig zu ihren verschiedenen Neurosen. Dazu zählen auch alte Wörterbücher, die auf Flohmärkten unter keinen Umständen liegengelassen werden können. Diesmal brachte sie Scherz, Spott und Hohn in der lebenden Sprache von Alexander Matschoss aus dem Jahr 1931 mit.

Das Buch gibt Zeugnis darüber, dass wohl auch schon vor fast hundert Jahren die Verhohnepiepelung beispielsweise von Autos gebräuchlich war. Hervorzuheben sind die viel zu selten benutzten Wörter „Nuckelpinne“ oder aber – etwas vulgärer – die „Dreckschleuder“ und die „Stinkdroschke“. Wir bitten alle Hörer und Hörerinnen, sie in ihren aktiven Wortschatz aufzunehmen. :}

auto-spott

Hier ist der Podcast als mp3. Dank an erdgeist, der ihn für uns geschnitten und mit unbekannter Magie optimiert hat. :}

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3 Kommentare

  1. Hi,

    Dass ihr Friedrich Merz für seinen Opportunismus kritisiert, während er eine der Kernpositionen der CDU still und heimlich über Bord wirft ist richtig.
    Ihr beschreibt den Begriffskomplex ‘Schulden’ jedoch noch immer in der Terminologie der Neusprech-Begriffe einer orthodoxen neoliberalen Wirtschaftsbetrachtung. Ich fand das war bereits bei eurem Lemma zur ‘Schuldenbremse’ offenbar.

    Schulden ist ein moralisch aufgeladener Begriff, der Staatsschulden und Schulden von Privatpersonen oder Einrichtungen in eins wirft. Staatsfinanzen und Privatfinanzen sind jedoch zwei genuin, kategorisch verschiedene Dinge. Der Begriff Schulden macht einen Gegensatz zwischen den bösen Schulden, die zulasten bzw. Gunsten von jemand sind und Vermögen auf, dass ein fester und beständiger Wert sei. Das ist aber totaler Unsinn. In einem Fiat-Geld System gibt es nur ‘Schulden’. Des einen Schulden sind des anderen Finanzmittel. Euer Geldguthaben auf der Bank ist eine Schuld der Bank gegenüber euch. Selbiges gilt auch für die sog. Staatsschulden. Wenn der Staat Schulden macht und das Geld ausgibt, heisst dies eigentlich das Banken an einer Versteigerung des Finanzministeriums teilnehmen, bei der sie Staatsanleihen kaufen mit Geld, dass sie zuvor ex-nihilo geschaffen haben (Banken verleihen keine Spareinlagen!). Sie leihen sie sich z.b. selbst Geld bei der Zentralbank gegen Hinterlegung von Staatsanleihen, was allerdings nicht direkt die Kreditschöpfungsrate steuert (wie die widerlegte Money-Multiplier theory besagte). Wenn der Staat das Geld nun ausgiebt wird es nicht verschluckt – wie es oft anklingt und ist weg, sondern fließt als vermögen zu Firmen und Privathaushalten, wo es wider besteuert wird ..
    Zudem haben Staatsanleihen noch wesentliche weitere Funktionen im Gesamtgefüge erfüllen. Staatsschulden sind keine Belastung oder ‘Schuldenberg’ unter dessen Joch ‘zukünftige Generationen’ darben müssen … .Zuerst einmal sind Staatsschulden das notwendige Schmiermittel einer Fiat-Geld basierten Wirtschaft. Staatsanleihen sind der Grundbaustein des FInanzmarktes. Alles andere baut hierauf auf. Schaut euch bspw. mal das Handelsvolumen von US-treasuries an oder welche Sicherheiten Banken bei den Staatsbanken hinterlegen müssen um Staatsbankgeld zu bekommen. In den 2010er Jahre waren die Finanzmärkte verzweifelt auf der Suche nach Alternativen für deutsche Anleihen, weil Schäubles Politik den Mark austrocknete.

    https://www.bankofengland.co.uk/-/media/boe/files/working-paper/2015/banks-are-not-intermediaries-of-loanable-funds-and-why-this-matters.pdf

    Ihr kritisiert z.b. die Koppelung der “Verschuldung” an den Begriff des “Kaputtsparens” seitens Klingebeils. Ich will die SPD nur ungern in Schutz nehmen, aber diese Koppelung ist kein Popanz sondern korrekt. Auch wenn ziemlich wendehälsig ist, das jetzt erst fest zu stellen.

    Die BRD hatte mindestens seit der Finanzkrise eine systematische zu geringe Investitionen sowohl staatlich, aber vor allem von Seiten des der Unternehmen. Bei einem solchen Ungleichgewicht muss der Staat einspringe, um das Investitionsniveau zu halten. Tat er nicht. Zum anderen hätte der Staat seine Investitionen mindestens in dem Maße steigern müssen, um den öffentlichen Kapitalstock, also die tatsächlichen Güter (Eisenbahn, Straßen, Gebäude … ) zu erhalten. Auch dies tat er nicht, mit dem Ergebnis einer beständigen Veringerung des Volksvermögens. Die einzige systematische Investitionstätigkeit war in Anleihen und Immobilien während der 0-zins Politik und der Politik des Quantative-Easings, was zu einer Asset-price inflation führte aber zu keiner realen Investition.

    Anders als von euch dargestellt im Lemma ist die Schuldenbremse auch kein Euphemisums weil sie verbirgt, dass man doch weiter hin beständig Schulden macht, sondern weil sie, bei 0,35% bip (ohne Konjunkturkomponente) im Gegenteil faktisch auf ein Sinken der Staatsverschuldungsquote hinausläuft – noch verschlimmert durch die Schwarze null. Ein Sinken der Quote – also bei wachsender Wirtschaft heisst faktisch das der Staat Geld aus der Wirtschaft absaugt, dass Problem der Unterinvestition also noch verschlimmert. Denn durch den oben beschrieben Fakt, dass Banken fiat Geld ex-nihilo schöpfen, bedeutet eine Rückzahlung von Staatschulden letztlich das die Bankbilanzen veringert werde. Erhält die Bank nach Ende des Papiers z.b. 10.000euro, verbucht sie den Zins als Gewinn und verinngert dann ihre Bilanz, auf der haben Seite wird die Schuld gelöscht (das Geld also vernichtet) – auf der Passiva Seite passiert quasi dasselbe, nur das es hier ja komplizierter ist das das Geld das dem Staat überwiesen wurde ja direkt bei Zeichnung der Anleihe an das Konto des Finanzamts bei der Bundesbank ging, gegenüber der dann die Schuld bestand … . Faktisch wird aber so Geld abgesaugt, wenn nicht mit mehr Verschuldung gegengesteuert wird.

    Nun könnte man einwenden, dass man auch ebenso mehr Steuern hätte erheben können, aber Besteuerung heisst primär Geld abziehen aus dem Wirtschaftskreislauf. Die sinnvolle Besteuerung wäre gewesen Reiche zu besteuern: einerseits um die Ungleichheit zu veringern und Anreize zu produktiven Investitionen zu schaffen. Steuern zu Finanzierung des Staates bedurfte es nicht sondern Schulden. In den ganzen 2010ern Jahren und bereits zuvor war die Wirtschaft nicht voll ausgelastet, ebenso wie nun. Dies bedeutet dass erst durch Schulden reale, ungenutzte Ressourcen mobilisiert oder geschaffen werden können, die aufgrund der Trägen Investitionstätigkeit nicht geschaffen werden wurden. Im Gegensatz dazu bedeutet die Finanzierung de Staates in einer Zeit der Untermobilisierung der Wirtschaft bloß das reale Ressourcen von A nach B geschaffen werden aber keine neuen mobilisiert werden. Geld ist ein Werkzeug aber auch ein Schleier der den Blick auf das eigentlich verbirgt, die realen Ressourcen, sprich wieviele Tonnen Rohstoffe alloziert um wieviele Arbeiter wieviele Tonnen Güter produzieren lassen zu können. Es ist immer wichtig im Hinterkopf zu behalten das die Finanzen bloss ein Medium zur Abbildung und Steuerung realer Ressourcenflüsse sind. Ein Land wie Deutschland hat sich zu kaputt gespart, wortwörtlich, und ja, da die Produktion nie voll ausgelastet war und die Unternehmen bis heute unterinvestieren sind Staatschulden unabdingbar zu Wiederaufbau des Kapitalstocks der BRD. Das heisst aber nicht, dass wir die Reichen nicht besteuern sollten, im Gegenteil! Eben nur nicht aus gründen der Staatsfinanzierung.
    Für nicht-montetär souveräne Staaten, also Staaten, die sich anders als die USA, Japan oder die BRD in einer Fremdwährung verschulden müssen, sieht das natürlich anders aus (EZB-Problem hier augeklammert) .
    Ein Staat wie die BRD muss vor allem dann anfangen Verschuldung abzubauen, wen die Wirtschaft in Vollbeschäftigung übergeht und Inflation droht, was wir seit den 70ern nicht mehr hatten.

    Vielleicht tue ich euch unrecht, aber aufgrund der Art und Weise wie ihr diese Begriffe besprecht, kriege ich das Gefühl dass Teile dieser konservativen Ideologeme noch in der Tiefe lauern.

    In einer Besprechung von Adam Tooze zu Götz Alys Buch werden einige der Missverständnisse und Staatsfinanzen und Schulden, die ich meine zu erkennen besser herausgearbeitet, als ich es könnte. Tooze ist progressiver Keynsianer und kein MMT-Anhänger, die das oben ausgeführte noch deutlich radikaler sehen.
    https://adamtooze.com/wp-content/uploads/2017/01/Tooze-Review-of-Aly-for-Dapim-2005-.pdf

    VG

  2. Kleine Anmerkung: Nur weil Nius nicht viele zahlende Kunden hat, heißt es nicht, dass es klein ist oder wenig Reichweite hat. Das sieht man auf YouTube zum Beispiel. Die Videos haben hunderttausende Abrufe und werden auch monetarisiert. Es scheint mir fast ein arroganter Sprich eines Alte-Medienmannes.

  3. Ich wollte das Grinsen mit euch teilen, dass ich bekommen habe, als sich Konstanze zunächst bei den Kommentaren bedankt hat, und direkt im Anschluss bei der post-production. Weil sich der Dank für mich für einen kurzen Moment redundant angehört und mir die Doppeldeutigkeit im Anschluss viel Spaß gemacht hat. ;)

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