Staatsbürgerkunde

Um Euch die Zeit bis zum nächsten Neusprechfunk zu vertreiben, gibt es einen Podcast zwischendurch, den wir zusammen mit Martin Fischer aufgenommen haben: Staatsbürgerkunde, benannt nach dem Unterrichtsfach in der DDR, das sich der Erziehung der Schüler zu sozialistischen Persönlichkeiten – so hieß das damals – verschrieben hatte. Der Podcast hat den Titel DDR-Sprech (mp3) und ist daher hier als Crosspost gut aufgehoben.

Wir haben darin mehrere Artikel aus der Zeitung Neues Deutschland besprochen, dem damaligen Zentralorgan der SED. Dessen Chefredakteure waren selbstverständlich loyale Befehlsempfänger des Zentralkomitees, also des innersten Machtzirkels der SED, und so las sich das Blatt denn auch. Abgedruckt wurden etwa die Beschlüsse der Parteitage der SED, die zuletzt als außerordentliche Parteitage am 8./9. und 16./17. Dezember 1989 in Berlin stattfanden.

Propaganda und Meinungsmache war die Aufgabe des ND, hier ein Beispiel:

ulbricht wird siegen

Natürlich siegte Walter Ulbricht nur solange, bis er nach Kritik an seinem Führungsstil entmachtet wurde, aber das stand so dann nicht in der Zeitung.

Die heile Welt der Diktatur (pdf), um es mit dem Buchtitel von Stefan Wolle über die Ära Honecker auszudrücken, trieb durch die schreibenden Parteigenossen im ND sprachliche Blüten, die schon weit vor dem Beginn der sogenannten friedlichen Revolution gern ins Groteske abrutschten. Ein Beispiel, das wir besprochen haben, waren engagierte Metallurgen, über die das ND berichtete:

willy sachse

Abgedruckt wurde eine Rede von Dieter Duschek, der mit seinen Metallurgen-Kollegen und seiner Kampfgruppenhundertschaft Willy Sachse (Feinmechaniker und politischer Aktivist, 1896–1944) die DDR allseitig stärken wollte. Wie er das sprachlich rüberbrachte, war uns eine besondere Betrachtung wert.

festspiele

Wir sprachen außerdem über die Jubelberichterstattung anlässlich der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten im Sommer 1973 in Berlin, die vor allem die Weltoffenheit der DDR in den Vordergrund stellen sollte. Man darf sich bei all der Jubelei aber nicht täuschen lassen: Die angereiste und die heimische Jugend hatten trotzdem ihren Spaß, wie diese wunderbare Bilderserie beweist.

Typisch für die ND-Berichte war ein Artikel über einen Besuch des Zentralkomitees der SED beim charismatischen Politiker und Künstler Álvaro Cunhal. Der war Generalsekretär der portugiesischen PCP und wurde nicht nur konsequent falsch geschrieben, sondern in dem Bericht dazu wurden auch seine Eigenschaften und sein bewegtes Leben verschwiegen – genau wie der Inhalt des Gesprächs.

alvaro cunhal

Wir sprachen außerdem über Freiheiten in DDR-Zeitungsredaktionen sowie über

    • Wolf Biermann und seine Ausbürgerung, die dazu führte, dass er erst im Dezember 1989 wieder in der DDR auftreten konnte,
    • Ostdeutsche, DDR-Erinnerungen und Partei-Hochschulen,
    • die ehemalige staatliche DDR-Nachrichtenagentur ADN (Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst), die nach 1989 verkauft wurde, später an die Kirch-Gruppe ging, noch später vom Deutschen Depeschendienst übernommen wurde und unter dem Namen ddp existierte, dann mit der Agentur AP (Associated Press) fusionierte und als dapd 2010 aufhörte zu existieren,
    • das Redigieren.

Wie immer gibt es den Podcast als mp3, alternativ aber auch eine ogg-Version.

Wir bedanken uns außerdem bei Frank und Fefe, da wir wieder ihr Audio-Equipment nutzen durften! :}

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5 Kommentare

  1. Hallo, ich bin echt begeistert, dass es noch Menschen gibt, die die Bedeutung von Worten hinterfragen. Also, weiter so und nicht aufgeben.

    Leider kann ich den aktuellen Podcast jedoch nicht herunterladen. Falls jemand ganz viel Langeweile hat, würde ich mich freuen bald in den Genuss der Sendung zu kommen. :)

  2. der sechste part eurer (wunderbaren) sendung scheint leider down zu sein… alle anderen waren/sind online und sehr interessant…^^

    gruß dieter

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