Konservativismus, aufgeklärter

Der K. entstand einst als Gegenbewegung zur Aufklärung. Er basiert auf dem Gedanken, dass die menschliche Vernunft, das zentrale Konzept der Aufklärung, unzulänglich ist im Verhältnis zu Gott.

Ein konservatives Volkslied über die “thörichte Aufklärung” fordert zum Beispiel:

O laßt mich doch bei meiner Bibel,
laßt mich in meiner Dunkelheit,
denn ohne Hoffnung wird mir übel
bei dieser aufgeklärten Zeit,
und ohne Hoffnung bin ich hier
ein elend aufgeklärtes Thier.

Wir halten fest: Die Aufklärung war ursprünglich das Feindbild des K., wünschte diese doch die „Befreiung vom Aberglauben“ und „die Maxime, jederzeit selbst zu denken“ (Kant). Der K. hingegen legt Wert auf ein wenig Dunkelheit, auch wenn das heute lieber als Bewahrung althergebrachter Werte verbrämt wird. Eine durchaus geschickte Umdeutung. Nicht mehr um die Ablehnung alles Neuen geht es nun, sondern um die Bewahrung von ein wenig Altem.

Doch scheint inzwischen auch das nicht mehr zu genügen. Der gemeine Konservative sieht sich und seine Haltung offenbar noch immer nicht genug gewürdigt. Das Magazin „Der Spiegel“ versucht sich daher an der Definition eines aufgeklärten K. Der Feind wird nun umarmt. Zumindest unterstellt das Magazin, der Verteidigungsminister wünsche sich einen solchen für seine christliche Partei. Es darf als unwahrscheinlich gelten, dass sich das Feindbild der Konservativen gewandelt hat. Denn Konservativismus ist eben nicht aufgeklärt und wird es auch nicht dadurch, dass ihm ein entsprechendes Adjektiv als Attribut zur Seite gestellt wird. Technisch ist das ein Oxymoron. Politisch ist es eine Tarnung, um Menschen zu täuschen. Das hat Methode, wird der Minister bei „Spiegel Online“ doch zugleich als moderner Konservativer bezeichnet. Beileibe keine neue Idee. Und mindestens ebenso verräterisch wie der mitfühlende Liberalismus, den die FDP ausgerufen hat.

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27 Kommentare

  1. Hallo, Ludwig,

    ich halte das nicht für oberflächlich – aber auf einen Punkt möchte ich noch näher eingehen. Im “real existierenden Sozialismus” gab es genauso Konservative, die am liebsten den Status Quo erhalten hätten. Es ist das Schicksal jeglicher Ideologie, dass wenn sie an der Macht ist, sie von den Konservativen angenommen und vereinnahmt wird. Und oft werden Revolutionäre zu Konservativen, einmal arriviert.

    Deine “theoretische Aufzählung” ist bei näherer Betrachtung übrigens gespickt mit Subjektivismen: “eigentümlich”, “volkstümlich” und “besonnen” heisst ja nichts anderes als das Bewahren des Status Quo, wie auch immer der aussehen mag, “lebendig”, “sinnlich kräftig” und “ehrwürdig” sind zweifelsfrei rein subjektiv.

    Gerade mal mit der Idee der Nation dienst Du der Theorie-Theorie. Allein, das wird zu nichts führen, denn auch die Optimaten waren konservativ, und die waren es 1500 Jahre vor der Idee des Nationalstaates (und schon sie waren Reaktion, in diesem Falle auf die Gracchen).

    Viele Grüsse,
    VB.

  2. Ich sag ja nichts; man kann es so machen, wie Du vorschlägst. Man kann Konservativismus als Allgemeinbegriff definieren (“Erhalten des Status Quo …”); dann gab es vor 1500 Jahren und nicht erst seit der Aufklärung auch schon Konservative und wenn eine Speerspitze des Fortschritts nur 70 Jahre bei seiner Meinung bleibt wie beispielsweise der Genosse E. H., dann wird er zum Konservativen. Das trifft viel von der alltagssprachlichen Verwendungsweise des Begriffs konservativ, aber halt nicht alles.

    Was ich behaupte, ist nur: man kann es auch anders machen und macht es auch (vielleicht meist) anders, und dadurch begreift man mehr (auch wenn man dann gezwungen ist, sich mit Leuten, die man gar nicht mag, in einem “Lager”, z. B. dem fortschrittlichen, zu sehen, statt sie einfach, da sie unangenehme Persönlichkeitsmerkmale haben, per definitionem auf die andere Seite zu schieben).

    Die Aufzählung der konservativen Werte von Rothacker: Gerade die Idee des Nationalstaates ist nicht typisch konservativ, er ist bekanntlich eine bürgerliche Errungenschaft, die Konservativen mochten seinerzeit davon gar nichts wissen; nur hat halt zur Zeit von Rothacker die Idee des Nationalen bereits eine andere, nämlich Bedeutung angenommen gehabt. Aber “eigentümlich”, “volkstümlich”, “lebendig”, “ehrwürdig”: das sind nicht einfach “Subjektivismen” (falls ich dieses Wort richtig verstehe: sie hätten in einer Theorie einer politischen Ideologie nichts zu suchen). In jedem dieser Begriffe ist die gesamte Theorie des Konservativismus vom Wesen des Menschen, vom Verhältnis Individuum und “Gemeinschaft”, d.h. der grundlegend insbesondere vom Liberalismus unterschiedene Individuums- und ebenso Gesellschaftsbegriff, von der Bedeutung der Tradition und was es noch so alles gibt enthalten. Auf “Status Quo bewahren” kann man das nicht reduzieren, es ist viel komplexer. Der Konservativismus ist explizit für Entwicklung, auch für Freiheit, für Vernunft, ist das immer gewesen, nur versteht er halt unter diesen Begriffen etwas anderes als die Progressiven.

  3. Hallo, Ludwig,

    ich möchte nicht alles wiederholen, was wir bereits ausgetausch haben. Aber eines noch:

    Der Konservativismus steht für die Unfreiheit. Man kann gar nicht konservativ sein und gleichzeitig die Freiheit unterstützen. Konservativismus beschränkt sich keinesfalls auf die persönliche Wahl eines Gesellschafts- und Weltbildes; im Gegenteil, es ist ihm inhärent, dieses Bild anderen Menschen vorschreiben zu wollen. Ein Freiheits-Begriff, der das inkludiert, wäre allenfalls ein Thema für dieses Blog hier ;-) In diesem Sinne war Ludwig Erhard ein Sozial-Liberaler. Er musste sich gegen die Konservativen in seiner Partei durchsetzen (und hat das erfreulicherweise auch geschafft).

    Viele Grüsse,
    VB.

  4. “Man kann gar nicht konservativ sein und gleichzeitig die Freiheit unterstützen.” Der typische Konservative wird sagen: “Genau das Gegenteil ist der Fall. Wir sind für Freiheit, die Progressiven nicht, wenn die Freiheit sagen, meinen sie etwas, was keine wahre Freiheit ist. Was die mit Freiheit meinen, ist in Wirklichkeit Unterwerfung unter den Zwang der Triebe und der Profitgier in der einen Variante von Fortschritt, unter die Herrschaft der Guillotine, die den Massenwahn exekutiert, und der (Partei-)Bürokratie in der anderen Variante.”

    Der konservative Freiheitsbegriff ist eben ein anderer als der liberale, der demokratische oder der sozialistische. Sehr schön nachlesen kann man das in Gottfried Kellers “Verschiedene Freiheitskämpfer”.

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