Biosprit

B. (auch Biokraftstoff) hat mit Biojoghurt und anderen Bioprodukten nichts zu tun. Es darf als unwahrscheinlich gelten, dass ihm je das Biosiegel zuteil werden wird. Bio- ist im Deutschen reihenbildend und (fast schon) ein Präfix, das so viel bedeutet wie „aus biologisch-kontrolliertem Anbau“. Biosprit hingegen wird nicht biologisch-kontrolliert angebaut. Es handelt sich um Benzin, also ursprünglich Erdöl, dem ein geringer Teil Ethanol beigemischt ist, das aus Pflanzen hergestellt wurde. Meist übrigens unter Verwendung von Dünger (der oft mit Hilfe von fossilen Brennstoffen hergestellt wird) oder gar auf frisch gerodetem Urwaldboden. Die Umweltbilanz von B. ist also alles andere als bio (hier verwendet als prädikatives Adjektiv). Nicht einmal Kohlendioxid spart das teure Agrarbenzin, obwohl genau damit seine Einführung begründet worden war. Das positiv konnotierte Präfix mit Sprit oder Kraftstoff (ein Werbewort für Benzin) zu mischen, heißt: zu lügen.

Nachtrag: In den Kommentaren zu diesem Text versucht sich der Biokraftstoffverband an einer Erklärung des Wortes und der Zusammenhänge. Lesenswert!

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36 Kommentare

  1. @ Kai Biermann: Wie earl ausführt kommt die Vorsilbe “Bio” von den eingesetzten Rohstoffen. Wikipedia: Biologie (altgr. βίος bíos ‚Leben‘ und λόγος lógos ‚Lehre‘).

    Meiner Ansicht nach ist mit der Vorsilbe “Bio” tatsächlich ein positive Sichtweise verbunden. Eine andere Bezeichnung, die gerne von Organisationen wie dem BUND genutzt wird, ist AGROkraftstoff. Diese Bezeichnung ist ebensowenig neutral, es schwingt der Begriff “Aggression” mit.

    Diese Seite heißt “Neusprech”, damit könnte gemeint sein, dass neuere Begriffe, die bereits etablierte Begriffe ablösen, kritisch hinterfragt werden. “Biokraftstoff” ist in jedem Fall die ältere Bezeichnung im Vergleich zu “Agrosprit”. Dies ist jedoch eine rein formale Herangehensweise.

    Wie dem auch sei:
    ja, der vom BUND beschriebene Effekt nennt sich indirekte Landnutzungsänderung, indirect land use change (iluc). Dieser Effekt ist sehr umstritten, es gibt sehr unterschiedliche Positionen hierzu. Die These lautet verkürzt:
    weil der deutsche Bauer Raps für Biodiesel statt Getreide anbaut, wird in Indonesien Regenwald gerodet. Dies führt zu vermehrtem Treibhausgasausstoß, so dass die Klimabilanz von Biokraftstoffen negativ ist. (O.k., das ist sehr platt formuliert, aber letztlich läuft es darauf hinaus. )

    Das Problem muss ernst genommen werden, allerdings sind die Schlußfolgerungen, die der BUND zieht, nicht belegbar, weil der genannte Effekt nicht quantifizierbar ist und die behauptete Kausalität zwischen Rapsanbau und Regenwaldrodung nicht belegbar ist.

    Hier ein Vorschlag, wie man der Sache Herr werden kann:
    http://www.bdbe.de/downloads/PDF/iLUC/iLUC_Studie_Lahl.pdf

    Bioenergiepflanzen werden auf etwa 1,5 % der Weltagrarfläche angebaut. Wirklich problematisch ist der Anbau für Futtermittel, Nahrungsmittel, Kosmetik etc. Hier müssten gesetzliche Nachhaltigkeitskriterien eingeführt werden, dann käme es auch nicht zu den Verdrängungseffekten, wie sie der BUND beschreibt.

  2. Sehr geehrter Biokraftstoff (-verband),

    leider haben Sie die irritierende Angewohnheit, Fragen nicht zu beantworten. Daher gern noch einmal: Und finden Sie nicht auch (…), dass es (…) von der Industrie gerne in Kauf genommen wird, dass “bio” in unserem Sprachgebrauch mit “gesund” und “nicht umweltschädlich” assoziiert ist?

    Inzwischen habe ich noch eine: Finden Sie nicht, angesichts der geringen Quote an “Biosprit” im “Kraftstoff”, die sich auch kaum noch steigern lässt, ohne noch viel negativere Effekte auszulösen, dass es sich bei Ihren Bemühungen lediglich um “greenwashing” handelt und nicht um eine ernsthafte Initiative zur Nachhaltigkeit?

    Und bevor beispielsweise für den Anbau von Futter- und Nahrungsmitteln “gesetzliche Nachhaltigkeitskriterien” eingeführt werden, wie Sie es fordern, wäre ich dann doch dringend dafür, solche erst einmal für die Autoindustrie einzuführen. Vielleicht haben dann ja alternative Konzepte eine Chance, die nicht auf fossilen Brennstoffen beruhen.

    Es war übrigens ein netter Versuch, zu argumentieren, aGro klinge wie aGGression und sei daher auch nicht neutral. Das aber ist dann doch ein wenig weit her geholt, fürchte ich, es fehlt immerhin ein G.

    Beste Grüße
    Kai Biermann

  3. Noch ein Nachtrag, aber der hat nichts mit der Sprache zu tun: Mir wird irgendwie übel bei dem Gedanken, dass wir Raps, Zuckerrüben und sogar Mais und Soja zu Benzin machen und in unseren Autos verfeuern – angesichts von Millionen Menschen auf dieser Erde, die nichts zu essen haben. Irgendwas läuft da furchtbar schief, finden Sie nicht, lieber Biokraftstoff (-verband)?

  4. Übrigens ist jeder(!) Kraftstoff biologischen Ursprungs, schließlich ist auch das Erdöl nicht aus Sand und Steinen entstanden.

    Ganz davon abgesehen finde ich es ziemlich abartig, Regenwälder abzuholzen, nur damit man dann dort angebaute Nahrungsmittel in Motoren verbrennen kann.

  5. Wenn die Vorsilbe “bio” (heutzutage!) wirklich “überwiegend positiv besetzt” ist, ist das wohl ebenfalls dem Marketing zu verdanken, das uns eine heile Welt verheißt.

    Ich finde Begriffe wie “Bioeier” recht albern, suggerieren sie doch eine vermeintlich nicht-biologische Herkunft anderer Produkte, wie dies bei Viskose im Gegensatz zu Baumwolle tatsächlich der Fall ist.

    Im übrigen werden nicht alle Kraft- oder Treibstoffe aus Biomasse (hier mal absolut wertfrei) gewonnen; bei Methanol etwa werden nicht notwendigerweise “Lebensmittel in den Tank gekippt”.

    Andere Biomasse, aus der Kraftstoffe gewonnen werden können, wie beispielweise Stroh, Holzabfälle oder (teilweise gezüchtete) Algen, steht nicht in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion (zumindest für Menschen); ganz so schwarz-weiß wie hier dargestellt ist die Situation also meiner Meinung nach nicht.

    Und das Verbrennen von Holz oder Pellets ist – obwohl “nachhaltig” – unter Umweltaspekten in der Regel eine ziemliche Sauerei.

    Hoffe dennoch weiterhin, das Verbot von Verbrennungsmotoren (von Wasserstoff mal abgesehen) noch miterleben zu dürfen…

  6. @ Kai Biermann

    Das fehlende G beim Vergleich von agro/aggro ist ein wenig spitzfindig, oder? Die Assoziation mit aggro (die vom Klang her überhaupt nicht weit von einander entfernt sind) war auch bei mir der erste Effekt bei der Formulierung Agrokraftstoff.

    Man kann zwar argumentieren wegen dem fehlenden G ist es was ganz anderes, aber das Wort bleibt ja durch den Ersteindruck dann doch irgendwie gefärbt.

    In selber Weise muss man dann natürlich weiterargumentieren, dass bio- bedeutungsunabhängig genauso ein Spiel mit dem Ersteindruck ist, was hier ja bereits getan wurde.

  7. Nehmen wir halt Agrakraftstoff :)

    @Biokrafstoff

    “ja, der vom BUND beschriebene Effekt nennt sich indirekte Landnutzungsänderung, indirect land use change (iluc). Dieser Effekt ist sehr umstritten, es gibt sehr unterschiedliche Positionen hierzu.
    […]
    Das Problem muss ernst genommen werden, allerdings sind die Schlußfolgerungen, die der BUND zieht, nicht belegbar, weil der genannte Effekt nicht quantifizierbar ist und die behauptete Kausalität zwischen Rapsanbau und Regenwaldrodung nicht belegbar ist. ”

    Fällt Ihnen auf was für ein Standartgefasel das ist? Da kann man jedes andere Thema einsetzen (Kommt mir bekannt aus der Atomdiskussion und dem Klimawandel). Besonders wenn dann auch noch Wissenschaftler dafür bezahlt werden eine unterschiedliche Position zu haben, usw usf.
    Aber wie gesagt, bei allen schlechten Dingen ist das ja gang und gebe, zu sagen das man das nicht quantifizieren kann, und schon kann man nachteilige Effekte ausblenden und alle sind Glücklich.

  8. @Lars: Die Aussage, dass Erdöl/Erdgas ausschließlich mit Hilfe organischer Prozesse entstehen kann, ist aufgrund von

    http://www.nature.com/ngeo/journal/v2/n8/full/ngeo591.html

    in Frage zu stellen. Vielmehr zeigt dieser Artikel, dass es Bedingungen im Erdmantel gibt, die eine Erzeugung von Kohlenwasserstoffen ermöglichen.

    Nachgestellt wurde der Prozess für kurze Kohle-Wasserstoff-Ketten (Methan, Butan Propan) . Es gibt aber keine schlüssigen Argumente, dass dies nicht auch für längere Ketten möglich sein sollte. Diese Erkenntnis gibt es schon länger, zumindest aus theoretischen Überlegungen:

    http://www.nature.com/nature/journal/v212/n5068/abs/2121291a0.html

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