Experte

Es gibt Wörter, die streuen wir in unsere Sätze ein, obwohl sie keinen tieferen Sinn haben. Sie sollen lediglich über Lücken im Text hinweghelfen und dabei ein kuscheliges Gefühl vermitteln. In der Linguistik werden sie, eben weil sie überall stehen könnten, Passepartoutwörter genannt (französisch für passer ‚hindurchgehen‘ und partout ‚überall‘). Der E. ist ein solches Füllwort. Einst war damit mal jemand gemeint, der überdurchschnittlich viel von einem Gebiet versteht, der darin also erprobt ist, auf lateinisch expertus. Inzwischen allerdings wird der E. vor allem von Medien als Titel für all die Menschen verwendet, die entweder keine anständige Berufsbezeichnung haben oder deren Beruf so kompliziert ist, dass er nicht in die dreißig Zeichen langen Untertitel auf dem Bildschirm passt. So werden diese dann zum Beispiel zu Internet-E., Terrorismus-E. oder Wirtschafts-E., gelegentlich auch hochgeschwurbelt durch den Zusatz ,führende‘. Das klingt kompetent und soll darüber hinwegtäuschen, dass der Betreffende auch nicht mehr über die Situation weiß, als die Moderatoren und die Zuschauer. Denn seit Massenmedien allein in Deutschland täglich gefühlte dreihundert E.-n verheizen, um die komplizierte Welt zu erklären, werden sie knapp. Insofern ist der Begriff längst Medienneusprech und steht nicht mehr für einen Fachmann, sondern für ‚irgendjemanden, der bereit war, mit uns über diesen Unsinn zu reden‘. Oder, wie der Medien- und/oder Internetexperte Stefan Niggemeier in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ schrieb: „Wer solche Experten kennt, braucht keine Laien.“

Dieser Text erschien zuerst in unserem Buch „Sprachlügen: Unworte und Neusprech von ,Atomruine‘ bis ,zeitnah‘“

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25 Kommentare

  1. das wurde auch zeit, dass ihr den experten mal hier aufführt. und es wird erst recht zeit, dass dieses bescheuerte wort endlich mal aus dem medienalltag verschwindet, ich kann es nämlich schon lange nicht mehr hören/sehen.

  2. Im Ruhrpott steht der Begriff auch als Synonym für “Pfuscher” – das kommt den Experten, die unsere Medien uns gerne vorsetzen, ja schon recht nah. ;-)

    Übrigens – seit wann steht vor dem “als” ein Komma? Hab’ ich schon wieder eine Rechtschreibreform verpennt? ;-)

  3. Der schon klassische Satz des massenmedialen Niscirismus:
    “Hierzu haben wir einen Experten im Studio”

  4. “Insofern ist der Begriff längst Medienneusprech und steht nicht mehr für einen Fachmann, sondern für ‚irgendjemanden, der bereit war, mit uns über diesen Unsinn zu reden‘.”
    Für mich ist die hier erwähnte Verwendung von E.-n in einigen TV-Sendern nach wie vor schlichtweg falsch.
    Vielleicht wirkt das auf mich anders, weil ich seit ca. 5 Jahren kein TV-Geräte mehr nutze, jedenfalls erinnere ich mich an solche Verwendungen nur aus TV-Mittschnitten und TV-Bildern.

    Ich währe erfreut darüber, wenn jemand um den Text zu untermauern auch noch ein paar Beispiele außerhalb des TVs nennen könnte.

  5. Ich bin Antonym. Ich Expert. Auch für Experienze. Oder Exzerimente. Für zoole Z-Sätze: Zater zunser, zer zu zist zim …

  6. Der Traumaexperte – besser s o zu schreiben: Experte – hat im TV einen Sitzplatz in Talkrunden erobert.
    Er operiert fachkundisch [sic!] an Traumen, an Verletzungen, an Beschädigungen, an Blessuren und Einbildungen zu Spitzenhonoraren.

  7. Zur Abwechslung mal ein Experte, den es wirklich gibt:
    Medizin-Physik-Experte
    Dieser ist in Röntgen- und Strahlenschutzverordnung definiert und in diversen Richtlinien erwähnt. (siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Medizinphysiker)
    Ich finde die Bezeichnung jedoch dämlich, da man bei Verwendung des Begriffs immer an die ahnungslosen Experten im TV denkt.

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