Grenzschutzagentur

Nicht immer will politische Sprache übertreiben, manchmal geht es auch darum, einen Gegenstand etwas harmloser aussehen zu lassen. Wie bei der G., die sich dazu des Ausdrucks Agentur bedient. Sprachlich ist sie damit eine Vertretung, die entweder einen Grenzschutz vermarktet, Grenzschützer repräsentiert, oder eine Grenze vor irgendjemandem schützt. Inhaltlich geht es jedoch um Polizisten, ausgerüstet und losgeschickt, um die europäischen Grenzen zu überwachen und Menschen zu verjagen, die sich diesen Grenzen nähern – somit eine Grenzpolizei, beziehungsweise das Oberkommando derselben. Denn die G. koordiniert die nationalen Grenzpolizeien. Noch weniger hilfreich ist das oft verwendete Akronym Frontex. Das ist zusammengezogen aus dem französischen Frontières extérieures ‚Außengrenzen‘. Über die Tätigkeit der Polizisten, die Flüchtlinge verhören, aber auch neue Überwachungstechniken testen, sagt das nichts.

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7 Kommentare

  1. Die Grenzschutzagentur heißt so, weil sie eine sog. “Agentur der Europäischen Union” ist. Das Pendant in Deutschland wäre eine Bundesbehörde. Solche Einrichtungen tragen aus historischen Gründen die verschiedensten Bezeichnungen: Behörde, Amt, Anstalt, Institut, Zentrum etc. (Siehe die Einträge in Wikipedia: Agenturen_der_Europäischen_Union und Bundesbehörde_(Deutschland))

    “Agentur” heißt praktischerweise “agency” im Engl. und “agence” im Franz., ist also ein Internationalismus. Aber was erklärt den Aufstieg dieses Wortes? Auch die Engländer und Franzosen haben traditionellerweise andere Begriffe wie etwa service, office, authority/autorité etc. In allen drei Sprachen ist die Grundbedeutung von “Agentur” die einer Vertretung oder einer Vermittlungsstelle.

    Und da kommen wir, denke ich, zum Kern: Eine europäische Agentur “vertritt” die Interessen der Mitgliedsstaaten bzw. die EU selbst; Agenturen überhaupt vertreten die Interessen aller Beteiligten. Agenturen wollen im Namen das verschweigen, was sie eigentlich sind: Behörden, Machtapparate, zentralistische Einrichtungen. Es soll unbedingt die Fiktion aufrecht erhalten werden, dass die EU eine schlanke Interessenvertretung der Bürger und Mitglledsstaaten darstellt.

    (Und auf nationaler Ebene: Die “Arbeitsagentur” suggeriert im Namen, eine Vermittlungsstelle für Arbeit zu sein, dabei verwaltet sie nur die Arbeitslosigkeit.)

  2. Ich finde “Frontex” sehr schön, weil darin für Deutsche sofort das Wort “Front” zu sehen ist. Da weiß man doch gleich, wie die Musik spielt.

  3. Ich findes “Frontex” auch sehr passend. Es ist ein ehrliches, hartes Wort, das gar nicht im Kontrast zu den harten bis brutalen Maßnahmen steht, mit der unsere “Front” verteidigt wird. Akronyme klingen überhaupt ehrlicher – etwa Interpol, CIA, Stasi. Akronyme löschen jegliche euphemistische Bedeutungen aus den Langformen.

    Ich hoffe, dass sich “Frontex” durchsetzen wird – ich meine selbstverständlich das Wort, nicht unbedingt die Sache.

    Grüße,
    Jürgen

  4. Ich finde “Frontex” auch sehr schön, weil es mich an Tippex erinnert. Das weist den Weg zu einer Wahrheit, auf die zugrundeliegende Tatsache, dass man Flüchtlinge nicht hier haben will.

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