Bankenabgabe

Auch: Abgabe auf Bankeinlagen oder Sonderabgabe. Gemeint ist die nachträgliche Besteuerung Enteignung von zyprischen Bankkunden. Um einen Kredit in Höhe von zehn Milliarden Euro zu bekommen, den Zyperns Regierung sich von der EU wünscht, müssen die Bankkunden eine Art Steuer zahlen, insgesamt 5,8 Milliarden Euro. Der Ausdruck Abgabe und seine Erweiterung Sonderabgabe sind hier ein Technizismus. Sie sind zwar technisch korrekt, geben aber nicht annähernd wieder, worum es geht, eben um eine zwangsweise Enteignung. B. ist gar ein Euphemismus, denkt man bei dem Wort doch vielleicht an eine Abgabe der Banken. Aber nicht Banken geben etwas ab, sondern die Bankkunden. Und sie geben das Geld auch nicht für ihre Bank ab, sondern damit der Staat sich Geld leihen kann.

Nicht nur der Versuch, das Ganze sprachlich zu verschleiern ist entlarvend. Sondern auch die Logik des Zwangs-Deals. Hier erläutert sie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: „Wenn Banken insolvent werden, dann können nicht die Steuerzahler das Risiko übernehmen, das müssen dann schon diejenigen, die in guten Zeiten mit Banken und mit Geldanlagen Geld verdienen.“ Das heißt, wer Gewinne gemacht hat, muss auch Verluste tragen und kann diese nicht der Gesellschaft aufbürden. Interessanterweise gilt das erstens offensichtlich nur für Zypern, nicht für andere Länder, wie beispielsweise Deutschland oder Spanien. Die Verluste der Banken anderer europäischer Länder wurden ganz selbstverständlich den Steuerzahlern aufgebürdet und nicht denen, die die Gewinne erwirtschaftet haben. Zweitens erwähnt Schäuble als Gewinner, die „in guten Zeiten mit Banken Geld verdienen“, nur die Bankkunden, nicht jedoch die, die wirklich Geld mit den Banken verdienen – die Bankbesitzer.

Interessanterweise war die B. ursprünglich tatsächlich als eine Steuer geplant, die die Banken entrichten sollten. Im Jahr 2010 zumindest wurde diskutiert, eine globale B. einzuführen, die auch unter dem vernebelnden Pseudonym Stabilitätsgebühr firmierte. Der Plan, sie in der gesamten EU einzuziehen, ist bislang nicht umgesetzt. Lediglich in Deutschland und Österreich zahlen Banken diese Steuer. Schätzen Sie doch mal kurz, wie viel die B. hierzulande einbringt? Richtig, ein Zehntel dessen, was die zyprischen Bankkunden nun zahlen sollen: im Jahr 2011 waren es 590 Millionen Euro.

Irgendwie werden die Bankbesitzer immer vergessen, wenn es darum geht, die Verluste ihres Handelns zu tragen. Achja, fast hätten auch wir etwas vergessen, die Begründung für diesen Wählerbetrug: Selbstverständlich sind Zyperns Banken → systemrelevant“.

Siehe auch: Rettungsschirm, Rekapitalisierung, Bad Bank und Schuldenbremse.

Internetkriminalität

Es gibt in politischen Reden und in Dokumenten des Bundeskriminalamtes keine Briefkriminalität, keine Rohrpostkriminlität, keine Autokriminalität und keine Postkutschenkriminalität. Nur um ein paar Beispiele zu nennen. Dabei können sie alle als sogenanntes Tatmittel dienen, als Weg also zu einer Straftat. Genau wie das Internet. Warum also gibt es in Äußerungen von Politikern und Polizisten eine I.? Es steht zu befürchten, dass damit ein Vorurteil transportiert werden soll. Denn das Internet ist neutral, genau wie Briefe, Rohrpostsendungen, Autos und Postkutschen. Menschen begehen die Urheberrechtsverletzung, den Betrug oder die Erpressung. Nicht das Netz.

Herzlichen Dank an Mitpodcasterin Constanze K., die in der Enquetekommission “Internet und digitale Gesellschaft” im Bundestag fragte, was dieser Begriff in der Überschrift eines Abschnitts zu suchen habe. Leider ohne Ergebnis.

Grenzschutzagentur

Nicht immer will politische Sprache übertreiben, manchmal geht es auch darum, einen Gegenstand etwas harmloser aussehen zu lassen. Wie bei der G., die sich dazu des Ausdrucks Agentur bedient. Sprachlich ist sie damit eine Vertretung, die entweder einen Grenzschutz vermarktet, Grenzschützer repräsentiert, oder eine Grenze vor irgendjemandem schützt. Inhaltlich geht es jedoch um Polizisten, ausgerüstet und losgeschickt, um die europäischen Grenzen zu überwachen und Menschen zu verjagen, die sich diesen Grenzen nähern – somit eine Grenzpolizei, beziehungsweise das Oberkommando derselben. Denn die G. koordiniert die nationalen Grenzpolizeien. Noch weniger hilfreich ist das oft verwendete Akronym Frontex. Das ist zusammengezogen aus dem französischen Frontières extérieures ‚Außengrenzen‘. Über die Tätigkeit der Polizisten, die Flüchtlinge verhören, aber auch neue Überwachungstechniken testen, sagt das nichts.

Experte

Es gibt Wörter, die streuen wir in unsere Sätze ein, obwohl sie keinen tieferen Sinn haben. Sie sollen lediglich über Lücken im Text hinweghelfen und dabei ein kuscheliges Gefühl vermitteln. In der Linguistik werden sie, eben weil sie überall stehen könnten, Passepartoutwörter genannt (französisch für passer ‚hindurchgehen‘ und partout ‚überall‘). Der E. ist ein solches Füllwort. Einst war damit mal jemand gemeint, der überdurchschnittlich viel von einem Gebiet versteht, der darin also erprobt ist, auf lateinisch expertus. Inzwischen allerdings wird der E. vor allem von Medien als Titel für all die Menschen verwendet, die entweder keine anständige Berufsbezeichnung haben oder deren Beruf so kompliziert ist, dass er nicht in die dreißig Zeichen langen Untertitel auf dem Bildschirm passt. So werden diese dann zum Beispiel zu Internet-E., Terrorismus-E. oder Wirtschafts-E., gelegentlich auch hochgeschwurbelt durch den Zusatz ,führende‘. Das klingt kompetent und soll darüber hinwegtäuschen, dass der Betreffende auch nicht mehr über die Situation weiß, als die Moderatoren und die Zuschauer. Denn seit Massenmedien allein in Deutschland täglich gefühlte dreihundert E.-n verheizen, um die komplizierte Welt zu erklären, werden sie knapp. Insofern ist der Begriff längst Medienneusprech und steht nicht mehr für einen Fachmann, sondern für ‚irgendjemanden, der bereit war, mit uns über diesen Unsinn zu reden‘. Oder, wie der Medien- und/oder Internetexperte Stefan Niggemeier in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ schrieb: „Wer solche Experten kennt, braucht keine Laien.“

Dieser Text erschien zuerst in unserem Buch „Sprachlügen: Unworte und Neusprech von ,Atomruine‘ bis ,zeitnah‘“

berufsqualifizierend

Wie gut klingt es, wenn ein Studienabschluss b. ist! Leider stimmt es nicht, jedenfalls nicht im Wortsinn, denn ein Studienabschluss wie der Bachelor qualifiziert nicht für einen Beruf, sondern qualifiziert eher allgemein, so dass man danach einen Beruf erlernen kann, für den mehr als nur das Abitur benötigt wird. Treffender wäre also die Bezeichnung einstellbar. Und siehe da: b. ist die deutsche Übersetzung für englisch employable, was in der Tat nicht mehr und nicht weniger heißt als ‚einstellbar‘. Das englische Wort wird daher auch im Deutschen gern als Ersatz für b. verwendet. Dummerweise ist der Gebrauchskontext und damit die genaue Bedeutung in Großbritannien aber eine andere: Dort wird es nämlich im Bereich von Sozialmaßnahmen für Jugendliche verwendet, die eben weil sie psychisch oder sozial auffällig sind, nicht einstellbar sind. Da sind wir dann wieder weit vom deutschen Hochschulwesen weg, denn bei aller Kritik wird niemand ein Bachelorstudium als psychisch-soziale Maßnahme ansehen.

Dieser Text erschien zuerst in unserem Buch „Sprachlügen: Unworte und Neusprech von ,Atomruine‘ bis ,zeitnah‘“