schonungslos

Sich nicht zu schonen, ist ein gefährliches Konzept. Jeder braucht schließlich ab und zu Ruhe und Erholung, sonst geht er kaputt. Weshalb der Begriff auch im Sinne von kalt und unmenschlich verstanden wird. Trotzdem ist s. in der Politik beliebt. Denn es signalisiert, dass sich dort jemand mit all seiner Kraft für eine Sache einsetzt, oder das zumindest behauptet. Es sollte allerdings skeptisch machen, dass es in der politischen Alltagssprache ein ganzes Rudel Synonyme dafür gibt: bedingungslos, lückenlos, rückhaltlos, vorbehaltlos – immer geht es darum, jeden Zweifel am Gesagten zu zerstreuen. Als besonders lückenlose Form der schonungslosen politischen Handlung hat Roland Koch gar einst die brutalstmögliche Aufklärung erfunden. Und damit vor allem bewiesen, dass das sprachliche Bild längst abgenutzt ist. Denn es genügt offensichtlich nicht mehr, etwas aufzuklären, aufzudecken, offenzulegen oder zu enthüllen. Immer muss es gleich der Superlativ sein. Trauen wir Politikern nicht mehr, wenn sie etwas sagen? Trauen sie sich selbst nicht? Oder wollen sie gar etwas anderes sagen, wenn sie den Ausdruck s. benutzen? Die Befürchtung zumindest verwundert nicht. Denn wer so unterstreicht, dass er sich und andere bei der Aufdeckung von Fehlern nicht schonen will, hat unter Umständen genau das vor und möchte lediglich davon ablenken.

Tauschbörse

Eine Börse ist ein Handelsplatz, dort wird gekauft und verkauft. Der Wortursprung ist nicht ganz klar, aber es dreht sich eindeutig um Geld. Von tauschen wird hingegen gesprochen, wenn es darum geht, etwas zu geben und gleichzeitig etwas von ungefähr gleichem Wert dafür zu bekommen. Dabei ist tauschen mit täuschen verwandt, denn bei solchen Tauschgeschäften kommt es durchaus vor, dass sich jemand über den Wert der zu tauschenden Dinge täuscht oder getäuscht wird. Im Fall der T. ist jedoch gleich das ganze Wort eine Täuschung. Denn erstens handelt es sich nicht um eine Börse, da die Teilnehmer nicht miteinander handeln und oft kein kommerzielles Interesse haben. Zweitens wird hier auch nicht getauscht. In der Regel stellen „Filesharer“ einfach eine Menge Dateien auf ihrem Computer allen anderen Nutzern der Plattform zur Verfügung und laden von anderen, die das auch tun, Dateien herunter, die sie haben wollen. Oder auch nicht. Somit gibt es nicht einmal einen echten Tausch der einen Sache gegen eine andere, geschweige denn einen Handel. Es handelt sich also um eine Fehlbezeichnung, um einen Malapropismus. Vielleicht ist es sogar ein Dysphemismus, also der Versuch, etwas finsterer aussehen zu lassen, als es ist – werden doch finanzielle Interessen unterstellt, die gar nicht vorhanden sind.

ehemalig

Am Anfang war ein Adverb namens ehemals. Das bedeutet ‚früher‘. Aus diesem wurde dann mithife der Adjektivableitung -ig ein charakterisierendes Adjektiv mit der Bedeutung ‚wie ehemals‘, also ,wie früher‘. Manchmal wird es auch genau so verwendet, beispielsweise in der Kombination das ehemalige Berlin – ‚Berlin wie es früher war‘. Oder auch die ehemalige BRD. Das meint dann die BRD wie sie früher war. Es meint aber nicht, dass die BRD nicht mehr existiert. Wer also sagt, die ehemalige DDR und damit ausdrücken will, dass es die DDR nicht mehr gibt, der redet Unsinn. Denn eine ehemalige DDR gäbe es nur, wenn es noch eine DDR gäbe und wir darüber reden wollten, dass sie heute zwar noch da ist, früher aber anders aussah. Alles klar soweit? Wenn also jemand sagen möchte, dass er in der DDR aufgewachsen ist, reicht es völlig, zu sagen, dass er in der DDR aufgewachsen ist. Denn jeder weiß, dass sie nicht mehr vorhanden ist. Das e. braucht in diesem Zusammenhang niemand. Und es stellt sich vielmehr die Frage, warum jemand das Offenkundige hervorheben muss. Die sich leicht beantworten lässt: Derjenige hat offensichtlich bis heute ein Problem mit der einstigen Existenz. Das e. dient also dazu, die DDR in Anführungszeichen zu setzen, wie es der Springer-Verlag noch bis August 1989 tat.

Anschlussverwendung

Beim Militär werden Menschen „verwendet“. Denn sie sind dort genauso ein Ding wie Autos oder Gewehre, eine Sache die aufgebraucht, ja sogar „verheizt“ wird. In der zivilisierten Welt ist eine solche Sicht auf Mitmenschen hingegen verpönt, eben weil sie dann nicht mehr als Mensch betrachtet werden, sondern als Gegenstand ohne eigenen Willen und eigene Bedürfnisse. Warum wir das erwähnen? Weil ein FDP-Chef gerade mehr als zehntausend arbeitslos werdenden Menschen empfohlen hat, sich mal schnell um eine A. zu bemühen. So als wären sie Maschinen, die sich um jemand neues kümmern sollten, der sie einsetzt und bedient. Man könnte dem Parteichef zugute halten, dass er lange bei der Bundeswehr gearbeitet hat und die zynische und unmenschliche Sprache des Militärs zu seiner Lebenswelt gehört. Muss man aber nicht. Weswegen wir spaßeshalber mal wieder aus dem „Schockwellenreiter“ zitieren: „Wenn es ein Phänomen wie das absolute Böse überhaupt gibt, dann besteht es darin, einen Menschen wie ein Ding zu behandeln.“

Betreuungsgeld

Verunglimpfend und nicht ganz falsch auch Herdprämie genannt. Bezeichnet den Plan konservativer Parteien, jenen Eltern, die für die Betreuung ihrer Kinder keinen Kindergartenplatz nutzen, Geld zu geben. Über Sinn oder Unsinn dieses Vorhabens wollen wir hier gar nicht diskutieren, allein der verwendete Begriff sagt eigentlich genug: Er versucht offensichtlich, den Sachverhalt ein klein wenig anders darzustellen. Denn B. legt nahe, dass hier für eine Leistung – die Betreuung –, Geld gezahlt wird. Das ist auch der Tenor, den die Erfinder gern transportieren. Werde damit doch, argumentieren sie, die „Erziehungsleistung“ jener Eltern honoriert, die ihre Kinder zu Hause bekümmerten. Das klingt edel, ist aber Quatsch. Die Entscheidung wird denen, die sowieso zu Hause sind, nicht schwer fallen: Einen Kitaplatz für 50 Euro oder mehr im Monat kaufen (wenn sie denn einen finden), oder nichts tun und 150 Euro im Monat bekommen? Offensichtlich werden sie also dafür bezahlt, dass sie eine sonst kostenpflichtige Leistung eben nicht in Anspruch nehmen. Es handelt sich demnach um eine Stilllegungsprämie, wie sie jahrelang auch Bauern bekamen, damit sie auf ihren Feldern nicht so viel anbauen. Der Grund ist der gleiche, es gab zu viel Getreide, beziehungsweise es gibt nicht genug Kitaplätze. Statt neue zu bauen, was pro Platz 1.000 Euro im Monat kostet, bekommen die Eltern ein bisschen von dem Geld, damit der Bedarf nicht so stark steigt – eine Betreuungsnichtnutzungsprämie somit. Um einen Vergleich zu wählen: Das ist so, als erklärte die Regierung, sie wolle Schulbildung verbessern und Schulen attraktiver machen. Bezahlte aber gleichzeitig Eltern dafür, wenn sie ihre Kinder nicht dorthin schicken. Und würde diese Aktion dann Bildungsgeld nennen.