Denkverbote

Nur im Plural (Plurale tantum). Meist verwendet in der Konstruktion „darf man sich nicht auferlegen“ und immer als Begründung unseriöser bis hirnrissiger Forderungen. Die D. sind so etwas wie der Präventivschlag der politischen Kommunikation. In dem Wissen, gleich etwas dummes/provozierendes/grob fahrlässiges zu sagen, werden die sich garantiert einstellenden Kritiker prophylaktisch mit der Unterstellung angegriffen, sie würden dem Idioten/Provokateur das Denken verbieten wollen. Das aber hat niemand vor. Getreu dem Hoffmann von Fallerslebenschen Volkslied gilt uneingeschränkt: „Kein Mensch kann sie wissen / kein Jäger erschießen / mit Pulver und Blei: / Die Gedanken sind frei!“ In der Öffentlichkeit Blödsinn zu reden jedoch, ist etwas völlig anderes. Denn wer sich in der Öffentlichkeit bewegt, hat eine Verantwortung für eben diese. Und so darf man beispielsweise in einer überfüllten U-Bahn gerne darüber nachdenken, wie es wäre, laut und lustvoll zu furzen. Das Schwadronieren darüber aber gilt zu Recht bereits als ungehörig. Vgl. auch: „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“ Nee, darf man nicht.

Beteilige dich an der Unterhaltung

26 Kommentare

  1. Etwas rationaler wäre mir lieber gewesen. Der Text kommt so sehr emotional rüber und verpasst zu erwähnen, dass es sich hierbei um ein Killerargument handelt.

    Konkret störend finde ich folgende Wortwahl:
    hirnrissig, dummes, Idioten, “Nee, darf man nicht.”

    Mir fehlt in diesem Beitrag ehrlich gesagt der Charme, den ich hier sonst gewohnt bin. So ist mir das etwas zu platt. Die Kunst der schönen Polemik ist es ja, die Dinge so zu sagen, dass sie nicht so klingen, wie man es eigentlich meint. Das gelingt diesem Text streckenweise, aber eben nicht ganz.

  2. Der Charme von neusprech.org liegt im Spiel mit einer gewissen “Wörterbuch-Haftigkeit”, verbunden mit hintzergründigem Witz im Spiel mit der Sprache.
    So deckt neusprech.org auch tiefere und (gewollt) verborgene Eigentlichkeiten gewisser Aussagen auf.
    Obiger Artikel ist gut gemeint und gut verständlich, lässt aber das “Aha-Erlebnis” im Tauchgang durch den doppelten Boden der verwässerten Sprache vermissen. Auch sind harte Worte wie “Idioten” oder “furzen”, die als Stilmittel durchaus oft angebracht sind, eher ungünstig platziert, so dass sie anstatt frisch und aufrüttelnd eher plump und zotig wirken.
    Nichtsdestotrotz ist das Thema ein wichtiges, denn ein Denkverbot kommt oft schleichend daher, statt der allgemeinen Keule wird der Schlaftrunk als süsser Kakao in den Medien verabreicht.

  3. Ein großer Teil der deutschen Geschichte des 20. Jhd. ist mit Denkverboten belegt – mit Strafverfolgung – und deshalb gibt es folgerichtig “Gedankenverbrecher”.

    Die “Denkverbote” sind schon lange installiert.

  4. Das würde ich genau entgegengesetzt sehen: Wer sich in der Öffentlichkeit bewegt, hat immernoch nur Verantwortung für sich selbst. Aber er muss dann mit der Reaktion der Öffentlichkeit auf seine Äußerungen klar kommen. Ich bin für das uneingeschränkte Recht eines Jeden, sich selbst zum Affen zu machen.

    Der letzte Satz wäre also besser: “Darf man, sollte man aber lieber nicht.”

  5. Bin großer Fan des Neusprech-Blogs, würde mir aber auch eine sachlichere und weniger polemische Darstellung wünschen.

  6. Ich bitte um Entschuldigung, aber angesichts der hirnrissigen Dinge, die mit dieser Phrase gerechtfertigt werden – gezielte Tötungen, um nur eines zu nennen – sind mir ein paar rhetorische Sicherungen durchgebrannt. Vielleicht ändere ich den Text nochmal, vielleicht aber auch nicht ;)

    lg
    k

  7. Meinten Sie: Schwadronieren Die ersten 2 angezeigten Ergebnisse

    Klugscheisserei ja, aber wenn es hier doch um Sprache geht, dann Fehler vermeiden oder korrigieren :)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert