Auch wenn die Zurückhaltung als bescheiden und damit als etwas Gutes gilt, hat sie doch immer auch einen abweisenden und damit negativen Unterton. Denn das Zurückhalten ist eigentlich ein unfreundlicher Akt. Die Substantivierung beschreibt das Nicht-Herausgeben einer Sache, die eigentlich jemand anderem zusteht. So ist denn auch die K. keinesfalls positiv gemeint. Die Haltung hinter dem Vorwurf der Zurückhaltung sieht es fast schon als Frechheit an, dass die Bürger weniger kaufen als erhofft und damit den Gewinn eines Unternehmens schmälern. Oder dass sie gar, wie es Spiegel Online 2009 mal schrieb, den Aufschwung „abwürgen“ – den armen, unschuldigen Aufschwung also umbringen. Sein Geld zu behalten und es nicht dem Konsum zu opfern, ist anscheinend geradezu niederträchtig. Denn Ruhe ist noch immer die erste Bürgerpflicht. Doch wird diese schon eine Weile nicht mehr per Befehl hergestellt. Dafür gibt es längst ein wirksameres Mittel: eben den Konsum. Wer einkauft, der revoltiert nicht.
Das ist wirklich ein Problem. Da wird dem Mob alles, aber auch wirklich alles hingebaut und hübsch gemacht, damit er sein eben grade vom Arbeitgeber überwiesenes Geld so bequem wie es nur geht ausgeben kann. Aber nein, er hält sich zurück. Da muss ein neues Gesetz her.
Die K. ist das Gegenstück zur bereits behandelten Lohnzurückhaltung und folgt aus ihr: Wer nichts in der Tasche hat, kann nicht besonders viel ausgeben.
K. ist eine nette Umschreibung für: Es herrscht Flaute, die Leute kaufen nichts (oder “kaum mehr”), insbesondere im Vergleich zum BIP-Wachstum. Das ist ein guter Indikator dafür, dass Unter- und Mittelschicht nicht am Wirtschaftswachstum teilhaben.
Bei einer exportorientierten Wirtschaft wie in Deutschland zeigt sich das vor allem bei der Binnennachfrage. Das widerlegt den Spruch “Deutschland geht es gut”, weswegen der eigentlich recht gut begründbar stagnierende Konsum als “Zurückhaltung” umetikettiert wird, so als ob die Leute das aus heiterem Himmel, also ohne Grund tun würden.
Nun, diese lästige Kaufzurückhaltung kann auch darauf hindeuten, dass die Werbefuzzis ihre Hausaufhaben nicht gemacht haben, weswegen wir Bürger keine neuen Bedürfnisse verspüren. Man sieht: Der Kaufzurückhaltung kann sich auch schuldig machen, wer – wie ich – eigentlich genug (bzw. zu viel!) auf dem Konto hat.