Werkzeuge, gefährliche

Rechtlich nicht definierter und sehr schwammiger Begriff der als Rechtfertigung dient, um Menschen grundlos zu durchsuchen. In der Linguistik heißen solche Wörter extensiv: Sie haben eine große Extension, d.h. sie können nahezu überall angewendet werden, weil ihre semantische Intension (die „Bedeutungsgenauigkeit“) sehr klein ist. Was sich auch daran zeigt, dass es ungefährliche W. eigentlich nicht gibt, schließlich kann auch ein Hammer ziemlichen Schaden verursachen. Trotzdem verfügte die Bundespolizei 2018 in einer sogenannten Allgemeinverfügung, dass es in Berlin auf bestimmten Bahnstrecken zu bestimmten Uhrzeiten verboten sei, gefährliche W. bei sich zu tragen. Die Bundespolizei meinte damit vor allem Messer, Beile oder Baseballschläger. Sie bezeichnete als W. allerdings jeden Gegenstand, „der durch menschliche Kraft gegen einen Körper in Bewegung gesetzt werden kann, um ihn zu verletzen“. An dieser allumfassenden Definition des ungenauen Begriffes W. zeigt sich, dass wirklich jeder Gegenstand erfasst sein sollte und nicht etwa nur Waffen. Ein Vorfall vom September 2002 belegt den Unsinn einer solchen Idee. Denn selbst eine Bibel kann ein gefährliches W. sein, mit dem man jemandem so „aggressiv stoßen“ kann, dass sich derjenige – hier Astronaut Buzz Aldrin – genötigt fühlt, den Angreifer zu schlagen. Das Berliner Verwaltungsgericht hat die Verfügung der Bundespolizei daher nun auch aufgehoben. Es sei „nicht klar feststellbar, welche Gegenstände von ihr erfasst sein sollten“.

Siehe dazu auchSchutzwaffe.

Nachtrag: Das Oberverwaltungsgericht Berlin bestätigte am 28. Februar 2019, dass das Verbot „gefährlicher W.“ in der S-Bahn rechtswidrig war. Unter anderem, weil der Begriff nicht bestimmt genug sei, denn das Verbot könne auch Alltagsgegenstände wie Schraubendreher, Korkenzieher, Nagelscheren etc. erfassen. Für die S-Bahnfahrer sei nicht erkennbar, welche Gegenstände sie bei sich führen dürfen und welche nicht. 

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6 Kommentare

  1. Liebe Sprachpolizei, wenn schon, denn schon: Nicht aufgehoben, sondern suspendiert — und diese Entscheidung ist noch nicht einmal rechtskräftig, sondern wiederum angefochten worden.

    Ansonsten beschäftigt euch mal bitte mit der Figur des *unbestimmten Rechtsbegriffs*, Rechtssprache muss notwendigerweise auf einem höheren Abstraktionsniveau stattfinden als Alltagssprache. Der Begriff des *gefährlichen Werkzeugs* ist vollkommen gebräuchlich und durch die Rechtsprechung ausgeformt.

  2. Lieber Herr Biermann,

    sicherlich würde es im Ermessen der Ordnungskräfte gelegen haben, welcher Gegenstand als gefährlich angesehen worden wäre. Das ist bei “Anscheinswaffen” ja auch der Fall (die Polizei muss ja im Vorhinein eine Situation einschätzen, sonst wäre sie als Schutzfaktor nicht wirksam).

    Und ich muss auch Ihre Formulierung “grundlos zu untersuchen” kritisieren: ohne jemanden zu untersuchen, wird man kaum den Sprenggürtel finden, der unter der Jacke versteckt getragen wird. Im Grunde ist jede Untersuchung durch die Polizei bzw. durch Ordnungskräfte somit grundlos. Bei Großveranstaltungen besteht sogar ein Generalverdacht gegenüber sämtlichen Besuchern.

    Insofern scheint mir dieser Artikel wiedermal vom Geist eines adoleszenten Hippies inspiriert zu sein.
    Die Welt hat sich aber inzwischen weitergedreht.

    Herzliche Grüße

  3. Lieber Herr Naumann,
    adsoleszenter Hippie ist eine neue Beschimpfung, so hat mich noch niemand genannt, danke dafür. Genau das von Ihnen erwähnte Ermessen der “Ordnungskräfte” ist das Problem bei dieser Anordnung. Denn ihr Ermessensspielraum ist so groß, dass er alles umfasst, wie wir es versucht haben darzustellen. Und wie es auch das Gericht in seinem Urteil kritisierte. Polizei darf in Grundrechte eingreifen, aber diese Eingriffe müsse klar definiertr und vor allem begrenzt sein. Immer. Auch wenn sich die Welt weitergedreht hat – ich nehme an, sie meinen damit, sie sei gewalttätiger geworden? Nebenbei, das ist sie nicht, das scheint Ihnen nur so. Die Zahlen der gemessenen Kriminalität sinken.
    Herzliche Grüße

  4. Lieber Herr Biermann,

    aber die Einschätzung der Gesamtsituation ist etwas, was man nicht in Buchstaben fassen kann. Ich denke eine gewisse Portion Intuition und Berufserfahrung als Polizist gehört dazu, um einschätzen zu können, ob eine kleine Oma mit einem Hammer gefährlicher ist als ein ausgewachsener Schläger mit einer Bibel in der Hand.

    Und ja, die Welt hat sich insofern weitergedreht, als dass die Dienstuniform eines Polizisten keinen Respekt und Anstand, also Grundwerte der Zivilisiertheit, mehr einfordert, sondern, im Gegenteil als Zielscheibe für Elemente herhält, die glauben, die Welt sei für sie ein Selbstbedienungsladen, in dem sie sich ohne Konsequenzen austoben können.
    Genau deshalb finde ich, und nicht nur ich allein, dass die Polizei mehr Kompetenzen erhalten sollte, statt weniger.

    [Dieser Satz des Kommentars wurde wegen Gewaltaufrufs entfernt.]

  5. Noch etwas sehr interessantes, was mir fast entgangen wäre: Sie haben in Ihrer Antwort das Wort Ordnungskräfte in Anführungsstriche gesetzt. Das ist unbeschreiblich, beinahe indiskutabel. Sie werden bei mir jedenfalls nicht Bundeskanzler.

    lg

  6. [Dieser Satz des Kommentars wurde wegen Gewaltaufrufs entfernt.]

    Es war kein Gewaltaufruf. Nun scheint es aber so, als wäre es einer gewesen. Das ist Zensur in Reinstform. Herr Biermann sollte sich schämen. Aber mein Land bleibt frei. Daran kann und wird auch dieser Kleinstgeist nichts ändern.

    Beste Grüße von der revolutionären Front, hihi.

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