abstrakt hoch

Abstrakt kommt vom lateinischen Verb abstrahere ‚entziehen‘. So ist die abstrakte Malerei eine, die dem realistischen Abbild entzogen ist beziehungsweise sich von ihm entfernt hat. Eine abstrakte Gefahr ist eine, die sich nicht konkretisiert, vgl.: konkret von concrescere (lat.) ‚zusammenwachsen, erwachsen‘. Sie ist also weniger bedrohlich als eine unmittelbar drohende, konkrete. Das wirft erstens die Frage auf, ob sie damit überhaupt noch eine Gefahr ist. Wird diese doch definiert als (konkrete) Wirkung einer (bis dahin abstrakten) Gefährdung. Zweitens passt zur Gefahr nicht das Adjektiv hoch. Im deutschen sind Türme hoch, Gefahren jedoch sind groß. Das kommt daher, dass die erwähnten Türme sich prima messen lassen, Gefahren eher nicht so, hoch aber nun einmal die Mess- und Vergleichbarkeit auf einer Skala impliziert.

Wenn also der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns Lorenz Caffier (wie viele andere Angstmacher Sicherheitspolitiker vor ihm) sagt, die Terrorgefahr sei abstrakt hoch, dann legt er einerseits nahe, das Risiko sei enorm. Nur um diesen Gedanken mit dem adverbialen abstrakt sogleich wieder zunichte zu machen und eigentlich, wenn auch unwillentlich auszusagen, dass es wohl eher hochabstrakt ist. Sprachlich zumindest hatten wir da schon begabtere Kraftmeier. Karl-Theodor zu Guttenberg beispielsweise. Der immerhin sagte, als er noch ein Amt inne hatte, die Gefahr von Anschlägen sei für manche „abstrakt“, tatsächlich aber „hochkonkret.

Dass sich das Konkrete nicht mehr steigern lässt, soll hier gnädig ignoriert werden, denn es geht um etwas anderes: All diese Wortakrobaten nämlich versuchen das Unmögliche: die Bürger zu warnen und gleichzeitig zu beruhigen. Denn sie sollen sich gerne ein bisschen gruseln, um neue Überwachungsgesetze toll zu finden, aber sie sollen nicht gleich abhauen. Wer will schon Wähler verschrecken. Da das nicht beides gleichzeitig geht, und sie (die Kraftmeier, nicht die Bürger) die Klappe nicht halten wollen, kommt obiger Wahnwitz heraus.

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15 Kommentare

  1. Mhmm..

    Wieso ist eine Gefahr nicht “hoch”? Eine Gefahr wird gemessen aus Eintrittswahrscheinlichkeit multipliziert mit Schaden. So erhält man einen Wert (meistens Geld), der verschiedene Gefahren an einer Skala vergleichbar macht.

    Gruß

    Georg

  2. Innenminister heissen Sicherheitspolitiker sondern Risikopolitiker, weil das abstrakt hohe Risiko besteht, dass sie in unkonkret absehbarer Zeit zu Schadpolitikern werden. Sie sind also potentielle Gefährder der FDGO. Warnschußarrest wäre da wohl das Mindeste. Das Mindeste.

  3. Bitte vorherigen Kommentar ignorieren. Ich meinte natürlich:

    Innenminister heissen nicht Sicherheitspolitiker sondern Risikopolitiker, weil das abstrakt hohe Risiko besteht, dass sie in unkonkret absehbarer Zeit zu Schadpolitikern werden. Sie sind also potentielle Gefährder der FDGO. Warnschußarrest wäre da wohl das Mindeste. Das Mindeste.

  4. Um hier mal klugzuscheißen: Caffier ist der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, nicht der “Mecklenburgische Innenminister”. Als jemand, der in Vorpommern wohnt, finde ich das wichtig. Sonst toller Beitrag ^^

  5. @K.F. Da wir hier ja auch dauernd klugscheißen, machen wir Caffiers Berufsbezeichnung gern noch konkreter :)

    lg
    k

  6. “Der mecklenburgisch-vorpommersche Innenminister” wär dann aber doch irgendwie schicker gewesen :)

  7. @Uli Bei den Bindestrich-Bundesländern bekommt nur der zweite Teil eine Adjektivendung: baden-württembergisch, nordrhein-westfälisch, sachsen-anhaltinisch, mecklenburg-vorpommersch, schleswig-holsteinisch, weil sie als Einheit verstanden werden, anders: rheinisch-westfälisch, fränkisch-thüringisch usw.

  8. @Georg Peters “Wieso ist eine Gefahr nicht “hoch”? Eine Gefahr wird gemessen aus Eintrittswahrscheinlichkeit multipliziert mit Schaden. So erhält man einen Wert …”

    Sprechen Sie doch mal “eine hohe Gefahr” ein paar Mal vor sich hin, setzen Sie es in verschiedene Kontexte und versuchen zu hören, ob es nicht vielleicht quietscht der knirscht. Sie werden sehen: Es geht einfach nicht.

  9. “… hoch aber nun einmal die Mess- und Vergleichbarkeit auf einer Skala impliziert.”
    Tut es das wirklich? Das ist mir zu hoch!

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