Der K. entstand einst als Gegenbewegung zur Aufklärung. Er basiert auf dem Gedanken, dass die menschliche Vernunft, das zentrale Konzept der Aufklärung, unzulänglich ist im Verhältnis zu Gott.
Ein konservatives Volkslied über die “thörichte Aufklärung” fordert zum Beispiel:
O laßt mich doch bei meiner Bibel,
laßt mich in meiner Dunkelheit,
denn ohne Hoffnung wird mir übel
bei dieser aufgeklärten Zeit,
und ohne Hoffnung bin ich hier
ein elend aufgeklärtes Thier.
Wir halten fest: Die Aufklärung war ursprünglich das Feindbild des K., wünschte diese doch die „Befreiung vom Aberglauben“ und „die Maxime, jederzeit selbst zu denken“ (Kant). Der K. hingegen legt Wert auf ein wenig Dunkelheit, auch wenn das heute lieber als Bewahrung althergebrachter Werte verbrämt wird. Eine durchaus geschickte Umdeutung. Nicht mehr um die Ablehnung alles Neuen geht es nun, sondern um die Bewahrung von ein wenig Altem.
Doch scheint inzwischen auch das nicht mehr zu genügen. Der gemeine Konservative sieht sich und seine Haltung offenbar noch immer nicht genug gewürdigt. Das Magazin „Der Spiegel“ versucht sich daher an der Definition eines aufgeklärten K. Der Feind wird nun umarmt. Zumindest unterstellt das Magazin, der Verteidigungsminister wünsche sich einen solchen für seine christliche Partei. Es darf als unwahrscheinlich gelten, dass sich das Feindbild der Konservativen gewandelt hat. Denn Konservativismus ist eben nicht aufgeklärt und wird es auch nicht dadurch, dass ihm ein entsprechendes Adjektiv als Attribut zur Seite gestellt wird. Technisch ist das ein Oxymoron. Politisch ist es eine Tarnung, um Menschen zu täuschen. Das hat Methode, wird der Minister bei „Spiegel Online“ doch zugleich als moderner Konservativer bezeichnet. Beileibe keine neue Idee. Und mindestens ebenso verräterisch wie der mitfühlende Liberalismus, den die FDP ausgerufen hat.
Fast so gut wie “moderater Islamist”…
Ein bißchen vorsichtiger sollte man schon sein. Natürlich ist der Konservativismus als Gegenposition zu Aufklärung entstanden und der Begriff darum so etwas wie eine heiße Kälte, aber daß er Wert legt auf ein wenig Dunkelheit: damit ist’s nicht so einfach. Der klassische Konservativismus war nicht gegen die Vernunft, meinte nur, daß die Aufklärung eine falsche Vorstellung von Vernunft habe. Das kann man auch heute noch in jeder Rede des Prof. Ratzinger hören.
Gruppenspezifischer Diskriminierung anhand von Verallgemeinerungen und Stereotypen ist ganz schön bähh. Auch bei DEN Konservativen. Das sollte man doch irgendwann mal gelernt haben Herr Haase, oder?
Es handelt sich nicht um Neusprech, sondern um eine Umdeutung des Begriffes. Wenn man den Unionspolitikern zuhört, dann weiß man, dass sie ihren Begriff eben nicht auf eine “Gegenbewegung” zur Aufklärung zurückführen. Es geht ihnen ausdrücklich um den heutigen “Wertekanon”.
Sog. aufgeklärte konservative Politik verteidigt heute genauso wie die meisten Strömungen die Errungenschaften der Aufklärung für das Individuum. Ein Konservatismus muss sich immer auf die Lage seiner Zeit beziehen, denn er kann nur das “beschützen” wollen, das ihn sozialisiert hat.
Sie reiten eine Chimäre.
Endlich mal eine treffende Definition von Konservativismus. Super!
@ccs:
Es handelt sich nicht um Diskriminierung, wenn man sagt, daß der Konservativismus gegen die Aufklärung ist: das ist sein Wesen, dazu hat er sich immer bekannt und damit hat er ja vielleicht auch recht. Wenn Sie in dem Artikel Diskriminierung erkennen, müßten Sie genauer sagen, wo die steckt.
@VonFernSeher:
Da ist was dran. Es stimmt, daß der Konservativismus ständig gezwungen ist, das zu verteidigen, was er einst heftig bekämpft hat (klassische Beispiele: die bürgerliche Familie, bedingt auch den Kapitalismus). Und doch hält sich die Kritik am Wesentlichen der Aufklärung (etwa am konstruktivistischen Denken, an der Autonomie des Subjekts, oder am utilitaristischen Menschenbild der liberalen Aufklärung) durch; würde das aufgegeben, gäbe es einfach keinen Konservativismus mehr.
Das hindert nicht daran, Elemente des aufklärerischen Denkens in das eigene zu integrieren, so weit das eben möglich ist. Z.B. unterlag auch der Konservatismus, so sehr zur Zeit seiner Entstehung die Verteidigung des Christentums für ihn essentiell war, der Säkularisierung. “Gott” wurde etwa durch “Geschichte” oder “Natur” (oder “Leben”) ersetzt. Das führte jedoch nicht oder kaum jemals dazu, daß mit diesen Begriffen das gleiche gemeint war wie das, was die Aufklärung meinte. “Natur” etwa pflegt dann die Struktur dessen zu haben, was man früher “Gott” nannte.
@Ludwig Trepl: Diskriminierung war vielleicht nicht das 100% passende Wort. Ich hätte wohl eher Bashing verwenden sollen. Ich finde es nur interessant, dass ausgerechnet diejenigen, die immer so darauf bedacht sind, dass gruppenspezifische Verallgemeinerungen überhaupt nicht zulässig sind, bei _den_ Konservativen plötzlich alles vergessen haben. Es gibt eben nicht den Konservatismus, denn man an irgendwelchen Einzelzitaten (dazu noch veraltet) von Personen fest macht und der dann verallgemeinernd dem Konservatismus zugeordnet werden kann. Es erinnert mich nur an Diskussion auf anderen Seiten, wo zum Beispiel Islam+Aufklärung als Oxymoron, ja sogar als politische Tarnung und Täuschung bezeichnet werden. Praktisch der identische Wortlaut wie im Artikel. Hier sind es nur eben plötzlich _die_ Konservativen, die unter antiaufklärerischem Generalverdacht stehen und denen bestimmte Dinge allgemein abgesprochen werden.
@Ludwig Trepl
Ich bin auch gläubig, in dem Sinne wie es einige Aufklärer waren und nicht in dem, wie es viele CSU-Mitglieder sind, aber ich denke nicht, dass die Natur bei den Aufklärern und z.B. der klassische oder der romantische Begriff der beseelten Natur sich ausschließen. Die Frage ist wohl, wie man Kants Ideen annähme, würden sie heute noch einmal veröffentlicht. Wahrscheinlich würde er dann als konservativ eingeordnet, weil er eben kein Kind unserer Zeit ist.
Entscheidend ist doch, dass diejenigen, die sich als aufgeklärt konservativ bezeichnen, das Wort eben nicht in diesem Kontext benutzen, in den es dieser Artikel setzt, sondern damit tatsächlich auf die “Bewahrung der Werte” abzielen. Das mag ja geschichtsvergessen sein, aber kein Neusprech.
Es mag noch Konservative in der CDU geben, die meisten dieser Leute aber, die eine solche Selbstbezeichnung pflegen, sind keine Konservativen – also Gegenaufklärer – mehr. Zumindest wenn man der Definition des Begriffs folgt, der im Text vertreten wird.
Allerdings: ‘Gegenaufklärer’ bezeichnen sich selber lieber als Reaktionäre, gerade weil der Begriff ‘konservativ’ zur aufklärerischen Hure verkommen ist und heuer auch Grüne und Linke sogenannten konservativen Positionen nicht mehr abgeneigt sind. Siehe Stuttgart 21, einen Protest den SPON zum ‚neuen Konservatismus‘ umdeutet. Mit einer gewissen Berechtigung, weil die Grünen teilweise sogar reaktionäre Ziele in moderner Phraseologie hochleben lassen.
Burke ist aus heutiger Sicht eher ein Reaktionär, denn ein Konservativer, weil seine Kritik an der Französischen Revolution von fundamentaler Natur war. Fundamentalkritik an der Aufklärung, die durchaus ihre Berechtigung hat, ist aus der Mode gekommen. Aber es gibt sie noch, sofern sie nicht gleich niedergeschrien wird.
Im Übrigen, dass sich begriffliche Inhalte im Laufe der verschieben, gehört zur Natur einer lebendigen Sprache. Insofern ist ihr Text wenig aufklärerisch, eher entspringt er einem konservativen Denken, nachdem die Natur der Begriffe nicht veränderbar ist. Was früher als ‚konservativ‘ galt, muss heuer auch als solches gelten. Das ist nicht sonderlich ‚evolutionär‘ gedacht. Sofern sie mir den ironischen Einwurf gestatten. Die Zeit ist eine Variable, die man in keiner Gleichung vergessen sollte.
Zudem gibt es ‘den Konservativen’ so wenig wie ‘den Aufklärer’ oder ‘den Reaktionär’. Begriffsdefinitionen bilden Schnittmengen in der ein Element (Individuum) einer wohldefinierten Menge gleichzeitig Mitglied einer ober mehrerer andere Menge sein kann. Mengenlehre ist nicht jedermanns Sache.