Das kommt sicher unerwartet: Wir haben uns im März endlich wieder zu einem Neusprechfunk zusammengesetzt. Nach unserem bisher besten Jahr, als nämlich 2018 eine ganze Serie von Podcasts erschien, bleibt zwar eine Lücke, aber wir hoffen, dass wir noch nicht aus allen Feed-Readern geflogen sind.
Der aktuelle Podcast ist die Nummer 17 in unserer Reihe. Er ist natürlich auch wieder als ogg-Version verfügbar.
Nach vier Jahren Pause reden wir erst einmal darüber, was wir im Neusprechfunk™ eigentlich so wollen und tun. Und darüber, was wir in der Vergangenheit so getan haben. Unter anderem ein Buch geschrieben. Das ist zwar nun auch schon wieder elf Jahre her, aber es ist immernoch lieferbar. Wer möchte, gern hier entlang.
Wir raten außerdem, wer mit den Intermediären gemeint ist, einer Wortneuschöpfung, die im Medienstaatsvertrag als neue Kategorie eingeführt wurde.
Eines unserer Themen ist die Verkehrspolitik des aktuell dafür zuständigen Ministers, Volker Wissing von der FDP – und natürlich ihre sprachliche Vernebelung. Er fordert beispielsweise Technologieoffenheit, also Offenheit für jedwede Technologie. Allerdings meint er damit keine neuen und vielleicht viel besseren Ideen zur Fortbewegung. Er will mit diesem Argument vielmehr die sehr alte Technik des Verbrennungsmotors verteidigen, damit sie nicht verboten wird, wie es die EU gern täte.
Da das angesichts der umweltzerstörenden Wirkung dieser Motoren nicht mehr so gut ankommt, möchte Wissing sogenannte E-Fuels verbrannt wissen. Auch wenn das energetisch ziemlich ineffizient ist. Wir beschäftigen uns mit dem Unsinn sprachlich, am Rande aber auch ein wenig technisch.
Dabei taucht mal wieder einer unserer liebsten Neusprechbegriffe auf, nämlich der angeblich lebende und fordernde →Markt. Hier soll dieser dem Minister sogar etwas abnehmen, eine Entscheidung. Die will Wissing nicht selber treffen, sondern lieber abwarten, was sich „dann am Markt durchsetzt“. Wozu es Entscheider wie Wissing braucht, wenn der Markt das doch alles selber kann, das weiß der Fuchs. Die zitierten Zitate des Markt-Verkehrs-Ministers finden sich übrigens hier beim Deutschlandfunk.
Wegen der doch recht langen Zeit, die seit dem letzten Podcast vergangen ist, und weil wir ohnehin eine Schwäche für den Zeitgeist haben, werfen wir einen Blick zurück auf die Wörter des Jahres 2020. Dabei fiel uns auf: Wir sind systemrelevant.
Wir sprachen außerdem über:
- die „Hightech Agenda Bayern“ (sic) und CleanTech,
- den Koalitionsvertrag „Zukunftshauptstadt Berlin“, der auch eine Schulbauoffensive enthält,
- den schon erwähnten Medienstaatsvertrag und die darin enthaltenen „Medienintermediäre“.
Hier ist der Podcast als mp3.
Podcast: Play in new window | Download
Eigentlich schön am Zitat von Wissing zum Markt ist doch, dass man ihn JETZT nicht regulieren darf. Jetzt grade wäre ganz falsch. Morgen vielleicht schon eher. Da macht es dann vielleicht Sinn. Aber wann genau? Schwierig. Lässt er sich offen. Schließt er rein rhetorisch aber nicht aus. Was bei einem FDP Verkehrsminister auch schon wieder irgendwie drollig ist.
Das ist ja wunderbar. Ich dachte der Podcast wäre Geschichte. Ich freue mich euch wieder zu hören!
Wie schön, dass es eine neue Folge gibt. Ich hatte euch zwar noch im Podcatcher gespeichert, aber ganz technologieoffen habe ich zuerst bei Mastodon davon gehört. In diesem Sinne: Ich bekenne mich zum Neusprech-Podcast.
Schön dass ihr wieder funkt! Eine Anmerkung zum Thema “Fußgängenden”-Lobby: Es gibt den FUSS e.V. als Fachverband Fußverkehr Deutschland, sowie Umkehr e.V. als Vertretung für Fuß- Rad- und ÖP(N)V-Interessen.
Schön, dass es hier auch akustisch weitergeht, danke dafür!
Hier im Südwesten (Freiburg) sagt man für “kleben” auch “beppen”, der Aufkleber (Sticker) ist ein Bepper. Letztens habe ich zwei Leute darüber reden gehört, “wo denn die Bepper heute saßen”. Das klang für mich noch eine Größenordnung abwertender als “Klimakleber”.
Aber auch sonst habe ich den Eindruck, dass “dann klebe ich mich an XYZ fest” gerne für “Ich bin bockig, erreiche damit nichts, habe aber wenigstens auch Euch genervt” verwendet wird.
schön, dass ihr zurück seid!
Die Diskussion über Technologieoffenheit ist ja mal total daneben.
Kai führt den Ersatz von Pferdekutschen durch Autos an – und widerlegt damit eigentlich sein gesamtes Argument zugunsten Verboten. Denn: wo war denn das Pferdekutschenverbot? Das gab es nicht. Die ältere Technologie hatte Mängel (Pferdemist, die Notwendigkeit sich ständig um seine Pferde zu kümmern, höhere Kosten für kürzere Distanzen, die damit zurückgelegt werden konnten) und deshalb haben sich die Menschen in freier Entscheidung für die überlegene Technologie entschieden.
Beim Ersatz von Autos, die einen CO2-Ausstoß verursachen und denen, die das nicht tun, sieht die Sache ein wenig anders aus. Die schädliche Auswirkung von CO2 betrifft nicht den Autoanbieter oder den Autonutzer, sondern Dritte (der Ökonom würde von einer negativen Externalität sprechen). In einem freien Markt löst sich dieses Problem nicht von selbst. Die Politik muss eingreifen.
Ihr verschweigt natürlich vollkommen, dass sich die FDP für eine Bepreisung von CO2-Emissionen einsetzt, nämlich dem europäischen Emissionshandel (EUETS). So kann man es natürlich (bewusst) so aussehen lassen, als ob die FDP gar keine Klimaschutzmaßnahmen vorsieht. Ich darf daran erinnern, dass der Emissionshandel hinsichtlich seiner bisherigen Bilanz zu CO2-Einsparungen die bei weitem erfolgreichste politische Maßnahme ist. Kein anderes politisches Mittel hat in so kurzer Zeit zu so geringen Kosten so viel CO2 eingespart. Wer mir nicht glaubt möge das auf den Seiten des Umweltbundesamtes nachlesen. EEG und Ordnungsrechtliche Maßnahmen stehen dagegen in ihrer Kosten-Nutzen-Bilanz ziemlich schlecht da. So sieht das auch der Sachverständigenrat zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Und wir tun gut daran, effiziente Methoden gegenüber ineffizienten zu bevorzugen: 100 Euro die ein Bürger in Form einer politischen Maßnahme für die Einsparung einer Tonne CO2 ausgibt können nicht hinterher nochmal für eine andere Maßnahme ausgegeben werden, die vielleicht 10 Tonnen CO2 eingespart hätte. Effizienz lohnt sich. Kürzlich (19.12.22) wurde der Emissionshandel übrigens auf die Bereiche Verkehr und Gebäude ausgeweitet. Dass das Europäische Parlament 2 Jahre für dieses Gesetzgebungsverfahren gebraucht hat, kann man natürlich kritisieren.
Was das Gestalten der Politik anbelangt: warum ist es für euch so abwegig, dass Politiker anerkennen, dass individuelle Bürger angesichts dessen, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse, Einschränkungen und Wünsche am besten kennen, auch bessere individuelle Entscheidungen treffen als irgendein toller Politiker oder oberschlaue Beamte? Der Politiker sorgt für das gesamtgesellschaftliche Ziel: CO2 einsparen. Durch eine CO2-Bepreisung wird dem individuellen Bürger zugestanden, dass er durch Kenntnis seiner eigenen Umstände den für ihn praktikabelsten Weg findet, CO2 einzusparen. Der eine tut das vielleicht, indem er (angesichts höherer Preise) auf Kurzstreckenflüge verzichtet. Ein anderer spart sich (angesichts höherer Preise) das Auto, kann aber beruflich nicht auf Fliegen verzichten. Wieder ein anderer spart vielleicht besonders viel Strom. Das ist der Markt: die Interaktion von individuellen Eigeninteressen. Solange das Ziel der CO2-Einsparung unterm Strich erreicht wird, sehe ich nicht, in wie fern Politiker da noch darüber hinaus “gestalten” sollten. Wir brauchen nicht Politik nur der Politik halber.
Ein weiterer Punkt: Kai meint E-Fuels seien eine bereits bekannte Technologie, bekanntermaßen ineffizient und daher keine Innovation. Wer so argumentiert, für den existiert keine Innovation. Elektroautos gibt es schon sehr lange – erst in den letzten Jahren wurden sie effizient. Das ist Innovation. Bakteriophagen sind eine Technologie, die in der Sowjetunion mangels Antibiotika eingesetzt wurden. Nun könnten sie vielleicht für antibiotikaresistente Keime eingesetzt werden. Das wäre Innovation. E-Fuels sind bisher ineffizient. Vielleicht werden sie effizient in 10 Jahren, vielleicht in 20, vielleicht erweisen sie sich tatsächlich als totalen Reinfall. Wenn sie zukünftig effizient eingesetzt werden können ist das Innovation. Wie könnt ihr das jetzt schon so genau wissen? Wieso maßt ihr euch solches Wissen an? Sowohl Corona als auch der Ukraine-Krieg haben unsere Klima- und Energiepolitik beeinflusst. Habt ihr das auch schon Jahre vorher vorhergesehen? Wieso maßt ihr euch solches Wissen über die Zukunft an?
Schön das ihr zurück seid.
Vielen Dank.
Huhu!
Das ist ja eine schöne Überraschung :)
Vielen Dank für die neue Ausgabe.
(Ihr führt somit wieder bei meinem kleinen Spiel Alternativlos vs. Neusprechfunk :D *Weintrinkerjubel*)
Eine kleine Bitte / Anregung: könnt ihr die alten Folgen auch in den Feed tun? Manchmal ist es schön, alte Folgen nachzuhören. Die älteste Folge dort ist Folge 8.
Oh, und hübsche neue Website!
Liebe Grüße
timte
Zum Thema Corona, ihr habt ja erwähnt, dass es Coronaviren schon länger gibt und dass die Erkältung machen. Das ist korrekt, aber es hat vor Covid (SARS-CoV-2) schon zwei Pandemien durch Coronaviren gegeben: SARS (SARS-CoV-1 2002) und MERS (MERS-CoV 2012). Beide waren Grund warum die WHO die neue Variante als so schlimm eingestuft hat (MERS hat eine Todesrate von 34%).