„Das Ziel muss größtmögliche Sicherheit sein. Dem sollte alles untergeordnet werden.“

Sicherheit, Sicherheit über alles, über alles in der Welt. Dieses Lied singen konservative Politiker gern, da ihre Wähler im Rentenalter es gern hören. Gerda Hasselfeldt, 66 Jahre alt und Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, singt es derzeit nahezu wörtlich. „Das Ziel muss größtmögliche Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger sein. Dem sollte alles untergeordnet werden“, sagte sie der Zeitung Passauer Neue Presse.

Ja, der Staat sollte alles in seiner Macht stehende tun, damit seine Bürger sicher leben können. So steht es sinngemäß in Artikel zwei des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Aber diese Macht ist nicht grenzenlos und darf es nicht sein. Denn dieses Recht steht nicht über allen anderen, auch wenn ein Unionspolitiker behauptete, Sicherheit sei ein → Supergrundrecht.

Damit der Staat in seinem Handeln nicht zu weit geht, gibt es viele andere Grundrechte, an die er gebunden ist: Er muss sich an Gesetze halten, er muss Freiheiten gewähren, er muss sich und seine Mittel beschränken. Diese Grundrechte sollen verhindern, dass der Staat in seinem Versuch, Sicherheit zu gewährleisten, zu einem Polizei- oder gar zu einem Überwachungsstaat wird, der seine Bürger zu Geiseln und Gefangenen macht. Denn in einem solchen Staat müssten sich die Bewohner vor den Terroristen und vor der Willkür der Polizei fürchten. Wer alles der Sicherheit unterordnen will, zerstört diese Freiheitsrechte und damit den Rechtsstaat.

Dazu ein Zitat des früheren Verfassungsrichters Hans-Jürgen Papier:

„Der Sicherheitszweck des Staates, der mit seinem Gewaltmonopol Frieden und Sicherheit zu gewährleisten hat, darf aber auch nicht gegen den liberalen, staatsbegrenzenden und freiheitsverbürgenden Zweck des Rechtsstaats ausgespielt werden. Das gilt umgekehrt selbstverständlich genauso. Ein Rechtsstaatsverständnis, das einseitig von der Gewährleistung der Sicherheit des Bürgers und nicht zugleich von der Staatsabwehrdoktrin beherrscht wird, gibt den Rechtsstaat selbst preis.“

Strafverfolgungsvorsorge

S. ist ein ein relativ neues juristisches Konzept. Es redet staatliche Repressionen schön, die angewandt werden, bevor eine Straftat begangen wurde. Damit ist die Hoffnung verbunden, Straftaten vielleicht verhindern zu können. Gemeint sind insbesondere Video- und Computerüberwachung, Vorratsdatenspeicherung, die Sammlung biometrischer Daten, Mautdaten usw. Die S. ist ein positiv konnotiertes Wort, denn Vorsorge klingt immer gut. Wie die Wortlänge vermuten lässt, handelt es sich dabei sogar um einen ernst gemeinten Fachterminus. Ein ganzer Strauß von Gesetzen beschäftigt sich inzwischen mit diesem Bereich der Gefahrenabwehr. Er kommt allerdings aus dem Science-Fiction-Genre, denn es handelt sich um nichts anderes als Precrime. Und genauso fiktiv ist der Nutzen der S.: Keine der oben angeführten → Maßnahmen verhindert nachweislich Verbrechen. Dafür handelt es sich immer um Grundrechtsverletzungen. Denn wenn die Strafverfolgung beginnt, bevor es eine Straftat gab, sind immer Unschuldige betroffen, selbst wenn die S. ausnahmsweise tatsächlich richtig liegen sollte und auf die richtigen zukünftig Schuldigen trifft. Vgl. auch → Schleierfahndung

Obergrenze

Foto: Jessika Scheel CC-BY-ND https://www.flickr.com/photos/96193264@N02/10456889833/
Foto: Jessika Scheel CC-BY-ND https://www.flickr.com/photos/96193264@N02/10456889833/

Wenn etwas eingeschränkt werden soll, müssen Grenzen definiert werden – eine nach unten, die die Mindestmenge festlegt, die zugelassen ist, und eine O., die die gewünschte Höchstmenge beschreibt. Es gibt keine Mindestzahl von Zuwanderern, die sich Deutschland wünscht, also keine Untergrenze. Trotzdem spricht insbesondere die CSU ständig von einer O. Das Kompositionselement Ober- ist jedoch überflüssig (pleonastisch), weil eine Untergrenze gar nicht zur Debatte steht. Allerdings klingt O. weniger schlimm als einfach nur Grenze oder Begrenzung. Es klingt, als wäre eine gewisse Menge an Flüchtlingen völlig in Ordnung, als gäbe es ausgefeilte Pläne und Überlegungen, wie viele von ihnen für Deutschland gut, ja optimal wären.

Das ist natürlich Unsinn. Es lässt sich gar nicht planen, wie vielen Menschen die Flucht bis nach Deutschland gelingt. Und Hilfesuchende können aufgrund des Asylgrundsatzes im Grundgesetz auch nur schwer abgewiesen werden. Ganz abgesehen davon, dass sich das schon aus ethischen Erwägungen verbietet. Die CSU greift deshalb zu einem Trick: Sie spricht von O., und alle Stammtische verstehen darunter, dass die Zahl der Flüchtlinge begrenzt wird. Die CSU meint aber die O. von Zuwanderung, und das ist natürlich etwas ganz anderes als die Aufnahme von Geflüchteten. In Deutschland ist Zuwanderung sehr schwierig, weil Deutschland kein Einwanderungsgesetz hat. Zuwanderung ist nur in Ausnahmen überhaupt möglich, am ehesten funktioniert sie noch, wenn man einen Deutschen oder eine Deutsche heiratet. Um so leichter kann die CSU von einer O. für Zuwanderer schwadronieren und dabei hoffen, dass viele darunter etwas anderes verstehen. So lässt sich eben auch erklären, warum die Forderung nach eine O. für manche nicht im Konflikt zum Grundgesetz steht.

Technikoffensive

Die T. wird trotz oder vielleicht auch wegen ihres martialischen Ursprungs hierzulande positiv verstanden. Autohersteller verkünden sie gerne mal, oder auch Supermarktketten, wenn sie Computer ins Angebot nehmen. Wir mögen hierzulande Technik und wir mögen Neuerungen und dass die Offensive eigentlich einen militärischen Angriff und angriffslustig meint, findet offenbar niemand schlimm. Schon gar nicht der Bundesinnenminister. Der wünscht sich eine T.: Am 21. August sagte Thomas de Maizière in der Bild am Sonntag (nur gegen Bezahlung online verfügbar) auf die Frage, welche Dinge die Behörden bräuchten, um Terroristen zu bekämpfen:

„Wir brauchen eine Technikoffensive für die Sicherheitsbehörden. Und einige Gesetzesänderungen.“

Ignorieren wir mal, dass es in den vergangenen Jahren zum Thema Terrorismus sehr, sehr viele Gesetzesänderungen gab, die allesamt Gesetzesverschärfungen waren, und bleiben wir bei der T. Auf die Nachfrage, was er denn damit meine, sagte der Innenminister:

„Es gibt für Privatpersonen die Möglichkeit, jemanden zu fotografieren und mit einer Gesichtserkennungssoftware im Internet herauszufinden, ob es sich um einen Prominenten oder einen Politiker handelt, den man gerade gesehen hat. Ich möchte eine solche Gesichtserkennungssoftware an den Videokameras an Flughäfen und Bahnhöfen einsetzen. Wenn dann ein Verdächtiger auftaucht und erkannt wird, zeigt das System das an.“

DoD photo by Staff Sgt. Bennie J. Davis III, U.S. Air Force
DoD photo by Staff Sgt. Bennie J. Davis III, U.S. Air Force

Die T. ist also eine Umschreibung für Gesichtserkennungstechnik an Flughäfen und Bahnhöfen, somit ein Euphemismus. Und die ganze Forderung ist übrigens Populismus. Das können doch sowieso schon alle, sagt der Innenminister als Begründung, dann sollen es doch auch Polizei und Geheimdienste können dürfen. Und ignoriert dabei, dass es derzeit durchaus noch erlaubt ist, Facebook und Google nicht zu nutzen oder dort sein Gesicht zu verbergen. Doch wer am Flughafen oder im Straßenverkehr seinen Schleier nicht lüftet, bekommt schnell Probleme.

Video-Technik

Foto: Kai Biermann CC BY-SA

Eine zentrale Forderung der Berliner CDU ist die nach „mehr V.“. Das klingt natürlich gut. Mehr Technik ist immer famos, denn jeder denkt dabei an Fortschritt. Doch gerade in diesem Kompositionselement liegt die Verharmlosung. Denn was die CDU eigentlich meint, ist mehr Videoüberwachung. Sie vermeidet jedoch das negativ besetzte Wort Überwachung, indem sie stattdessen von Technik spricht. Es handelt sich also eindeutig, um einen Euphemismus, eine Beschönigung. Die jedoch nichts daran ändert, dass der öffentliche Raum und damit Unschuldige überwacht werden sollen. Siehe auch Videoschutz.