Regelstudienzeit

Eigentlich die Zeit, die ein Studierender bei einem Vollzeitstudium benötigt, um einen Studiengang regulär – also den Regeln entsprechend – zu absolvieren. Diese Zeit brauchen Studenten mindestens. Wenn nichts dazwischen kommt; beispielsweise ein überfülltes Seminar, in dem sie keinen Platz mehr finden. Gemeint ist mit der R. aber eine durchschnittliche, oft gar eine maximale Dauer des Studiums. So erhalten BAföG-Empfänger einen Rabatt, wenn sie ihr Studium schneller absolvieren als eben in der R. Die hier mit der „Förderungshöchstdauer“ gleichgesetzt wird. Denn wer länger braucht, bekommt kein BAföG mehr. Der Staat geht also davon aus, dass es problemlos möglich ist, schneller zu studieren, als es die Regeln und Anforderungen eines Studienfaches vorsehen. Somit wird etwas, das eigentlich als Minimum zu verstehen ist, in das Maximum umgedeutet.

Gesundheitsprämie

Nicht nur Sekten versprechen ihren Anhängern Erlösung von den Widrigkeiten des Lebens, Parteien können das auch ganz gut. In der G. finden wir gleich zwei solcher Heilsversprechen in einem Wort. Erstens die Prämie: Sie entstand aus dem lateinischen ,praemium‘ und ist im üblichen Sprachverständnis eine Belohnung, die einem gewährt wird. Da bekommt also jemand etwas. Zweitens die Gesundheit: Von der kann man ja nie genug haben und in Verbindung mit dem Versprechen, etwas zu erhalten, klingt das gleich noch viel besser. Das soll es auch, denn für die meisten Betroffenen ist das Ganze wohl von Nachteil. Worum es wirklich geht? Darum, dass jeder Bürger einen festen Betrag für seine Krankenversicherung bezahlen soll, unabhängig davon, was er monatlich verdient: zahlen also statt erhalten und krank statt gesund – eine Antiphrase somit und nach den Neusprech-Regeln, die versuchen, Krieg als Frieden zu deuten, eine Meisterleistung. Vgl. auch → Gesundheitskarte.

Die Union hat sich das Konzept vor ein paar Jahren ausgedacht, um die marode Krankenversicherung zu sanieren – Verzeihung, wir sind ungenau: Um die immer weiter steigenden Kosten für die Krankenversicherung stärker den Versicherten aufzubürden und Unternehmen im Vergleich dazu künftig billiger davon kommen zu lassen. Von den Erfindern bei der CDU/CSU wurde das Ding ursprünglich sogar solidarische G. genannt. Solidarisch jedoch, also der Idee einer Gemeinschaft von Gleichen verpflichtet, ist daran natürlich nichts. Denn Unternehmen zahlen damit immer weniger ein, Bürger immer mehr. Steigt der Beitrag in der Zukunft, wird sich dieses Missverhältnis noch verschlimmern, ist die Beteiligung der Firmen doch festgeschrieben, die der Versicherten hingegen nicht. Für die Asozial-Romantiker von der Union mag das wie ein sozial ausgewogenes Konzept aussehen, dem normalen Gerechtigkeitsempfinden entspricht es dagegen eher nicht so. Der politische Gegner bezeichnet die G. daher gern als Kopfpauschale. Das klingt etwas treffender, soll aber wohl an Kopfgeldjäger erinnern und das Konzept vor allem schmähen.

Mit Dank an Mario S. für das Überlassen der „Asozial-Romantiker“.

Entsorgungspark

Müll ist ein schmutziges Geschäft. Sprache auch. Wird mit ihr doch gern mal versucht, dreckige Dinge sauber aussehen zu lassen. Der E. kann dafür getrost als Beispiel dienen. Wer etwas entsorgt, der will sich einer Sorge entledigen. Somit ist der E. schon einmal das Versprechen, man könne dort eine Sorge loswerden. Streng genommen wird das Versprechen nicht gehalten, eine vollständige Entsorgung von Müll ist kaum möglich, irgendwas bleibt immer übrig, sei es im Meer schwimmendes Plastik oder in der Luft wabernder Rauch. Gleichzeitig suggeriert der Park eine friedvolle Landschaft, in der gefahrlos gewandelt werden kann – ein Sanssouci sozusagen, was auf französisch ‚ohne Sorge‘ bedeutet. Angesichts stinkender Container und lärmender Schrottpressen eine glatte Lüge. Vgl. auch Wertstoffhof. Das schöne alte Wort Müllkippe trifft es dann doch immer noch besser, auch wenn heutzutage nicht mehr viel irgendwohin gekippt wird. Merke: Wer eine Müllkippe E. nennt, dem sollte besser misstraut werden. Denn derjenige will offensichtlich nicht sagen, worum es geht, beziehungsweise was in seinem Lustgarten so alles verklappt wird.

Mit Dank an Mikosch H. für die Einsendung.

Rentengerechtigkeit

Wir wissen nicht genau, was R. ist. Aber offensichtlich handelt es sich um ein Schlagwort, das in vielen Situationen passt und das alle Parteien gern verwenden. Extension heißt so etwas in der Sprachwissenschaft. Wobei gilt, je größer sie ist, desto unbestimmter ist der Inhalt. Aber Gerechtigkeit klingt ja immer gut. Wir vermuten, dass R. nichts weiter bedeutet als „unsere Interessengruppe will mehr“. Warum? Nun, hier sind einige Beispiele, für wen Rentengerechtigkeit schon alles gefordert wurde:

Aufstocker

Mit A. werden Menschen bezeichnet, die so wenig verdienen, dass sie offiziell als arm gelten und zusätzlich zu ihrem Lohn Anspruch auf Geld vom Staat in Form des sogenannten Arbeitslosengeldes II haben. Es sind also Arbeitende, die Arbeitslosengeld bekommen. Und das meint beileibe nicht nur Teilzeitbeschäftigte. Mehrere hunderttausend Menschen, die eine volle Stelle haben, werden so schlecht dafür bezahlt, dass sie nicht einmal das sogenannte Existenzminimum erreichen – die Menge an Geld also, die sie vom Staat bekämen, wenn sie gar nichts täten. Politisch ist das eine Subventionierung von Hungerlöhnen, vor allem von sogenannter → Leiharbeit. Sprachlich ist dieser Irrwitz eine, sagen wir, Ungenauigkeit. Denn der A. klingt aktiv, so als würde derjenige selbst etwas ausbauen oder erhöhen. Tut er aber nicht. Er, beziehungsweise sein Einkommen, muss aufgestockt werden, um das Minimum dessen zu erreichen, was hierzulande als eines Menschen würdig gilt. Natürlich könnten Politiker auch die Unternehmen zwingen, menschenwürdige Löhne zu zahlen. Damit aber tun diese sich irgendwie schwer und denken sich lieber Begriffe wie A. und → Lohnuntergrenze aus, um dem Thema aus dem Weg zu gehen.