Politiker sollen führen. Wenn Sie als Politiker allerdings keine Ahnung haben oder wissen, dass Sie sowieso nichts ändern können, dann sollten Sie wenigstens tatkräftig wirken, die Leute erwarten schließlich etwas für ihr Geld. Maritime Metaphern eignen sich dazu gut, in ihnen geht es oft darum, sich im Nirgendwo zurecht zu finden. Aber Vorsicht, sprachliche Bilder können auch schief hängen. Die neulateinische Bildung consolidare beispielsweise bedeutet ‚etwas verfestigen‘, dass also etwas fest (solide) wird. Kurs aber meint, dass ein Schiff sich in Richtung seines Ziels bewegt. Beide zusammen sind daher eher ungünstig: für Schiffe ist es nicht so gut, wenn sie plötzlich auf etwas Festes stoßen. Ein K. wäre für ein Schiff alles andere als der richtige. Was zur Frage führt, was denn beim K. eigentlich verfestigt werden soll? Die Antwort ist nicht so positiv, wie es der gemeine Wähler vielleicht hofft. Konsolidierung ist, wenn es wie hier um Geld geht, ein definierter Begriff und meint, dass Schulden verfestigt werden. Zum Beispiel, indem ein langfristiger Kredit mit niedrigeren Zinsen aufgenommen wird, um mit dem Geld kurzfristige, aber hoch verzinste Kredite zu bezahlen. Das senkt zwar die monatliche Belastung, aber es verringert langfristig die Schulden nicht. Der K. verspricht aber noch nicht einmal diese „Entzerrung der Tilgungsstrukturen“. Denn die Konsolidierung ist hier noch gar nicht erreicht, sie ist, um im nautischen Bild zu bleiben, bestenfalls am Horizont zu ahnen. Es wird noch gar nicht konsolidiert, wir bewegen uns lediglich in Richtung auf eine vielleicht irgendwann mal eintretende Konsolidierung. Mit anderen Worten: Macht euch bloß keine Hoffnung auf festen Boden unter den Füßen.
Niedriglohnsektor
In der Volkswirtschaftslehre wird die Wirtschaft in Sektoren (Abschnitte) eingeteilt: Es gibt den Primärsektor (Landwirtschaft, traditionelle Ausbeutung von Rohstoffen), den industriellen Sektor, den Dienstleistungssektor und neuerdings auch einen Informations- und einen Entsorgungssektor. Noch neuer ist ein Sektor, der in der Volkswirtschaftslehre nicht vorkommt, wohl aber in der Politik: der N. Der Terminus sagt deutlich, dass dort die Löhne niedrig sind, genau genommen sind sie zu niedrig, sodass die Betroffenen davon ihr Leben nicht bestreiten können und somit zu → Aufstockern werden müssen. Weshalb N. als Euphemismus zu werten ist, eine Schönfärberei. Volkswirtschaftlich gesehen handelt es sich um einen Sektor, der ohne staatliche Subventionen nicht existieren könnte, da in ihm Profite durch Ausbeutung Betroffener und auf Kosten aller erwirtschaftet werden.
Luftschlag
In der ursprünglichen Bedeutung ein wirkungsloser Hieb ins Leere. Seit den neunziger Jahren jedoch ein von Politik und Medien gern verwendeter Euphemismus für Angriffe aus der Luft. Klingt dementsprechend ungefährlich, umschreibt aber das massenhafte Abwerfen von Bomben und Marschflugkörpern Raketen auf ganze Länder und damit den Tod vieler Menschen. Der L. kam während des Krieges in Jugoslawien in Mode. Damals warfen teilweise mehr als eintausend Flugzeuge der Nato Bomben ab und töteten schätzungsweise 3.500 Menschen. In der deutschen Öffentlichkeit war das seltsamerweise irgendwie unpopulär, sodass Bundeskanzler Gerhard Schröder und andere Politiker lieber von L. redeten als von Angriff oder Bombardement. Seit dem wird der Ausdruck immer wieder benutzt, um kriegerische Handlungen weniger brutal erscheinen zu lassen. Um das noch weiter zu verschleiern, ist es durchaus üblich, die Attacke als begrenzten, gezielten oder gar chirurgischen L. zu bezeichnen und so zu suggerieren, dabei könne nicht das Geringste daneben gehen.
Ermittlungspanne
Hatten Sie schon einmal eine Panne? So etwas ist lästig, plötzlich macht es Zisch, und der Reifen ist kaputt. Oder der Keilriemen. Glücklicherweise lässt sich so ein Ding vergleichsweise einfach flicken. Zur Not gibt es Werkstätten. Anschließend kann man weiterfahren, als wäre nichts gewesen. Mit der E., von der in Politik und Medien gern mal die Rede ist, verhält es sich leider nicht so einfach. Denn die Panne suggeriert, dass niemand etwas für sie kann, dass sie ein unabwendbares Schicksal ist. Dabei gibt es durchaus Verantwortliche, wenn beispielsweise die Polizei ermittelt. Polizisten eben. Die ermitteln nur leider gelegentlich die falschen Dinge, weil sie sich von ihren Vorurteilen oder vom Glauben an ein Ermittlungsinstrument leiten lassen. Angesichts der Tragweite solcher Fehlentscheidungen – denn um solche geht es –, verharmlost der Ausdruck E. das Problem und ist damit ein klassischer Fall von Neusprech. Ernstlich verschleiernd wird es, wenn gar von einer Pannenserie die Rede ist. Das Wortglied Serie weist nämlich darauf hin, dass nichts zufällig passiert, sondern dass ein Verursacher hier systematisch versagt.
Herzlichen Dank an die Wortspende an Clemens H.
Cyber-Außenpolitik
Fremdwörter sind immer gut, wenn es um Sachen geht, die sowieso niemand versteht. Wer sie benutzt, demonstriert Kompetenz und Weltgewandheit. Das englische Cyber- bietet sich daher geradezu an, um über dieses vertrackte Internet zu fabulieren. Und so gibt es im Neusprech schon mehrere Bildungen, die mit diesem Ausdruck beginnen, wir kennen ihn aus dem → Cyberwar oder aus dem → Cyber-Abwehrzentrum. Noch handelt es sich nicht um ein Präfix des Deutschen, aber es ist auf dem besten Weg dorthin, linguistisch kann es als Präfixoid bezeichnet werden. Doch zurück zum Internet, denn um dieses geht es. Der Außenminister hat gerade einen Sonderbeauftragten für C. berufen. Was für ein Titel! Der ist so albern, dass das Auswärtige Amt ihm vorsichtshalber den Zusatz Sonder- vorangestellt hat, damit es wichtiger klingt und niemand lacht. Der Mann soll „deutsche Cyber-Interessen ,in ihrer gesamten Bandbreite‘ vertreten“, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Da stellt sich zuerst einmal die Frage, wo er die vertreten soll, denn wo ist im Cyberspace außen? Das Internet ist global, soll der Sonderbeauftragte mit Außerirdischen reden? „Cyber-Außenpolitik“ weiterlesen
