ehemalig

Am Anfang war ein Adverb namens ehemals. Das bedeutet ‚früher‘. Aus diesem wurde dann mithife der Adjektivableitung -ig ein charakterisierendes Adjektiv mit der Bedeutung ‚wie ehemals‘, also ,wie früher‘. Manchmal wird es auch genau so verwendet, beispielsweise in der Kombination das ehemalige Berlin – ‚Berlin wie es früher war‘. Oder auch die ehemalige BRD. Das meint dann die BRD wie sie früher war. Es meint aber nicht, dass die BRD nicht mehr existiert. Wer also sagt, die ehemalige DDR und damit ausdrücken will, dass es die DDR nicht mehr gibt, der redet Unsinn. Denn eine ehemalige DDR gäbe es nur, wenn es noch eine DDR gäbe und wir darüber reden wollten, dass sie heute zwar noch da ist, früher aber anders aussah. Alles klar soweit? Wenn also jemand sagen möchte, dass er in der DDR aufgewachsen ist, reicht es völlig, zu sagen, dass er in der DDR aufgewachsen ist. Denn jeder weiß, dass sie nicht mehr vorhanden ist. Das e. braucht in diesem Zusammenhang niemand. Und es stellt sich vielmehr die Frage, warum jemand das Offenkundige hervorheben muss. Die sich leicht beantworten lässt: Derjenige hat offensichtlich bis heute ein Problem mit der einstigen Existenz. Das e. dient also dazu, die DDR in Anführungszeichen zu setzen, wie es der Springer-Verlag noch bis August 1989 tat.

Anschlussverwendung

Beim Militär werden Menschen „verwendet“. Denn sie sind dort genauso ein Ding wie Autos oder Gewehre, eine Sache die aufgebraucht, ja sogar „verheizt“ wird. In der zivilisierten Welt ist eine solche Sicht auf Mitmenschen hingegen verpönt, eben weil sie dann nicht mehr als Mensch betrachtet werden, sondern als Gegenstand ohne eigenen Willen und eigene Bedürfnisse. Warum wir das erwähnen? Weil ein FDP-Chef gerade mehr als zehntausend arbeitslos werdenden Menschen empfohlen hat, sich mal schnell um eine A. zu bemühen. So als wären sie Maschinen, die sich um jemand neues kümmern sollten, der sie einsetzt und bedient. Man könnte dem Parteichef zugute halten, dass er lange bei der Bundeswehr gearbeitet hat und die zynische und unmenschliche Sprache des Militärs zu seiner Lebenswelt gehört. Muss man aber nicht. Weswegen wir spaßeshalber mal wieder aus dem „Schockwellenreiter“ zitieren: „Wenn es ein Phänomen wie das absolute Böse überhaupt gibt, dann besteht es darin, einen Menschen wie ein Ding zu behandeln.“

Betreuungsgeld

Verunglimpfend und nicht ganz falsch auch Herdprämie genannt. Bezeichnet den Plan konservativer Parteien, jenen Eltern, die für die Betreuung ihrer Kinder keinen Kindergartenplatz nutzen, Geld zu geben. Über Sinn oder Unsinn dieses Vorhabens wollen wir hier gar nicht diskutieren, allein der verwendete Begriff sagt eigentlich genug: Er versucht offensichtlich, den Sachverhalt ein klein wenig anders darzustellen. Denn B. legt nahe, dass hier für eine Leistung – die Betreuung –, Geld gezahlt wird. Das ist auch der Tenor, den die Erfinder gern transportieren. Werde damit doch, argumentieren sie, die „Erziehungsleistung“ jener Eltern honoriert, die ihre Kinder zu Hause bekümmerten. Das klingt edel, ist aber Quatsch. Die Entscheidung wird denen, die sowieso zu Hause sind, nicht schwer fallen: Einen Kitaplatz für 50 Euro oder mehr im Monat kaufen (wenn sie denn einen finden), oder nichts tun und 150 Euro im Monat bekommen? Offensichtlich werden sie also dafür bezahlt, dass sie eine sonst kostenpflichtige Leistung eben nicht in Anspruch nehmen. Es handelt sich demnach um eine Stilllegungsprämie, wie sie jahrelang auch Bauern bekamen, damit sie auf ihren Feldern nicht so viel anbauen. Der Grund ist der gleiche, es gab zu viel Getreide, beziehungsweise es gibt nicht genug Kitaplätze. Statt neue zu bauen, was pro Platz 1.000 Euro im Monat kostet, bekommen die Eltern ein bisschen von dem Geld, damit der Bedarf nicht so stark steigt – eine Betreuungsnichtnutzungsprämie somit. Um einen Vergleich zu wählen: Das ist so, als erklärte die Regierung, sie wolle Schulbildung verbessern und Schulen attraktiver machen. Bezahlte aber gleichzeitig Eltern dafür, wenn sie ihre Kinder nicht dorthin schicken. Und würde diese Aktion dann Bildungsgeld nennen.

Content

Der C. ist ein Wichtigtuerwort. Verlags- und Werbemenschen fuchteln damit herum, wenn sie die Dinge meinen, die in Konzerten gespielt, im Fernsehen gezeigt, in Zeitungen gedruckt oder im Internet veröffentlicht werden. Texte klingen aber auch langweilig, nicht so cool wie C. Englisch schließlich ist hierzulande längst Zweitsprache. Das führt gelegentlich zu skurrilen Erfindungen wie dem Rückenladen, aka Back-Shop und dem WC-Center, also der Pinkelzentrale, so etwas wird aber als schick empfunden. So erfolgreich waren die Werbemenschen, dass der C. sich bald eine ganze Branche eroberte. Doch geht es nicht nur um Wichtigtuerei. In dem Bemühen, sich durch den Anschein harter Arbeit aufzuwerten, beschreiben sich Sender und Verlage gern als C.-industrie, siehe auch FinanzindustrieDas hat den Vorteil, dass niemand mehr an die Autoren denkt, die sich all die Texte, Bilder und Töne ausgedacht haben und denen ihre Verwertungsrechte abgepresst wurden. Der C. ist weit von ihnen entfernt und lässt sich damit viel unbeschwerter vermarkten. Wie Sascha Lobo twitterte: „Inhalte nennt man in Deutschland immer dann ,Content‘, wenn jemand damit Geld verdienen will.“ Womit das unscheinbare englische Wort für ,Inhalt‘ langsam zum Euphemismus wird. Denn diese „Industrie“ produziert keine Musik, keine Bilder und keine Texte. Sie verwertet sie lediglich, beziehungsweise die damit verbundenen Rechte der Urheber. Kritiker werfen den Firmen deswegen vor, das Wort C. beschreibe ihren Umgang mit der Arbeit vieler kreativer Menschen nur allzu gut und bezeichnen sie daher als C.-mafia. Natürlich ist die „Mafia“ in diesem Zusammenhang genauso unsinnig wie die „Industrie“. Es zeigt jedoch: Aus dem einstigen Deppenbegriff ist eine Kampfvokabel geworden. Das war nur möglich, weil der Ausdruck, der ja für Inhalt steht, ironischerweise so inhaltsarm ist, dass er überallhin passt.

Eigentum, geistiges

Der Ausdruck kommt so plausibel daher, dabei ist er eine Propagandavokabel, die lediglich Assoziationen wecken soll. Denn die Idee des E.-s funktioniert bei Ideen nicht, ja sie ist sogar kontraproduktiv. E. heißen Dinge, die ihren Wert daraus beziehen, dass jemand die alleinige Herrschaft über sie ausübt. Ungenutztes Gold mag einen Wert darstellen, wenn es im Tresor liegt, weil es in diesem Moment kein anderer haben kann. Ungenutzte Ideen hingegen sind für den, der sie hat, nutzlos. Ein anderer kann sie genauso haben, beziehungsweise auf den gleichen Gedanken kommen, egal wie gut die Idee eingeschlossen ist. Wie Hoffmann von Fallersleben schon dichtete: „Die Gedanken sind frei.“ Das ist der große Nachteil von Dingen, die sich nicht anfassen lassen. Zumindest aus Sicht derer, die trotzdem gern allein über sie herrschen und Profit aus ihnen schlagen wollen. Dabei ist diese „Gedankenfreiheit“ eigentlich ein Vorteil. Denn wer eine Idee mit anderen teilt, der vervielfältigt sie zum Nutzen aller und damit auch zum eigenen. Je freier ihre Nutzung geregelt ist, desto mehr Menschen können davon profitieren. Genau darin liegt der eigentliche Gewinn solcher nichtmateriellen Güter. Wer jedoch versucht, Ideen wie E. einzusperren, beziehungsweise ihre Verbreitung zu verhindern, der enthält damit der Gesellschaft etwas vor. Und er läuft im Zweifel Gefahr, viele Menschen zu Verbrechern zu erklären und eine Zensur zu installieren. Viele also zahlen einen hohen Preis, damit einer profitiert. Genau das will der Begriff verschleiern rechtfertigen.