Hochfrequenzhandel

Was für ein Wort! Das klingt so herrlich nach Elektrifizierung und Fortschritt, nach Moderne und Zukunft. Das kann doch nichts Schlechtes sein. Nunja. Eigentlich beschreibt es einen ziemlich üblen Trick, den manche Banken nutzen, um sich bei Aktiengeschäften einen Vorteil zu verschaffen. Computer analysieren dabei, was normale Händler ordern und wetten innerhalb von Millisekunden mit ihnen oder gegen sie. Noch bevor also der Auftrag eines Aktienhändlers abgeschlossen ist, haben die Rechner dieser Banken den Auftrag registriert und die gleichen Aktien gekauft. Sekundenbruchteile später verkaufen sie diese wieder und profitieren so von der geringfügigen Preissteigerung, die die ursprüngliche Order des Händlers ausgelöst hat. Im Zweifel sind es nur Teile eines Cent, doch können die Rechner in einer Sekunde Millionen solcher Geschäfte abwickeln, so sammelt sich schnell viel Geld. Das ist tatsächlich ein Handeln mit hoher Häufigkeit, lateinisch frequentia und daher nicht wirklich ein falsches Wort. Jedoch eines, das zusammengezogen zur Hochfrequenz eher auf die Elektrotechnik und damit in eine falsche Richtung weist. Und es ist ein Wort, das ein zweites wesentliches Merkmal des Zaubertricks zu erwähnen vergisst: die Autonomie. Menschen haben auf den Handel nur insoweit Einfluss, als sie die Programme und Algorithmen dafür schreiben. Alles andere macht der Computer. Weshalb der H. durchaus als Euphemismus gelten kann. Dass er umstritten ist und möglicherweise verboten ein wenig eingeschränkt werden könnte, wundert Sie jetzt nicht mehr wirklich, oder?

Dieser Text erschien zuerst in unserem Buch „Sprachlügen: Unworte von ,Atomruine‘ bis ,zeitnah‘“

Beitragsservice

Was stellen Sie sich unter einem B. vor? Vielleicht einen freundlichen Menschen, der Sie einmal im Monat besucht, Ihnen das aktuelle Radio- und Fernsehprogramm bringt und die Summe, die Sie gern für Informationen und schöne Künste entrichten wollen, für Sie zur Bank trägt? Das immerhin wäre ein Dienst, eine Bedienung – lateinisch servitium, französisch service. Unser B. tut leider nichts dergleichen. Dabei ist er der offizielle Name der Institution, die im Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender das Geld einzieht, das jeder hierzulande verpflichtet ist für den Rundfunk zu zahlen. Bislang hieß das Ding durchaus treffend Gebühreneinzugszentrale, kurz GEZ. Doch hat sie einen eher üblen Leumund als knickerige Schnüffelbehörde, weswegen eine Zeitlang überlegt wurde, sie in Rundfunkservicezentrale umzubenennen. Vor allem, weil es freundlicher klingt – der Service wieder, Sie haben ihn sicher schon bemerkt. Nun jedoch wurde das ganze Modell geändert. Seit dem 1. Januar ist es keine Gebühr mehr, die sich danach richtet, ob jemand den Gegenstand tatsächlich nutzt. Nun ist es ein Beitrag: Es genügt, dass man die öffentliche Einrichtung nutzen könnte, wenn man denn wollte. Wie eine Straße oder eine Parkbank. Man hätte die 17,98 Euro daher auch getrost Informationssteuer nennen können, das wäre ehrlicher gewesen, klingt aber nicht so blumig. Doch wir wollen nicht kleinlich sein, dann eben Beitrag. Die Einzugszentrale jedoch als B. anzutünchen, zeugt von Chuzpe. Sie dient den Beitragszahlern nicht, sie drangsaliert sie nur.

Mit Dank an @RumbaDelSol und @carhartl.

Preisanpassung

Wenn Preise angepasst werden, sind sie auffälligerweise anschließend fast immer höher als zuvor. Die P. ist also meist eine Preissteigerung. Aber Anpassung klingt natürlich besser. Es handelt sich somit um einen Euphemismus. Noch dazu um einen, der nicht nur die ursprüngliche Bedeutung versteckt, sondern sie geradezu entschuldigt. Denn anscheinend konnte niemand etwas dafür, dass der Gegenstand nun teurer ist, die Preise mussten einfach an irgendetwas angepasst werden. Dieses Etwas ist schuld und der Anpasser war dazu nachgerade gezwungen. Der eigentliche Verursacher, derjenige also, der einen höheren Preis festgelegt hat, wird gut verborgen, der Begriff wird unpersönlicher. Daher handelt es sich bei der P. auch um eine sogenannte Nominalisierung. Oft begegnen einem die P. im Plural. Der macht sie noch undurchsichtiger. Denn durch die Pluralisierung des Handlungssubstantivs verschiebt sich die Betonung weg von der konkreten Handlung, hin zum Ergebnis. Mietanpassungen, um ein beliebtes Beispiel zu nennen, haben nichts mehr zu tun mit einem Hausbesitzer, der nach Gutdünken die Miete manipuliert, und sie haben auch nichts mehr zu tun mit einer steigenden Miete. Sie klingen vielmehr wie eine Notwendigkeit, der sich niemand entziehen kann. Eine tolle Erfindung.

Dieser Text erschien zuerst in unserem Buch „Sprachlügen: Unworte von ,Atomruine‘ bis ,zeitnah‘“

Ehrensold

Gemeint ist die lebenslange Rente für Bundespräsidenten, die das Amt nicht mehr ausüben. Gesagt wird mit dem E. aber etwas anderes. Denn der Sold geht zurück auf das lateinische Solidus. Das war eine römische Goldmünze, die Legionären als Lohn für jeweils vier Monate Dienst überreicht wurde – solange sie dienten. Ein Sold ist daher bis heute allein die Entschädigung für kriegerische Tätigkeiten. Die Bezeichnung Soldat und Söldner leitet sich direkt von ihr ab. Der Bundespräsident ist kein Krieger und hoffentlich auch kein von jeder Seite käuflicher Söldner (die meisten Bundespräsidenten zumindest). Daher steht ihm eigentlich auch kein Sold zu, weswegen seine Bezüge, solange er amtiert, auch genauso heißen: Bezüge. Die Rente der Nummer eins des Staates sollte jedoch offenbar schicker klingen. Daher griffen die Wortschöpfer, die sie im Gesetz über die Ruhebezüge (sic!) des Bundespräsidenten festlegten, auf den Trick mit dem E. zurück. Den Ausdruck gibt es schon länger – als eine lebenslange Beigabe zu einem Orden. Auch Orden werden als Ausdruck der Verehrung verliehen, als Belohnung für besondere Taten oder Dienste, vornehmlich an Soldaten, gerne auch an tote. Der E. also ist eine ehrende Anerkennung für kriegerische Leistungen. Mit dem Ergebnis, dass die eher banale Bundespräsidentenrente nun fest verbunden ist mit dem Konzept Ehre und mit herausragendem Betragen. Dumme Sache, wenn dann ein Bundespräsident mal nicht ganz so ehrenhaft sein Amt verlässt. Das kommt davon, wenn man hochgestochen daherredet.

Regelstudienzeit

Eigentlich die Zeit, die ein Studierender bei einem Vollzeitstudium benötigt, um einen Studiengang regulär – also den Regeln entsprechend – zu absolvieren. Diese Zeit brauchen Studenten mindestens. Wenn nichts dazwischen kommt; beispielsweise ein überfülltes Seminar, in dem sie keinen Platz mehr finden. Gemeint ist mit der R. aber eine durchschnittliche, oft gar eine maximale Dauer des Studiums. So erhalten BAföG-Empfänger einen Rabatt, wenn sie ihr Studium schneller absolvieren als eben in der R. Die hier mit der „Förderungshöchstdauer“ gleichgesetzt wird. Denn wer länger braucht, bekommt kein BAföG mehr. Der Staat geht also davon aus, dass es problemlos möglich ist, schneller zu studieren, als es die Regeln und Anforderungen eines Studienfaches vorsehen. Somit wird etwas, das eigentlich als Minimum zu verstehen ist, in das Maximum umgedeutet.