Debatte, masochistische

Versuch von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), die Forderung zu diffamieren, dass Autos die Luft weniger verschmutzen sollten. Scheuer möchte nicht mit der Verschärfung von Grenzwerten belästigt werden, heißt diese Begriffsschöpfung, denn natürlich ist nicht die Diskussion über Grenzwerte masochistisch, sondern in seinen Augen deren Verschärfung. Damit ist masochistische D. eine Enallagé, eine irreführende semantische Beziehung zwischen einem Adjektiv und einem Substantiv. Doch wie können strengere Grenzwerte, die dazu dienen sollen, die Luft sauberer zu machen, masochistisch sein? Masochismus ist schließlich die Neigung, durch Schmerzen oder Demütigung Lust zu erfahren. Grenzen für den Schadstoffausstoß festzulegen dient dazu, Schmerzen und Leiden gerade zu vermeiden, die infolge von durch Schadstoffen verursachten Krankheiten entstehen. Und natürlich ist es unerheblich, ob jemand Lust oder Befriedigung aus schärferen Grenzwerten zieht. Scheuer selbst erklärt seine Wortschöpfung damit, dass es darum gehe, „wie wir uns in Deutschland mit immer schärferen Grenzwerten selbst schaden und belasten können“. Scheuers Logik erschließt sich daher erst, wenn betrachtet wird, wer in diesem Satz mit wir gemeint ist: Nicht etwa die Menschen, die an viel befahrenen Straßen leben und die dadurch krank werden. Sondern Autofirmen, die durch strengere Grenzwerte dazu gezwungen werden, neue Autos zu entwickeln. Scheinbar tut es also weh, sich etwas Neues auszudenken. Das ist seltsam. Aber wenn es stimmt, dann könnte es erklären, warum Konservative so vehement gegen Veränderungen sind.

Klimahysterie

Schmähbegriff von Rechtspopulisten und Rechten. Soll den Versuch diffamieren, die Erderwärmung zu bekämpfen. Was diejenigen, die den Ausdruck benutzen, gegen den Kampf für ein besseres und lebenswerteres Klima haben? Sie wollen ihr Verhalten nicht ändern und beschimpfen die Forderung, das zu tun, als Klimadiktatur. Als Gewaltherrschaft also. Klimahysterie-Hysteriker leugnen lieber, dass die Erde aufgrund menschlichen Handelns auf eine Katastrophe zusteuert und bezeichnen alle als Lügner, die entsprechende wissenschaftliche Studien zitieren. Erfunden haben sie den Ausdruck jedoch nicht. Schon der SPD-Politiker Peter Struck war vor zwölf Jahren der Meinung, es sei K., wenn man dauernd über den Klimawandel rede und nicht über die Arbeitsplätze, die durch Veränderungen der Wirtschaft gefährdet würden. Das Argument mit den Arbeitsplätzen wird immernoch angeführt. Auch von der SPD. Nur den verunglimpfenden Begriff K. nutzen die Sozialdemokraten nicht mehr. Das macht nur noch die AfD.

Schöne-Worte-Gesetze

Die Große Koalition macht Geschichte, nicht unbedingt durch ihre politischen Erfolge, aber immerhin durch sprachliche Innovation: Ihre Gesetze führen seit einiger Zeit seltsame Drei-Wort-Komposita im Namen, die mit einem Adjektiv beginnen:

  • Gute-Kita-Gesetz
  • Starke-Familien-Gesetz
  • Geordnete-Rückkehr-Gesetz
  • Faire-Kassenwahl-Gesetz

Das Adjektiv bezieht sich auf das zweite Kompositionsglied, nicht auf das dritte. Trotzdem neigt man dazu, es unwillkürlich auch auf das dritte Wort zu beziehen, wie gelegentliche Versprecher bezeugen. Gemeint sind gute, beziehungsweise bessere Kitas, doch wahrgenommen wird auch die Bedeutung eines angeblich guten Gesetzes. Damit ergibt sich eine Enallagé, also ein falscher semantischer Bezug auf das Gesetz. Wahrscheinlich werden gerade deshalb von der Koalition Adjektive verwendet, die etwas Positives transportieren (Konnotation). Gut ist das jedoch nicht, sondern irreführend. Wie der Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung feststellt, handelt es sich um eine typische Reklamestrategie. Selbst wenn wir annehmen, dass durch das jeweilige Gesetz Kitas gut werden und Familien stark, so stellt sich spätestens bei der Rückkehr die Frage, ob diese Ausweisung von Flüchtlingen tatsächlich durch ein Gesetz geordnet werden kann. Komplett unsinnig wird es bei der Kassenwahl. Da gehe es nicht um Fairness, sondern um Preiskampf und Konkurrenz zwischen den Krankenkassen – zum Nachteil der Versicherten, kritisiert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Aber möglicherweise will die Bundesregierung gar keine präzisen Bezeichnungen schaffen, sondern nur wohlklingende Namen. Ob auch die Gesetze gut, stark, geordnet oder fair sind, bleibt in jedem Fall fraglich.

Siehe auch:Drittstaaten, rückkehrpolitisch-relevante

Verfassungsrecht, archaisches

Es wird niemanden überraschen, dass FDP-Chef Christian Lindner nicht viel davon hält, Firmen zu enteignen. Aber muss er deswegen gleich das Grundgesetz als altbacken und überholt beschimpfen? In einer Rede vor dem Deutschen Bundestag sagte Lindner im April 2019 zum Thema Enteignung von Wohnungsunternehmen: „Ja, in Artikel 15 des Grundgesetzes ist das vorgesehen.“ Um gleich danach auf den Artikel draufzuhauen: „Das ist archaisches Verfassungsrecht.“ Nett war das nicht. Denn er verunglimpft schließlich diese Rechtsnorm kurzerhand als veraltet und antiquiert. Immerhin stammt das gesamte Grundgesetz aus dieser von Lindner in seiner weiteren Rede bemängelten grauen Vorzeit – aus der gleichen Zeit nämlich, wie der von ihm geschmähte Artikel. Bislang hat es sich trotzdem als recht nützlich erwiesen, ja geradezu als wegweisend, einige Regeln zu formulieren, die allgemeingültig sind. Und wenn es bei einem Tagebau richtig ist, das Wohl der Gemeinschaft über das Wohl einiger Weniger zu stellen, warum soll es dann bei der Suche nach bezahlbaren Wohnungen für Viele falsch sein?

Beim Neusprechfunk 16 kichert ein Sponti

Der Neusprechfunk ist zurück! Die Nummer 16 unseres Neusprech-Podcasts beginnt zwar mit einer betrüblichen Nachricht: Da Constanze für eine Weile verhindert ist, müssen wir bis zur Nummer 17 leider eine Pause einlegen. Aber versprochen, sie wird nicht viel länger als die üblichen unfreiwilligen Verzögerungen, die unsere geduldigen Hörer von uns gewohnt sind. Als klitzekleine Entschädigung haben wir trotz Datenschutzbedenken zum ersten Mal ein Foto von uns gemacht. So sehen wir also aus, wenn wir podcasten:

neusprechfunker

Und nein, durch die Linse der Kamera war nichts zu sehen. :}

Diesmal wenden wir uns einigen abseitigen Nischen zu, die wir sonst gern ignorieren. Dazu gehören die Liberalen mit ihrem Profi-Vorsitzenden, der mühelos alle Zusammenhänge sieht. Wer die Anspielung nicht versteht, hat einen Aufreger in der aktuellen Klima-Diskussion verpasst. Denn FDP-Chef Christian Lindner hatte in der Bild am Sonntag angemahnt, diese protestierenden Kinder mögen doch die Klimafragen den Fachleuten und Profis überlassen. Damit meinte er aber gerade nicht die als Konsenswissenschaftler Geschmähten, die bekanntlich den Klimawandel mit anthropogenen Faktoren begründen.

Zum Ausgleich der bloßen Erwähnung der BamS versuchen wir es mit einem Einwurf von Kultur am Beispiel von Gustave Dorés Darstellung von Rotkäppchen. Wer sich die Passage im Podcast anhört, sei daran erinnert, dass hier eine Illustration für ein Märchenbuch von Charles Perrault gezeigt wird, dessen Version – anders als im Deutschen – kein gutes Ende findet, sondern in der sowohl die Großmutter als auch das Rotkäppchen vom bösen Wolf gefressen werden. Man kann quasi von einer letalen Entnahme sprechen, nur diesmal seitens des Wolfs.

faz-startseite

Nicht erst seit dem jetzigen Neusprechfunk 16 (mp3) haben wir uns angewöhnt, eingangs einen kleinen Rückblick auf die vergangenen Wochen einzubauen. Diesmal entdecken wir am obigen Beispiel, dass mit einer gut gewählten Visualisierung und nur kurzem Text ebenfalls eine wunderbare Zusammenfassung von aktuellen Ereignissen nebst politischer Kommentierung erreicht werden kann. Dafür trägt maha eigens das Beispiel aus der FAZ vor.

Wo wir beim Rückblicken sind: Die schon in der vorigen Podcast-Ausgabe angesprochenen Feinstaub-Grenzwerte beschäftigen uns erneut. Das liegt daran, dass Minister Scheuer weiterhin wünscht, sie abzusenken. Der CSU-Mann forderte zugleich, die masochistische Debatte in Deutschland zu beenden.

autopakt und autogipfel

Wir entdecken im CSU-Universum dazu passend den Autopakt seines Parteifreunds Markus Söder, der bei einem Autogipfel beschlossen werden sollte. Diese Gelegenheit lassen wir uns natürlich nicht entgehen und reflektieren über die Bedeutungsänderung bei Pakten und Gipfeln. Nicht völlig unerwähnt bleibt denn auch die Gipfelkritik. Selbstverständlich hoffen wir auch wieder auf schöne Beispiele von unseren Hörern.

spontis im WH

Wir sprechen außerdem anhand einer FAZ-Glosse von Joachim Müller-Jung kurz über Klima-Spontis, waren uns aber nicht sicher, ob der Begriff Sponti noch geläufig ist. Falls nicht, könnten wir ihn hiermit gar wiedererwecken. Natürlich nur, falls geneigte Hörer eine treffende, aber dennoch kurze Definition in die Kommentare tippen sollten.

Redet man über die Klima-Demonstrationen, kommt man nicht um die 16-jährige Schülerin Greta Thunberg herum, über die wir etwas länger sprechen. Es geht dabei vor allem um die Reaktionen und Anfeindungen gegen sie, die Kai in drei Bereiche einteilt.

ausschnitt mueller

Wir sprachen außerdem über:

  • den Kommentar „Deutschland setzt sich matt“ von Reinhard Müller und den darin erwähnten Bombenbastler aus Oberursel mit der Affinität zum Baumarkt, über „großzügige Passverteilungen“, offene Grenzen und die Frage, wer ins Land kommen darf,
  • mal wieder den Gefährder-Begriff und auch kurz über Deradikalisierung,
  • den Terrorsoldaten, Wehrmachts- und Uniter-Fan Oberstleutnant Franco A.,
  • außerdem kurz über die anstehende Europawahl 2019 sowie den Klabautercast, mahas infamen Konkurrenzpodcast, der zugegebenermaßen aber ausgesprochen empfehlenswerte Brexit-Folgen anbietet
  • und den CDU-Europaparlamentarier Axel Voss, der durch groteske Inkompetenz auffiel.

Hier der Neusprechfunk 16 als mp3, alternativ gibt es natürlich die ogg-Version vom Neusprechfunk 16.

Wir legen noch unsere Weinwahl offen:

wein dietrich 2015

Vielleicht nach Weingenuss und nur mit starken Nerven hinklicken: Wir sprachen am Rande auch noch über ein Video, das den Abiturienten Christian Lindner zeigt. (Wir haben Euch gewarnt!)

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