Rettungsschirm

Wenn man etwas verkaufen will, gibt es zwei unfehlbare Möglichkeiten: man kann beim Käufer Wähler die Gier oder die Angst schüren. Erstere fällt irgendwie aus, wenn es darum geht, mitten in einer Krise 750 Milliarden Euro wegzuschenken, um notleidende knauserige Banken zu beruhigen und Pleitiers über Wasser zu halten. Bleibt die Angst. Kein Wunder also, dass die Sprache im Zusammenhang mit der sogenannten Finanzkrise, (denn die Finanzen sind in gar keiner Krise, nur die Banken), vor Panikmetaphern nur so strotzt. Doch ob man sich damit wirklich einen Gefallen tut? Ein R. immerhin soll etwas bremsen, was sich ohne ihn im freien und garantiert tödlich endenden Fall befände. Gäbe es ihn nicht, bedeutet das, wäre der Euro erledigt. Doch so stimmt das nicht. Nochmal kurz zu den Ursachen: Geld war lange billig in Europa, weil Wirtschaft und Politik Angst vor einer Krise hatten und die Zinsen niedrig hielten. Daher haben sich einige Länder mehr davon geborgt, als für sie gut gewesen wäre. Sie haben über ihre Verhältnisse gelebt und sind nun bankrott – mit dem Ergebnis, dass die Krise letztlich noch viel schlimmer ist. Das gleiche geschieht nun noch einmal, nur im größeren Maßstab. Wieder wird auf Pump finanziert, was sich eigentlich niemand leisten kann. Doch der Kapitalismus verzeiht solche Dummheit nicht, er ist ein Nullsummenspiel – was einer gewinnt, muss jemand anderes verlieren. Der R. ist also gar keiner, denn er rettet nichts und niemanden. Das Ganze ist viel mehr, wenn man unbedingt einen griffigen Begriff sucht, eine Umwälzpumpe: Das Geld wird umgeschichtet von den vielen Steuerzahlern hin zu den wenigen, die an solchen Geschäften sehr sehr viel verdienen.

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21 Kommentare

  1. @daddeldu
    Ihr Einwand stimmt möglicherweise für den Warenverkehr – wobei offen bleibt, was mir ein Joghurt wirklich wert ist und was ich dafür bezahlen muss und was er eigentlich kostet… Er stimmt aber ganz bestimmt nicht für den Geldhandel, um den es hier geht. An Aktienmärkten wird kein Wohlstand geschaffen, er wird nur umverteilt.
    lg
    k

  2. Niemand impliziert heute eine tatsächliche Rettung, wenn er/sie das Wort verwendet. Vielmehr wird allerseits davon ausgegangen, daß viele Jahre lang immer wieder von Neuem zig – wenn nicht 100e – Milliarden fließen müssen, nur “um Zeit zu gewinnen”. Die wird für den deutschen Steuerzahler völlig nutzlos vertrödelt, d.h. die Zeit gewinnen nur die derzeit Regierenden, in der Hoffnung, einer späteren Regierung das Kapitulieren zuzuschieben. Und natürlich die Strippenzieher der sog. Volksvertreter. für die allerding ist Zeit Geld, tjä, und somit Rettung

  3. Ich fands schöner, als die Einträge bei neusprech.org sich noch darauf beschränkten, in (ironisch) sachlichem Ton auf die manipulierende Verwendung von Worten aufmerksam zu machen.

    In diesem Beitrag dem Leser die persönliche Meinung zur Herkunft der Finanzkrise aufzudrücken, hat mich überrascht, find ich eher deplatziert und ist jedoch auch in einigen anderen neueren Beiträgen zu finden.

    Natürlich kann man das machen, aber ich hoffe Ihr seid euch über die Stiländerung im Klaren.

    Viele Grüße
    Jens

  4. “Ich habe den R. immer als eine Art Regenschirm gesehen unter den man schlüpft, wenns mal nicht so heiter ist. Das heute-journal hat diese Formulierung auch verwendet. ”

    Interessant, auf so eine Idee wäre ich nie gekommen. Für mich ist der Neusprech-Teil am Rettungsschirm klar die Verklärung, dass das Ding im Deutschen eigentlich FALLschirm heisst. Da geht es um Absturz, und genau dazu passt es auch im neuen Kontext. Nur soll man das nicht damit natürlich verbinden.

    Leider wird der Begriff “Schirm” im Artikel gar nicht thematisiert.

  5. Rettungsschirm

    Es gibt den Rettungsfallschirm. Er erweist sich jedoch als ungeeignet, weil er automatisch mit Absturz und hartem Aufschlag auf dem Boden der Tatsachen in Verbindung gebracht wird. Dann gibt es noch das Rettungsboot. Assoziationen wie “das Boot ist voll” oder “rudern” und “steuern” liegen zu nahe. Also erfindet ein wahres Genie den Rettungsschirm. Der hat, was gebraucht wird. Mit ihm verbindet sich der Sonnenschein, der ja sprichwörtlich immer auf den Regen folgt. Urlaubserinnerungen werden lebendig: ein Strand, ein Sonnenschirm mit einem niedlichen Bikini darunter. Da wäre man gern untergeschlüpft. Bikini? Ah, toll…

    Autsch, schleunigst Schluss machen!

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