Stabilitätsanker

Viele Jahrzehnte lang führte der S. ein nützliches und rhetorisch unauffälliges Dasein in der Bautechnik. Bei Kränen dient er beispielsweise als Gegengewicht zur Last am Kranarm. Und in Bauordnungen gibt es ausführliche Bestimmungen für die Absicherung „fliegender Bauten“ wie Karussells, Riesenräder oder Achterbahnen durch eben solche Anker. In der Politik jedoch wird gern vergessen, dass ein S. den Ausgleich von Lasten beschreibt. Den politischen Wunsch nach Stabilität kann der S. daher nur schlecht bis gar nicht erfüllen. Was sich anschaulich in der Seefahrt zeigt: Ein Kapitän setzt zwar Anker, um sein Schiff eine begrenzte Zeit gegen das Abdriften zu sichern. Doch schlingern tut es noch immer, und er lichtet sie auch wieder, wenn es weiterfahren soll. Wer daher wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann die Zentralbanken als S. bezeichnet, spricht wahrscheinlich wahrer, als er es wollte. Und Saudi-Arabien ist sicher auch nicht so stabil, wie es sich Verteidigungsminister Thomas de Maizière wünscht. Ganz abgesehen davon, dass die Gegenseite des Gebildes zappelnd in der Luft hängt, wenn an ihr ein S. befestigt wird. Auf dem Bau wird der S. daher auch „toter Mann“ genannt und in der Heer- und Pioniertechnik gleich als „Totmannanker“ bezeichnet und in einer „Totmanngrube“ versenkt. Und da gehört auch dieses unpassende Wort hin.

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13 Kommentare

  1. Komisch, meine erste Assoziation war der Siemens-Luftanker (sollte jedem Ingenieur ein Begriff sein). Der Stabilitätsanker ist wahrscheinlich ähnlich stabil (und real).

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