Wenn etwas eingeschränkt werden soll, müssen Grenzen definiert werden – eine nach unten, die die Mindestmenge festlegt, die zugelassen ist, und eine O., die die gewünschte Höchstmenge beschreibt. Es gibt keine Mindestzahl von Zuwanderern, die sich Deutschland wünscht, also keine Untergrenze. Trotzdem spricht insbesondere die CSU ständig von einer O. Das Kompositionselement Ober- ist jedoch überflüssig (pleonastisch), weil eine Untergrenze gar nicht zur Debatte steht. Allerdings klingt O. weniger schlimm als einfach nur Grenze oder Begrenzung. Es klingt, als wäre eine gewisse Menge an Flüchtlingen völlig in Ordnung, als gäbe es ausgefeilte Pläne und Überlegungen, wie viele von ihnen für Deutschland gut, ja optimal wären.
Das ist natürlich Unsinn. Es lässt sich gar nicht planen, wie vielen Menschen die Flucht bis nach Deutschland gelingt. Und Hilfesuchende können aufgrund des Asylgrundsatzes im Grundgesetz auch nur schwer abgewiesen werden. Ganz abgesehen davon, dass sich das schon aus ethischen Erwägungen verbietet. Die CSU greift deshalb zu einem Trick: Sie spricht von O., und alle Stammtische verstehen darunter, dass die Zahl der Flüchtlinge begrenzt wird. Die CSU meint aber die O. von Zuwanderung, und das ist natürlich etwas ganz anderes als die Aufnahme von Geflüchteten. In Deutschland ist Zuwanderung sehr schwierig, weil Deutschland kein Einwanderungsgesetz hat. Zuwanderung ist nur in Ausnahmen überhaupt möglich, am ehesten funktioniert sie noch, wenn man einen Deutschen oder eine Deutsche heiratet. Um so leichter kann die CSU von einer O. für Zuwanderer schwadronieren und dabei hoffen, dass viele darunter etwas anderes verstehen. So lässt sich eben auch erklären, warum die Forderung nach eine O. für manche nicht im Konflikt zum Grundgesetz steht.
Ja das hat Seehofer gesagt, dennoch muss ich der Analyse widersprechen. Leider werden die Begriffe Zuwanderung, Migration, Flüchtlinge, Asyl zur Zeit wild durcheinander geworfen und meist synonym verwendet. Aber die CSU Forderung war schon Anfang des Jahres maximal 200.000 Flüchtlinge im Jahr. So steht es auch in irgendeinen Positionspapier. Das sich Seehofer hier bei den Begriffen vertut, würde ich ihm nicht vorwerfen. Ich habe ja seit fast einem Jahr (fast) keinen Bericht mehr gelesen, in denen sie richtig verwendet werden.
Und das mit Flüchtlinge/Asylrecht im Grundgesetz ist auch so eine Sache. Vor 1993 gab es ja nur diesen einen Satz im Artikel 16 der jetzt im Artikel 16a Absatz 1 steht. Und das war eigentlich besser. Weil jetzt stehen ja noch vier weitere Absätze da, die das Recht ordentlich einschränken. Zudem kann (grundsätzlich) nur Asyl beantragt werden, wenn es der Antragsteller nach Deutschland schaft. Wenn er an der Grenze abgewiesen wird (oder es keine Einreiseerlaubnis gibt), gibt es auch kein Asyl.
Das Thema ist hochinteressant, im Detail bin ich da schon lange nicht mehr drin und es ändert sich auch ständig was, aber Grundsätzlich ist eine Obergrenze mit dem GG eher kein Problem. Zumindest habe ich noch nichts gegenteiliges gelesen, was nicht nur Meinung war.
Es geht ja auch gar nicht darum, dass diese “Obergrenze” ein Problem für das Grundgesetz wäre. Sondern darum, dass die CSU bewusst missverstanden werden will, damit all jene sie toll finden, die etwas gegen Flüchtlinge haben. Es geht bei der “Obergrenze” aber nicht um Flüchtlinge.
lg
Kai Biermann