Im Namen der Meinungsfreiheit haben wir uns wieder zu einem Neusprechfunk, diesmal Nummer 6, zusammengefunden, verehrte Leser und Hörer. Der Preis beim versprochenen Gewinnspiel wurde live in der Sendung vergeben, denn wir hatten so etwas wie eine interaktive Komponente.
Die Gewinnerin heißt Melinda, die gleichzeitig die Regeln für die neue Gewinnspielaufgabe erdacht hat. Wer mitmachen will: Die Aufgabe und ebenjene Regeln finden sich natürlich im Podcast.
Die verwendete Sprache und der Nachrichtenwert von Zeitungsartikeln war uns wieder so manches Kopfschütteln wert. Denn wenn wir unbelegte Behauptungen entdecken, beispielsweise etwas sei äußerst wirkungsvoll oder hätte enorme präventive Wirkung, werden wir aufmerksam.
Einige der Inhalte der betrachteten Artikel waren bei uns schon häufiger Thema: Die Terroristen haben uns wieder beschäftigt, auch die minderjährigen mit Kampferfahrung unter ihnen, von denen der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz und oberster Spionageabwehragent, Hans-Georg Maaßen, zu berichten weiß.
Wir streiften bei der Gelegenheit auch den Salafismus, dessen Anhänger nach Angaben der Behörden zunehmen.
Heike Schmoll, Redakteurin im FAZ-Politikteil, hatte in ihrem Stück mit dem Titel „Union: Islamisten den Pass entziehen“ (FAZ vom 22. September 2014, Seite 1) neben der Berichterstattung über die Äußerungen von Geheimdienstler Maaßen auch den innenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), zur Idee des Passentzugs befragt. Denn das und der Ersatz-Personalausweis werden als Maßnahmen verkauft, die den Terroristen Einhalt gebieten sollen, obwohl es natürlich hundertprozentige Sicherheit nicht geben kann (Ziercke).
Ein gewisser Schwerpunkt des Neusprechfunk 6 (mp3) ist die Analyse von Interviews mit ebenjenem Jörg Ziercke, beispielsweise in der Zeitschrift Kriminalistik (Nr. 12 von Dezember 2014, Seite 724, nur als Abstract online) und in der „Welt“ (21. Juni 2006, Seite 3, nicht online). Wir lernen dort beispielsweise, dass Extremisten im Internet die Wortführer sind.
In den verschiedenen Interviews (unten verlinkt), die wir besprochen haben, macht Ziercke Angaben darüber, wie die Anzahl der vereitelten Anschläge und Ermittlungsverfahren bei „islamistischem Terrorismus“ immerfort wächst und „Kryptierung“ alltäglich wird. Kai erklärt bei der Gelegenheit seine Theorie der rosa Elefanten.
Wir wenden uns auch in anderem Zusammenhang der Politikersprache zu: Am 10. November 2014 schrieb Edo Reents, Literaturredakteur und nun Nachfolger von Nils Minkmar, in der FAZ unter dem Titel „Mit Verlaub“ über die Kultur der parlamentarischen Beleidigung.
Am Beispiel von Liedermacher Wolf „Drachentöter“ Biermann, der zum 25. Jubiläum des Mauerfalls in den Bundestag eingeladen war und dabei die Linkspartei als Reste der Drachenbrut beschimpfte, diskutieren wir ein paar Invektiven vergangener Legislaturperioden. Herbert Wehner wird als Beispiel herangezogen, aber es finden sich recht viele weitere Beispiele. Unter den Favoriten ist sicher Heiner Geißlers größte parlamentarische Haubitze aller Zeiten für Wehner.
Angesichts des Mauerfalljubiläums haben wir auch noch einen Blick in eine alte Junge Welt (vom 5. September 1989, Einzelpreis: zehn DDR-Pfennig) geworfen. Der Sprecher des DDR-Außenministeriums, Genosse Wolfgang Meyer, schimpft darin auf die „illegalen Grenzübertritte via UVR“ (also Ungarn), die nach Beginn der Demontage der Sperranlagen im Mai 1989 und insbesondere in den DDR-Sommerferien im Juli zugenommen hatten. Der Artikel wurde seinerzeit auch in der DDR-Nachrichtensendung Aktuelle Kamera verlesen.
Von der zügellosen Hetzkampagne kommen wir zur Angstkampagne, die Klaus-Dieter Frankenberger von der FAZ ausgemacht hat.
Wir widmen uns außerdem Willy Brandt und der ihm zugeschriebenen Phrase Es wächst zusammen, was zusammengehört. Der Text von Günter Bannas im Politikteil der FAZ (13. Oktober 2014, Seite 3) hat den wunderbaren Titel In der Erinnerung zusammengewachsen und beschäftigt sich mit einem Buch des Dietz-Verlages, in dem Reden Willy Brandts zusammengetragen werden sollten, wobei auffiel, dass Brandts berühmtes Zitat so gar nicht gefallen war.
Wir haben außerdem – neben zu internierenden oder zu verwahrenden Fast-Gefährdern – gesprochen über:
- den schon erwähnten und nun in den Ruhestand verabschiedeten Jörg Ziercke und den vom ihm über viele Jahre hinweg gefürchteten rechtsfreien Raum Internet. Die Interviewquellen legen wir hiermit offen, sofern sie online sind: Cicero (pdf, Oktober 2014, Seite 68), Tagesspiegel (vom 6. September 2010, Seite 4) und Focus (vom 4. September 2006, Seite 42),
- die Lügenpresse und die Wächterfunktion von Journalisten,
- „Predictive Policing“, also Computer-Prognosen über zukünftige Straftaten, die unter dem Begriff Precobs durch die Presse gingen,
- die Besitzstandspopulisten.
Neusprechfunk 6 als mp3. Alternativ: ogg-Version von Neusprechfunk 6.
Vermutlich haben wir das letzte Mal das Equipment von Frank und Fefe genutzt, wollen aber nicht vergessen, uns dafür herzlich zu bedanken! :}
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Hallo zusammen,
die früheste Erwähung des Besitzstandspopulismus habe ich einem Interview der Frankfurter Hefte mit Reinhard Bütikofer gefunden, welches im Mai 2007 stattfand. Auf der Seite 4 erwähnt es der Interviewer erstmals, Bütikofer greift es in seiner Antwort dann auf.
http://www.frankfurter-hefte.de/upload/Archiv/2007/Heft_06/PDF/0706_20_24.pdf
Viele Grüße!
Diese Folge des Neusprechfunks war meine erste. Mir ist das Format mit zwei Stunden zu lang und zu wenig fokussiert, deshalb habe ich mein RSS-Abonnement wieder abbestellt. Trotzdem finde ich euer Projekt im gesellschaftlichen Diskurs gut und wichtig. Den Blog neusprech.org lese ich weiterhin.
Zum Thema Besitzstandspopulismus:
Bereits 2007 in den Frankfurter Heften:
http://www.frankfurter-hefte.de/upload/Archiv/2007/Heft_06/PDF/0706_20_24.pdf
“Sie kriegen nie genug”, Tanjev Schultz [Süddeutsche Zeitung, 17.11.2014, S.4]: http://pastebin.com/QC3rB6yx
Die erste Benutzung des Worts “Kryptierung” beim Bundestag ist laut Drucksachenarchiv 1984 in der “Konzeption der Bundesregierung zur Förderung der Entwicklung der Mikroelektronik, der
Informations- und Kommunikationstechniken”
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/10/012/1001281.pdf
Zum Thema “Big Data in der Strafverfolgung”: Glaubt Ihr wirklich, dass ein oder zwei Polizeibeamte mehr mit ihrer subjektiven Sicht der Dinge besser die anfallenden Daten verarbeiten können als eine Software? Problematisch ist eher das, was man aus der Software rauszieht und eventuell wieder subjektiv und/oder populistisch verwendet, nicht die Software ansich.
Laut Wikipedia ist der Schrägstrich der “Solidus” und Virgel sind eine Art Vorversion des Kommas.
Danke erst mal für die neue Folge, deren Erscheinen ich schon sehnlich erwartet habe!
Etwas verwundert war ich, dass die Folge so abrupt beendet wurde? Eigentlich wart ihr doch gerade mitten im Gespräch, hattet die ganzen DDR-Zeitungen ausgepackt und ich dachte, jetzt werden die schön analysiert?
Noch ein technischer Hinweis: Ich fand, dass maha im Vergleich zu Kai und Constanze eine ganze Ecke lauter ist. Beim Hören mit Kopfhörern ist das auf Dauer recht anstrengend. Nutzt ihr Auphonic für eure Podcasts?
Wenn man statt Ngram Google direkt durch die Bücher suchen lässt, kommt man bei “Kryptierung” auf das 1980 erschienen Buch “Mit leerem Kopf nickt es sich leichter: satirische Aphorismen”. Da der Volltext leider nicht vorhanden ist, kann man das Vorkommen des Wortes nicht verifizieren. Vielleicht hat Google den Volltext intern, darf ihn aber nicht ausliefern.
Für ein anderes Buch kann ich aber die bisher genannte Drucksache des Bundestages (1984) um ein Jahr unterbieten. Auf Seite 12 und 22 des Buches “Datenverschlüsselung in Kommunikationssystemen” wird “Kryptierung” erwähnt; der Autor diskutiert sogar kurz inwieweit der Begriff sinnvoll ist. Eintrag bei der Deutschen Nationalbibliothek: https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=9783322939104
Das Literaturverzeichnis des Buches “Bürokommunikation und Informationssicherheit” von Gerd Wolfram impliziert sogar, dass das Manuskript für “Datenverschlüsselung in Kommunikationssystemen” bereits 1982 vorlag, wobei natürlich nicht ohne weitere Recherche klar ist, ob die beiden Erwähnungen von “Kryptierung” bereits im Manuskript vorhanden sind.
Wenn ich schon mal beim Kommentieren bin, eine Kleinigkeit, die mir auffel: Constanze nutzt ständig die Phrasen/Wörter “meine Herren”, “Männer” und “anyway”. Während man über die Nutzung von “anyway” vielleicht streiten kann, erschaudere ich immer ein wenig bei den anderen beiden. Eigentlich ist doch sowieso keine Anrede nötig, wir wissen ja, wem wir gerade zuhören.
Und der Witz mit der “Echtheit” des Zeitungsraschelns im Hintergrund wird beim sechsten Mal auch nicht lustiger. :D Aber vielleicht ist auch meine Wahrnehmung verzerrt, weil ich alle sechs Folgen innerhalb von drei Wochen angehört habe. Ich finde den Podcast auf jeden Fall super und freue mich auf weitere Ausgaben!
Die älteste, allerdings indirekte, Quelle zu “Kryptierung”, die ich gefunden habe, ist das Antonym Dekryptierung in “Systematische Übersicht der wichtigsten
Begriffe der Kryptologie. NfD-Nr.: 1273/57” aus dem Jahr 1957 (http://scz.bplaced.net/fachbegriffe.html#b1957). Das Verb “kryptieren” trat ab 1983 auch in der Dienstvorschrift “PDV/DV 810. Sprechfunkdienst” auf. Das Substantiv “Kryptierung” findet sich in vielen VS-Anweisungen von Behörden.
Vielen Dank für das kurz-weilige und informative Gespräch!