Das Bundeskriminalamt bekämpft Kriminalität, klar. Dass es sich dabei vor allem um schwere und →schwerste Kriminalität kümmert, liegt auch nahe. Aber nun kommt noch eine neue Kriminalität hinzu, für die sich das BKA interessieren soll, die H. Der Ausdruck ist eine Übersetzung des amerikanischen hate crime und wirkt im Deutschen seltsam. Das erste Kompositionsglied hat hier eine hyperbolisierende Funktion: H. klingt schlimmer als „einfache“ Kriminalität, vielleicht sogar übler als schwere oder schwerste. Das ist erstaunlich, da Hass an sich gar nicht justiziabel ist. Und ist Kriminalität aus Eifersucht oder Gier weniger furchtbar als Kriminalität aus Hass? Muss emotionslose Kriminalität nicht ebenso bekämpft werden wie emotional motivierte? Selbstverständlich. Wir merken, es geht womöglich gar nicht um Hass. Kriminalisten reden daher auch lieber von Vorurteilskriminalität. Gemeint sind Straftaten, die begangen werden, weil der Täter oder die Täterin eine ganze Gruppe von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Religion, ihres sozialen Status oder ihrer Sexualität ins Visier nimmt, ohne eine besondere Beziehung zum Opfer zu haben. Damit ergibt sich eine Bedrohung für sehr viele Menschen, weshalb es wichtig ist, solche Formen der Kriminalität zu bekämpfen. Als politisches Schlagwort taugt die Vorurteilskriminalität jedoch nicht so gut, da macht sich Hass schon besser. Die Vokabel H. täuscht allerdings darüber hinweg, was in der politischen Debatte eigentlich gemeint ist, beispielsweise beleidigende Kommentare im Internet. Sie klingt viel gefährlicher. Und wirkt damit besser, wenn das BKA mehr Mittel für mehr Überwachung will.
Schummelsoftware
Schummeln ist nicht nett, aber auch kein Weltuntergang. Und genau mit diesem Verständnis eines eigentlich harmlosen Vergehens spielt der Ausdruck S. Vor allem beim massenhaften Betrug von Autoherstellern wurde er jahrelang verwendet und wird es noch immer. Doch findet sich die Verharmlosung S. auch bei Berichten über Kassen, die Wirten dabei helfen sollen, Steuern zu hinterziehen. Im besten Fall ist es Gedankenlosigkeit, die dazu führt, eine Straftat so zu beschönigen. Doch spätestens wenn Täter den Ausdruck nutzen, steckt dahinter wohl mehr.
Mit Dank an Jürgen F.
Firewall, große
Technischer Begriff aus dem Englischen, übersetzt ‘große Brandmauer’. Bezeichnung der chinesischen Regierung für Überwachungs-, Filter- und Blockiermaßnahmen im Internet. Die F. macht es Einwohnern und Einwohnerinnen in China nahezu unmöglich, das Internet unbeobachtet und ungefiltert zu nutzen. Damit ist sie eine staatliche Zensur freier Meinungsäußerungen. In der Argumentation der Kommunistischen Partei Chinas ist die F. jedoch eine „vorübergehende Verteidigungswaffe“, mit der man „westliche Versuche zur ideologischen Eroberung Chinas“ unterbinde. So zumindest beschrieb es ein anonymer Leitartikel im April 2016 in der staatsnahen Zeitung Global Times („Why does the Western media hate the GFW so much?“, online nicht mehr verfügbar). Der Begriff F. suggeriert dabei – noch dazu verstärkt durch das Adjektiv groß – einen Schutz vor gefährlichen äußeren Einflüssen, wie es seinerzeit die chinesische Mauer tat, die auch die Große Mauer genannt wurde – ein beeindruckendes Denkmal, auf das China zurecht stolz ist. Jedoch geht es der chinesischen Regierung mit der F. vor allem darum, die eigenen Menschen zu überwachen und einzusperren, um die Macht der Regierung über sie zu schützen. Mit der gleichen Argumentation wurde die Mauer an der innerdeutschen Grenze, die das Land in ein Gefängnis verwandelte, von der Regierung der DDR zu einem →„antifaschistischen Schutzwall“ umgedeutet.
Neusprechfunk 19
Wahrscheinlich sollte man sowas vorher nicht verraten, aber das ist dieses Mal kein netter Podcast. Der Neusprechfunk 19 ist natürlich wahnsinnig interessant und spannend und alles. Aber leider geht es in den fast zwei Stunden nur selten um nette Dinge. Wobei, eigentlich tut es das beim Neusprechfunk ja nie. Das ist das Leid, wenn man sich mit politischer Sprache auseinandersetzt. Ihr kennt das schon und es schreckt Euch offensichtlich nicht ab. Danke dafür!
Worüber also reden wir? Constanze beschäftigt sich mit der CDU und mit den von ihr (von der CDU, nicht von Constanze) so gern errichteten → Brandmauern. Weil sie gerade dabei waren, haben Mitglieder dieser Partei gleich noch → Integrationsgrenzen gezogen. Die kommentieren wir selbstverständlich auch. Vor allem aber reden wir über das → Korrekte-Sprache-Gesetz und die absurden Ideen dahinter. Diese Schöne-Worte-Gesetze waren bei uns schon häufiger Thema.
Maha hat sich das neue Grundsatzprogramm der CSU angeschaut, wie er es in Ausgabe 18 versprochen hatte. Die möchte gern eine „Liberalitas Bavariae“ als „Gegenentwurf zu Identitätspolitik und Wokeness“ etablieren. Wir reden darüber, warum das nichts mit der Liberalitas Bavarica zu tun hat und was die CSU mit all dem eigentlich ausdrücken möchte.
Kai hat sich den Bundeshaushalt vorgenommen, den der Bundestag gerade beschlossen hat. Er hat vor allem nachgeschaut, in welchen Bereichen Geld gestrichen wird. Wir besprechen das am Beispiel der “Einzelpläne” 9, 17 und 30. Das sind die Etats des Wirtschafts-, des Familien- und des Bildungsministeriums. Und ja, die Antwort auf die Frage, wo gestrichen wird, könnte Euch und die Bevölkerung beunruhigen.
Einen schönen Teil gibt es aber doch, ganz am Ende: Constanze hat ein Büchlein dabei, in dem sie vor vielen Jahren Begriffe gesammelt hatte, die ihr damals unbekannt waren, damit sie deren Bedeutung später nachschlagen kann. Das ist echter Bildungshunger! Aus dem Büchlein trägt sie vor und lässt uns die Begriffe raten. Und das ist auf ganz vielen Ebenen großartig. Für uns bietet sich dabei zudem eine famose Gelegenheit, über die Metamorphose sprachlicher Usancen zu sinnieren. Ihr merkt es vielleicht schon, es geht um Fremdwörter.
Aber hört selbst: Hier ist der Podcast, wie immer als mp3 und natürlich auch wahlweise als .ogg-Version. Viel Vergnügen!
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Kohlendioxid-Bepreisung
Der CO2-Ausstoß in Deutschland muss wie auch sonst auf der Welt reduziert werden. Das ist nur zu schaffen, indem ein hoher CO2-Ausstoß teuer, eine Vermeidung von CO2 jedoch finanziell vorteilhaft ist. Es liegt also nahe, Steuern auf CO2 zu erheben. Dummerweise sind Steuererhöhungen unpopulär. Da hilft nur Neusprech: So wurde die K. erfunden und plötzlich klingt die Steuer nach Wirtschaft und modern. Interessant ist, dass wenn man nach Bepreisung sucht, neben der K. auch die Bepreisung von Autobahnen auftaucht, also wieder ein negativ konnotiertes Wort vermieden werden soll, nämlich Maut, was ja auch eine Steuer ist. Merke: Nur eine Steuer, die nicht so heißt, ist eine gute Steuer.