Banken werden derzeit gern als systemrelevant (positiv) beschrieben, Kreditausfälle hingegen als schwer systemgefährdend (negativ). Das klingt heikel: das gesamte System könnte zum Teufel gehen, wenn dieses eine Rädchen bricht, immerhin ist es ja systemrelevant, auweia! Dann sollten wir wohl besser auf unsere Bundeskanzlerin hören und mit ganz viel Geld dafür sorgen, dass nicht wieder so eine systemgefährdende Störung der Atomkraftwerke Finanzmärkte auftritt. Wobei … für ein System gilt doch eigentlich, dass alles, was zu ihm gehört, auch relevant ist, oder? Immerhin hängt in einem System alles mit allem zusammen. Wem auf der Autobahn schon mal eine Radmutter abhanden kam, weiß wohl, was gemeint ist. Somit ist alles im System relevant und jede Störung gefährdend, nicht nur so eine Finanzkrise. Das Begriffspaar systemrelevant/systemgefährdend umfasst also entweder alles oder – was wahrscheinlicher ist – gar nichts.
Insolvenz, geordnete
Nachtrag 13. September 2011: stern.de fragt sich angesichts des Begriffes geordnete Insolvenz: „Ordnung und Pleite, wie soll das zusammenpassen?“
Rettungsschirm
Wenn man etwas verkaufen will, gibt es zwei unfehlbare Möglichkeiten: man kann beim Käufer Wähler die Gier oder die Angst schüren. Erstere fällt irgendwie aus, wenn es darum geht, mitten in einer Krise 750 Milliarden Euro wegzuschenken, um notleidende knauserige Banken zu beruhigen und Pleitiers über Wasser zu halten. Bleibt die Angst. Kein Wunder also, dass die Sprache im Zusammenhang mit der sogenannten Finanzkrise, (denn die Finanzen sind in gar keiner Krise, nur die Banken), vor Panikmetaphern nur so strotzt. Doch ob man sich damit wirklich einen Gefallen tut? Ein R. immerhin soll etwas bremsen, was sich ohne ihn im freien und garantiert tödlich endenden Fall befände. Gäbe es ihn nicht, bedeutet das, wäre der Euro erledigt. Doch so stimmt das nicht. Nochmal kurz zu den Ursachen: Geld war lange billig in Europa, weil Wirtschaft und Politik Angst vor einer Krise hatten und die Zinsen niedrig hielten. Daher haben sich einige Länder mehr davon geborgt, als für sie gut gewesen wäre. Sie haben über ihre Verhältnisse gelebt und sind nun bankrott – mit dem Ergebnis, dass die Krise letztlich noch viel schlimmer ist. Das gleiche geschieht nun noch einmal, nur im größeren Maßstab. Wieder wird auf Pump finanziert, was sich eigentlich niemand leisten kann. Doch der Kapitalismus verzeiht solche Dummheit nicht, er ist ein Nullsummenspiel – was einer gewinnt, muss jemand anderes verlieren. Der R. ist also gar keiner, denn er rettet nichts und niemanden. Das Ganze ist viel mehr, wenn man unbedingt einen griffigen Begriff sucht, eine Umwälzpumpe: Das Geld wird umgeschichtet von den vielen Steuerzahlern hin zu den wenigen, die an solchen Geschäften sehr sehr viel verdienen.
Bologna-Prozess
Was hier so griffig klingt, ist sprachlich kompletter Murks. Richtig müsste das ganze Ding, das eine Absichtserklärung für bessere Hochschulen sein will, Bologneser Erklärung heißen. Denn erstens werden im Deutschen Städtenamen adjektiviert, wenn sie ein Substantiv qualifizieren. Niemand würde von einem Göttingen-Pamphlet oder einem Berlin-Manifest sprechen. Warum man das Adjektiv Bologneser vermeiden wollte, ist rätselhaft. Vielleicht klang es den Beteiligten zu kulinarisch, vielleicht nicht ernsthaft genug? Zweitens aber – und das sagt noch viel mehr über den Quark, der da in Bologna angerührt wurde – denkt man bei einem Prozess zunächst an eine Gerichtsverhandlung. In diesem Fall saß man dann wohl über die Stadt Bologna zu Gericht? Nein, das kann bestimmt nicht gemeint gewesen sein. Was dann? Das Wort zumindest geht auf das lateinische procedere‚ zurück, was ,fortschreiten, vorgehen‘ bedeutet. Neben Gerichtsverhandlungen, die eben auf immer gleiche Art vonstatten gehen, meint das Vorgänge, die – einmal angestoßen – von selbst ablaufen. Und offensichtlich hatten genau das die Bildungspolitiker im Sinn: Die anvisierte Reform als unausweichlichen, unumkehrbaren und geradezu natürlichen Prozess darzustellen. Was reichlich vermessen ist angesichts des Chaos, das sie in ihrer Planlosigkeit angerichtet haben. Dank des Etiketts B. aber wirkt es nun, als träfe niemanden die Schuld an dieser Bildungskatastrophe. Hübsch, oder?
Innere Sicherheit
Sicherheit klingt erst mal gut, vor allem wenn es um das Innere, also das uns nahe liegende geht. Das Wort hat also eine positive Konnotation. Dahinter steckt jedoch kein juristischer Begriff, auch wenn die häufige Verwendung durch Politik und Medien dies vermuten lässt. Es existieren daher auch keine Normen und Gesetze, die I. einschränken oder wenigstens begründen. I. ist völlig unscharf, grenzenlos, immer anwendbar und kann durch praktisch jeden bedroht werden, durch internationalen Terrorismus genauso wie durch Jugendkriminalität oder Chaoten. Ja, I. beginnt mit sozialer Sicherheit, also in der Familie. Das macht sie zur Allzweckwaffe der Politik. Sie soll nahe legen, dass es um den Schutz der Bürger vor Gefahren geht. Begründet aber werden damit am liebsten Schutzmaßnahmen des Staates vor dem Bürger. Funktioniert prima, denn wer Maßnahmen der I. widerspricht, muss entweder verrückt oder ein Gefährder sein – wahrscheinlich sogar beides.