Fortschrittsverweigerer

Ein Gastbeitrag von Stefan Kruppa

Auch Technik- oder Modernisierungsverweigerer. Bezeichnung für die Gegner von Vorhaben, die gefördert werden sollen, um die Gesellschaft Wirtschaft zu entwickeln. Die Beschimpfung als F. ist der Versuch, Kritik an diesen Plänen zu diffamieren, indem an den Glauben appelliert wird, Neues sei per se besser als Altes; wer es kritisiert, müsse folglich verstaubt dumm sein. Spaßigerweise dient damit das entsprechende Vorhaben als Begründung für sich selbst – es ist neu, das genügt, ob es taugt, ist egal. Weniger lustig ist, dass vielleicht sinnvolle Gegenargumente nicht als notwendige Debatte dargestellt werden, jene Technik verantwortungsvoll einzusetzen, sondern als Ignoranz und Beschränktheit erscheinen. Ist so etwas wie ein Judotrick des Neusprech, der die Energie des Gegners gegen ihn selbst wendet. Wird dementsprechend häufig angewendet, vor allem bei riskanten und/oder teuren Ideen zum Beispiel in den Bereichen Atomkraft, Genetik oder Verkehr.

Fahrzeitverlängerung

Begriff der Deutschen Bahn AG, daher Bahnsprech: Umschreibung für eine Verspätung. Die F. wirkt sachlich korrekt, erweckt dabei aber den Eindruck, als bekämen Reisende mehr für ihr Geld, als ihnen eigentlich zusteht. Was (garantiert unfreiwillig) offen legt, warum die Bahn so ungern Vergütungen und Entschädigungen zahlt, wenn ihre Züge zu spät kommen: Sie findet offensichtlich, der Reisende habe für die Mehrnutzung des Bahnmaterials eigentlich einen Zuschlag zu zahlen. Wird gern auch im Plural verwendet: Fahrzeitverlängerungen.

Kreativwirtschaft

Kreativität, schrieb einst der unvergleichliche Eckhard Henscheid, sei „ein faselndes Laberwort vor dem Hintergrund einer zunehmend schwelenden kollektiven Geisteskrankheit“, vor allem aber ein Zeichen für „stupide Geltungssucht“. Der K. nun ist es mit dieser Neusprechverwendung glatt gelungen, diesem Urteil noch eine neue Dimension hinzuzufügen: Kreativität ist demnach auch gnadenlose Ausbeutung. Denn die sich hier selbst beschreibende Wirtschaft, vulgo die Verlage, ist vor allem kreativ darin, ihren Knechten, den Urhebern, mit undurchschaubaren Vertragsklauseln die ureigenen Rechte abzuhandeln, ja noch neue zu erfinden, um die Leistung anderer überall, absolut und für alle Ewigkeit zum eigenen Wohl verwerten und verwursten zu können. Denen, die eigentlich Neues schaffen und erdenken, bleibt angesichts solcher Dreistigkeit nur der Trost, dass eine kollektive Geisteskrankheit dieses Ausmaßes irgendwann zum Wegsperren führt.

Endlager

Ach wär’ das schön, nicht wahr? Verzeihen Sie den Sarkasmus, aber ein E. ist ein ähnlich verheißungsvolles (und unerfüllbares) Versprechen, wie jenes, das die Bibel mit dem Himmelreich macht: ein Ort, an dem man aller Probleme ledig sei. Endgültig steckt darin und Ende. Hier wird Hoffnung verkauft, hier werden Lösungen vorgegaukelt und das nicht zu knapp. Dabei geht es um eine atomare Müllkippe. Die nicht einmal endgültig sein soll. Denn das strahlende Zeug – soweit ist die Einsicht bereits –, lässt sich nirgends so verklappen, dass es tatsächlich auf ewig 300 Jahre 40 Jahre keinen Schaden anrichtet. Also will man es auch wieder ausbuddeln können, vorsichtshalber. (Und in der berechtigten Annahme, dass der Kram irgendwann knapp und damit teuer wird, und man ihn ja auch in eine Wiederaufbereitungsanlage schaffen könnte). Insofern ist das E. nicht nur ein Heilsversprechen, also eine Zwecklüge, sondern auch eine contradictio in adiecto, beziehungsweise ein Oxymoron.

Lohnzurückhaltung

Zurückhaltung ist etwas Vornehmes, etwas, dass man freiwillig übt, um sich und anderen das Leben angenehmer zu machen. Die L. jedoch ist nur der verbrämte Befehl an all jene, die ihre Arbeitskraft für einen Lohn verkaufen müssen, dies doch gefälligst billiger zu tun. Man könnte es auch Erpressung nennen. Zu allem Überfluss steckt darin der Vorwurf, selbst Schuld zu sein, wenn man für diese Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt nichts mehr bekommt, sozusagen freigestellt wird, schließlich war man offensichtlich zu teuer. Welche Chuzpe sich in dieser Form der Ausbeutung verbirgt, sieht man jetzt, wo die Wirtschaft wieder wächst: Da sagt der Wirtschaftsminister, dass vom Aufschwung auch die Arbeitnehmer profitieren müssten, immerhin hätten sie ihn durch ihre L. mit erarbeitet. Ein paar Krümel als Dank. In den achtziger Jahren gab es diese zynische Kampagne schon einmal, damals hieß sie Lohnvernunft und wurde selbstverständlich von denen erwartet, die Lohn erhalten, nicht etwa von denen, die ihn zahlen. Seltsamerweise hat noch niemand eine Gewinnzurückhaltung oder Überschussvernunft angemahnt, wahrscheinlich weil die Suche nach solch noblen Eigenschaften bei Konzernlenkern vergeblich wäre. Wie sonst ist es erklärbar, dass Chefs großer amerikanischer Firmen inzwischen an einem Tag mehr verdienen, als der durchschnittliche Arbeiter in einem Jahr? Tendenz steigend.