kapitalmarktfähig

Ein Unternehmen ist k. (auch “fit für die Börse” genannt, was noch viel schmissiger und gesünder klingt), wenn es große Gewinne zu erzielen verspricht. Die sind ja heutzutage das A und O, auch wenn dem einen oder anderen Politiker inzwischen aufzugehen scheint, dass Gier nicht immer der beste Motor des Fortschritts ist. Bislang haben so ein paar Bedenken aber nicht wirklich viel geändert. Maximale Gewinne also. Die kann man, wenn man Glück hat und gut ist, durch nachhaltiges vernünftiges Wirtschaften erzielen. Oder sehr viel leichter und schneller durch Sparen an jedem Ort (Ausnahme Vorstandsbezüge). Bei letzter Methode jedoch kann es geschehen, dass die Optimierung Kostendämpfung Kürzung auch an falscher Stelle verordnet wird, bei der systemrelevanten Instandhaltung des einzigen Produktes etwa. Dass dies letztlich dazu führt, dass das Unternehmen alles andere als k. wird, mag man als Unfall betrachten. Eigentlich aber ist es ein Fehler im System. Oder, in Anlehnung an das, was der Berufszyniker Ambrose Bierce schon vor einhundert Jahren schrieb: Preis ist der Wert eines Gegenstandes, zuzüglich einer angemessenen Entschädigung für die Abnutzung des Gewissens, die dadurch entsteht, ihn zu erwirtschaften. Viel Gewinn, so also das daraus resultierende Ergebnis, gleich wenig Gewissen.

Mit Dank an mezcal für die Anmerkungen.

systemrelevant, systemgefährdend

Banken werden derzeit gern als systemrelevant (positiv) beschrieben, Kreditausfälle hingegen als schwer systemgefährdend (negativ). Das klingt heikel: das gesamte System könnte zum Teufel gehen, wenn dieses eine Rädchen bricht, immerhin ist es ja systemrelevant, auweia! Dann sollten wir wohl besser auf unsere Bundeskanzlerin hören und mit ganz viel Geld dafür sorgen, dass nicht wieder so eine systemgefährdende Störung der Atomkraftwerke Finanzmärkte auftritt. Wobei … für ein System gilt doch eigentlich, dass alles, was zu ihm gehört, auch relevant ist, oder? Immerhin hängt in einem System alles mit allem zusammen. Wem auf der Autobahn schon mal eine Radmutter abhanden kam, weiß wohl, was gemeint ist. Somit ist alles im System relevant und jede Störung gefährdend, nicht nur so eine Finanzkrise. Das Begriffspaar systemrelevant/systemgefährdend umfasst also entweder alles oder – was wahrscheinlicher ist – gar nichts.

Insolvenz, geordnete

Eine I. geordnet, daher in kalkulierbaren Schritten und ohne Durcheinander abzuwickeln, dürfte in etwa dem Vorhaben entsprechen, einen Kreis vollständig in Quadrate einzuteilen. Immerhin ist eine I. der Zustand der Unfähigkeit, eingegangene (Zahlungs-) Versprechen einzulösen und wird regelmäßig hervorgerufen durch Misswirtschaft oder chaotische Umstände. Der erste Schritt eines Insolvenzverwalters besteht somit darin, das Chaos soweit zu sortieren, dass er zumindest einen vagen Überblick bekommen kann, wie viel noch da ist und wie viel von wem gefordert wird. Rhetorisch darf eine geordnete I. daher getrost als Synekdoche gelten, als Versuch also, einen Begriff durch einen ähnlichen mit jedoch anderer Bedeutung zu ersetzen. Das Warum ist dabei offensichtlich: Wenn ein Minister beispielsweise davon spricht, „erhebliche Steuermittel“ seien bei der geordneten I. des Opelkonzerns „gut angelegt“, dann will er beruhigen. Noch viel mehr, wenn es gar um komplette Staaten oder um eine ganze Währung geht. Wirklich beruhigend aber ist diese Bezeichnung nicht, denn bei einer I. verliert immer irgendwer, mag sie noch so geordnet sein.

Nachtrag 13. September 2011: stern.de fragt sich angesichts des Begriffes geordnete Insolvenz: „Ordnung und Pleite, wie soll das zusammenpassen?“

Rettungsschirm

Wenn man etwas verkaufen will, gibt es zwei unfehlbare Möglichkeiten: man kann beim Käufer Wähler die Gier oder die Angst schüren. Erstere fällt irgendwie aus, wenn es darum geht, mitten in einer Krise 750 Milliarden Euro wegzuschenken, um notleidende knauserige Banken zu beruhigen und Pleitiers über Wasser zu halten. Bleibt die Angst. Kein Wunder also, dass die Sprache im Zusammenhang mit der sogenannten Finanzkrise, (denn die Finanzen sind in gar keiner Krise, nur die Banken), vor Panikmetaphern nur so strotzt. Doch ob man sich damit wirklich einen Gefallen tut? Ein R. immerhin soll etwas bremsen, was sich ohne ihn im freien und garantiert tödlich endenden Fall befände. Gäbe es ihn nicht, bedeutet das, wäre der Euro erledigt. Doch so stimmt das nicht. Nochmal kurz zu den Ursachen: Geld war lange billig in Europa, weil Wirtschaft und Politik Angst vor einer Krise hatten und die Zinsen niedrig hielten. Daher haben sich einige Länder mehr davon geborgt, als für sie gut gewesen wäre. Sie haben über ihre Verhältnisse gelebt und sind nun bankrott – mit dem Ergebnis, dass die Krise letztlich noch viel schlimmer ist. Das gleiche geschieht nun noch einmal, nur im größeren Maßstab. Wieder wird auf Pump finanziert, was sich eigentlich niemand leisten kann. Doch der Kapitalismus verzeiht solche Dummheit nicht, er ist ein Nullsummenspiel – was einer gewinnt, muss jemand anderes verlieren. Der R. ist also gar keiner, denn er rettet nichts und niemanden. Das Ganze ist viel mehr, wenn man unbedingt einen griffigen Begriff sucht, eine Umwälzpumpe: Das Geld wird umgeschichtet von den vielen Steuerzahlern hin zu den wenigen, die an solchen Geschäften sehr sehr viel verdienen.

Bologna-Prozess

Was hier so griffig klingt, ist sprachlich kompletter Murks. Richtig müsste das ganze Ding, das eine Absichtserklärung für bessere Hochschulen sein will, Bologneser Erklärung heißen. Denn erstens werden im Deutschen Städtenamen adjektiviert, wenn sie ein Substantiv qualifizieren. Niemand würde von einem Göttingen-Pamphlet oder einem Berlin-Manifest sprechen. Warum man das Adjektiv Bologneser vermeiden wollte, ist rätselhaft. Vielleicht klang es den Beteiligten zu kulinarisch, vielleicht nicht ernsthaft genug? Zweitens aber – und das sagt noch viel mehr über den Quark, der da in Bologna angerührt wurde – denkt man bei einem Prozess zunächst an eine Gerichtsverhandlung. In diesem Fall saß man dann wohl über die Stadt Bologna zu Gericht? Nein, das kann bestimmt nicht gemeint gewesen sein. Was dann? Das Wort zumindest geht auf das lateinische procedere‚ zurück, was ,fortschreiten, vorgehen‘ bedeutet. Neben Gerichtsverhandlungen, die eben auf immer gleiche Art vonstatten gehen, meint das Vorgänge, die – einmal angestoßen – von selbst ablaufen. Und offensichtlich hatten genau das die Bildungspolitiker im Sinn: Die anvisierte Reform als unausweichlichen, unumkehrbaren und geradezu natürlichen Prozess darzustellen. Was reichlich vermessen ist angesichts des Chaos, das sie in ihrer Planlosigkeit angerichtet haben. Dank des Etiketts B. aber wirkt es nun, als träfe niemanden die Schuld an dieser Bildungskatastrophe. Hübsch, oder?