Probewirkbetrieb

Wird hier ausprobiert? Oder wirkt irgendetwas schon? Oder wird ausprobiert, wie etwas wirkt, oder ob es überhaupt wirken kann? Der P. vereint all diese Möglichkeiten und lässt damit die eigentliche Handlung im Dunkeln. So wie rechts und links zusammen sprachlich nicht geradeaus ergibt, sondern rinks und damit Unsinn. Es wäre amüsant, wenn der Hintergrund nicht so ernst wäre. Denn das Bundesamt für Verfassungsschutz hat den P. hervorgekramt, um den Einsatz der Spionagesoftware XKeyscore der NSA zu beschreiben, die der Verfassungsschutz … ja, was eigentlich? Testet? Einsetzt? Eben das vernebelt der Ausdruck. Laut Verfassungsschutz wird XKeyscore seit bald drei Jahren getestet, weil man der NSA-Software nicht traut, ihren Quellcode nicht kennt und nicht genau weiß, was sie wirklich tut. Der Test aber läuft mit echten Daten, die aus Operationen des Verfassungsschutzes stammen, bei denen deutsche Staatsbürger abgehört wurden. Im NSA-Untersuchungsausschuss fragte der Grüne Obmann Konstantin von Notz daher sarkastisch, ob er auch mit seinem Auto ohne TÜV auf die Straße dürfe, wenn er verspreche, dass das nur ein P. sei. Beantwortet wurde ihm die Frage vom Verfassungsschutz nicht. Dabei ist der P. schon lange im Dienst. Er wurde nicht extra für die Spionagesoftware XKeyscore erfunden, sondern geistert schon seit Jahren durch das Innenministeriumsdeutsch. So war zum Beispiel das Informationssystem zur automatisierten Personenfahndung, bekannt unter dem Akronym INPOL neu, eine ganze Weile im P. Genau wie das Service- und Competence-Center TKÜ, besser bekannt als Zentralstelle für Kommunikationstechnologien – beides freundliche Umschreibungen für eine zentrale Abhörstelle von Polizei und Bundeskriminalamt, die zum Bundesverwaltungsamt und damit zum Innenministerium gehört. Nebenbei: Competence Center ist ein Pseudoanglizismus, also ein ins Englische falsch übersetztes deutsches Wort ( Kompetenzzentrum), denn auf Englisch heißt es korrekt competency center. Aber zurück zum P., den scheint das Ministerium immer dann hervorzuholen, wenn es um ziemlich private und damit ziemlich heikle Daten geht. Was die Vermutung nahelegt, dass der Begriff bewusst verschleiert.

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2 Kommentare

  1. Kai, so weit ich verstanden habe, sei das zusammengesetzte Wort „Probewirkbetrieb“ ein amüsanter Unsinn, da die Bedeutungen seiner Bestandteile in Widerspruch stünden. Zudem verweise das Wort auf eine Handlung, die aber durch den Gebrauch dieses Wortes nicht klar bestimmbar sei.

    1. Antwort: Ein Betrieb handelt nicht!

    Was auch immer „Probewirkbetrieb“ bezeichnet, so scheint es doch irgendeine Art von Betrieb zu sein. Eine Maschine kann in Betrieb sein. Und ein Betrieb kann eine Einrichtung sein, die Maschinen herstellt. Aber weder Maschinen noch Betriebe führen Handlungen aus. Das können nur Menschen. (Bei Tieren ist man sich weniger einig.) Mit „Probewirkbetrieb“ kann also sinnvollerweise keine Handlung gemeint sein.

    2. Antwort: Proben widerspricht Wirken nicht!

    „Probewirkbetrieb“ so zu verstehen, dass ein Probebetrieb einem Wirkbetrieb gegenübergestellt ist, wäre tatsächlich verwirrend. Vielleicht kann man den Begriff Probewirkbetrieb besser als einen Wirkbetrieb auf oder zur Probe verstehen.

    Projektmanager reden oft von Wirkbetrieb. Damit bezeichnen sie den letzten Teilschritt oder die letzte Phase eines Projektes, also eines Vorgehens von einer Idee zu einem Produkt. Und im Duden ist die Bedeutung von „Probebetrieb“ mit „erstes Laufen einer Maschine oder einer technischen Anlage zur Erprobung ihrer Funktionen und Leistungsfähigkeit“ erklärt. Dort wird auch der „Versuch, bei dem jemandes oder einer Sache Fähigkeit, Eigenschaft, Beschaffenheit, Qualität o. Ä. festgestellt wird“ als „Probe“ verstanden.

    Der Begriff Wirkbetrieb ist also eher mit einer Bedeutung im Bereich Organisation und Planung sinnvoll anwendbar. Wohingegen die Bedeutungen von Probebetrieb und Probe eher im Zusammenhang mit Handlungen angesiedelt sind.

    Im Web finden sich leicht einige Primärtexte, in denen das Wort „Probewirkbetrieb“ vorkommt. Die thematischen Kontexte sind immer die gleichen. Irgendein wichtiges Arbeits- oder Kommunikationsmittel soll ersetzt oder wesentlich erweitert werden. Das geschieht, indem ein zweites, neues Mittel für eine bestimmte Zeit zur Erprobung dem bisherigen System zur Seite gestellt wird. Mit dem neuen Mittel lässt sich vielleicht schon mit der Wirkung neuer Funktionen oder Möglichkeiten arbeiten. Das bisherige Arbeits- oder Kommunikationsmittel bleibt dabei in seiner Verfügbarkeit unberührt. Das neue System wird mit der Wirkung seiner Merkmale auf Probe in Betrieb genommen. Es läuft im Probewirkbetrieb.

    Möglicherweise gelten für das Einsatzen von technischen Mitteln auf Probe andere rechtliche oder politische (Rahmen-) Bedingungen als für Mittel im Wirkbetrieb. Aber darin eine Verdunklungstaktik des Staates zu sehen, find ich wierderum verwirrend.

    Mir kommt der Gebrauch von „Probewirkbetrieb“ von Hersteller, Polizeigewerkschaft u.a. eher wie eine Art technokratischer Wollust vor.

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