B. (auch Biokraftstoff) hat mit Biojoghurt und anderen Bioprodukten nichts zu tun. Es darf als unwahrscheinlich gelten, dass ihm je das Biosiegel zuteil werden wird. Bio- ist im Deutschen reihenbildend und (fast schon) ein Präfix, das so viel bedeutet wie „aus biologisch-kontrolliertem Anbau“. Biosprit hingegen wird nicht biologisch-kontrolliert angebaut. Es handelt sich um Benzin, also ursprünglich Erdöl, dem ein geringer Teil Ethanol beigemischt ist, das aus Pflanzen hergestellt wurde. Meist übrigens unter Verwendung von Dünger (der oft mit Hilfe von fossilen Brennstoffen hergestellt wird) oder gar auf frisch gerodetem Urwaldboden. Die Umweltbilanz von B. ist also alles andere als bio (hier verwendet als prädikatives Adjektiv). Nicht einmal Kohlendioxid spart das teure Agrarbenzin, obwohl genau damit seine Einführung begründet worden war. Das positiv konnotierte Präfix mit Sprit oder Kraftstoff (ein Werbewort für Benzin) zu mischen, heißt: zu lügen.
Nachtrag: In den Kommentaren zu diesem Text versucht sich der Biokraftstoffverband an einer Erklärung des Wortes und der Zusammenhänge. Lesenswert!
ein working paper vom öko-institut zum o.g. phänomen iLUC. auf englisch.
h**p://www.oeko.de/oekodoc/1030/2010-082-en.pdf
für die geneigten leser. ich selber habs nich gelesen.
viel vergnügen.
hu
@Biokraftstoff: Aber Orwell bzw. der Roman 1984 sind Ihnen ein Begriff? “Neusprech” ist eindrucksvoller Beleg dafür, welche Macht Sprache entfalten kann. Dieses Instruments bedienen auch Sie sich (un?.. )bewusst, wenn Sie bei ILUC von “sehr umstritten” sprechen- Fakt ist nur, dass verschiedenste Positionen seitens z.b. Naturschützern (BUND) oder Industrie (Sie) oder sonstwem existieren (siehe z.b. nur die Einleitung von: http://en.wikipedia.org/wiki/Indirect_land_use_change_impacts_of_biofuels).
Sie erwecken den Eindruck, es gäbe etwas wie einen wissenschaftlichen Konsens, dass das Sujet nicht existent ist.
mfG J. Milton
@ Kai Biermann:
Sie fragen, ob es sich angesichts der geringen Quote an Biodiesel und Bioethanol (Verzeihung, ich bleibe bei dem Wort) im Kraftstoff nicht um Greenwashing handelt. Außerdem sind Sie der Ansicht, dass sich bei einem größeren Anteil von Biokraftstoffen im Markt negative Effekte einstellen.
Dazu gibt es mehrere Antworten. Den Begriff „Greenwashing“ verstehe ich so, dass etwas getan wird, um ein positives Image zu erzeugen, und dass dadurch andere, viel größere Schwierigkeiten verdeckt werden.
1. Als Produzenten von Biokraftstoffen haben wir keine hintergründige Schwierigkeiten, die wir hinter einem positiven Image von Biodiesel und Bioethanol verstecken wollen – wir wollen Biokraftstoffe verkaufen, die in Deutschland produziert werden. Der Vorwurf des Greenwashing könnte vielleicht die Automobilindustrie treffen, da dort möglicherweise ein Interesse besteht, durch Biokraftstoffe von anderen Problemen abzulenken.
2. Es gab 2007 bereits einen Anteil von rund zwölf Prozent Biodiesel im Dieselmarkt, damals machten Biokraftstoffe über sieben Prozent am gesamten Kraftstoffmarkt aus. Die damaligen Auswirkungen auf den Rohstoffmarkt waren nicht zu verspüren (die Rohstoffe wurden 2006 eingekauft!).
3. Biokraftstoffe sind nicht per se „gut“ oder „schlecht“, es kommt auf die Produktionsweise an. Um Regenwaldabholzungen zu verhindern und Treibhausgase einzusparen, gibt es die Nachhaltigkeitsverordnung (siehe Antwort oben). Klar ist: Ein ungebremstes, zügelloses Wachstum von Biokraftstoffen ist nicht angestrebt – auch nicht von der Industrie, Biokraftstoffe sind aber teil der Lösung der Probleme im Mobilitätssektor.
Sie fordern außerdem Nachhaltigkeitsregeln für die Automobilindustrie.
Solche Regelungen sind auch aus Sicht der Biokraftstoffindustrie dringend erforderlich. Es ist nicht verständlich, weshalb man für Autos, die vorhandene Technik zur effizienteren Mobilität nutzen, hohe Aufpreise zahlen muss. Aber das eine schließt das andere ja nicht aus, Effizienz im Motor und alternative Kraftstoffe gehören vielmehr zusammen.
Andere Antriebsarten als die herkömmlichen Verbrennungsmotoren sind wünschenswert. Deshalb hat die Bundesregierung das Ziel, bis zum Jahr 2020 etwa eine Millionen Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen. Nach der Definition „Fahrzeuge“ gehören hierzu übrigens auch Elektroroller und Elektrofahrräder. Es wäre sehr erfreulich, wenn dieser Wert erreicht würde. Bei einem Fuhrpark in Deutschland von etwa 50 Mio. Autos ist der Wert jedoch verschwindend gering. Vor diesem Hintergrund sehen die 6,25 Prozent Biokraftstoffe im Straßenverkehr, die schon aktuell erreicht werden, ganz positiv aus. Umweltorganisationen wie Greenpeace haben allerdings große Zweifel daran, dass Elektromobilität schnell und umweltschonend eingeführt werden kann.
Auch wenn in zehn oder 20 Jahren viele Elektroautos auf den Straßen sind, ist es derzeit aus technischen Gründen nicht vorstellbar, auch den Lastverkehr mit Elektroantrieb zu bewältigen. Daher werden in diesem Bereich immer Biokraftstoffe ihre Berechtigung haben.
@ Kai Biermann: In einem weiteren Beitrag nennen Sie die Tank-Teller-Frage. Ist es vertretbar, Biokraftstoffe aus Nahrungsmitteln zu produzieren, wenn gleichzeitig etwa 1 Mrd. Menschen weltweit hungern?
Hierzu gibt es viele Argumente, die unter diesem Link zu finden sind.
http://www.biokraftstoffverband.de/de/umwelt.html
Ein wichtiger Faktor:
Es gab über Jahrzehnte eine Überproduktion an Lebensmitteln, die in Europas und Amerikas hochsubventionierter Landwirtschaft produziert wurden. Um diese loszuwerden, haben die Industrienationen zusätzlich den Export subventioniert. Jaques Diouf, Generaldirektor der FAO, sagte vor einiger Zeit, dass die Industrienationen ihre Landwirtschaft TÄGLICH mit einer Milliarde Dollar unterstützten.
Die damit produzierten Waren wurden in Entwicklungsländern verkauft. Damit lohnte sich die Produktion vor Ort nicht mehr, sie wurde also eingestellt. Damit waren diese Länder aber abhängig von Weltmarktpreisen und Importen. Da der Einkauf von Lebensmitteln in vielen Entwicklungsländern einen großen Anteil an den Ausgaben hat, schlagen Preissteigerung in diesem Bereich sehr viel stärker ins Gewicht als z.B. in Europa.
Ein Grund für die Förderung von Biokraftstoffen ist, dass diese problematische Subventionspolitik eingeschränkt werden sollte. Die Überproduktion in Europa findet damit einen eigenen Markt. Damit lohnt sich wieder Landwirtschaft in anderen Ländern. Das tragische ist, dass die Entwicklungshilfe nicht im ländlichen Raum investiert wird. Während die Summe der Entwicklungshilfe aus den OECD – Staaten kontinuierlich steigt, sinkt der Anteil, der in den ländlichen Raum geht, ebenso kontinuierlich. Und das, obwohl die Hungernden zu 80 Prozent auf dem Land leben.
Dem Slogan „Tank oder Teller“ kann man ebenso vereinfachend „Food First“ entgegensetzen, das heißt im Bedarfsfall muss der Rohstoff in die Lebensmittelproduktion gehen. Das ist durch das deutsche Gesetz zur Förderung von Biokraftstoffen und das darin formulierte Strafzahlungssystem gewährleistet. Die Europäische Gesetzgebung zu Biokraftstoffen sieht vor, dass ein regelmäßiges Monitoring der Auswirkungen von Biokraftstoffen stattfindet und gegebenenfalls gesetzliche Anpassungen vorgenommen werden.
@ Steffen:
Zur Regenwaldproblematik, die in dem Film angesprochen wird, gibt es zwei Dinge zu sagen:
– die Nachhaltigkeitsverordnung schließt explizit die Nutzung von ehemaligen Regenwaldflächen aus
– Die Palmölernte wird nur zu etwa fünf Prozent für Biokraftstoffe verwendet. Diese Nutzung ist durch die Nachhaltigkeitsverordnung geregelt. Die Lebensmittelindustrie und Kosmetikindustrie, die den größten Anteil an der Nutzung haben, unterliegt bisher aber keinen Nachhaltigkeitsregelungen.
@ Jo:
Guter Film mit vielen interessanten Aspekten und sachlicher Kritik, allerdings auch mit einigen Fehlern. Da er aus dem Mai 2009 stammt, ist die NachhaltigkeitsVO dort nicht genannt, da sie erst seit diesem Jahr gilt.
@ Martin:
Meiner Ansicht nach muss man die Alternative zu Biokraftstoffen bedenken, nämlich fossilen Diesel bzw. fossiles Benzin. Deren Umweltbilanz ist schlecht und wird immer schlechter (es jährt sich der Unfall auf der Deepwater Horizon im Golf von Mexiko).
Sehr eindrücklich fand ich eine Zwischenüberschrift aus der Süddeutschen Zeitung von vor einigen Tagen. Da stand in Bezug auf den Konflikt in der Elfenbeinküste und in Libyen und das Engagement der übrigen Welt: Uns ist ein Land mit 10 Millionen Einwohnern und Öl wichtiger als eines mit 45 Mio. Einwohnern und Kaffee (nur eine sinngemäße Wiedergabe, die Einwohnerzahlen stimmen nicht!).
Dass Ihnen meine Antwort zu Indirekten Landnutzungsänderungen nicht ausreicht ist bedauerlich. Allerdings ist die Lösung der ILUC-Frage, die zum Beispiel vom BUND angeboten wird, meiner Ansicht nach nicht akzeptabel. Sie sagen, dass aufgrund des von ihnen als negativ angenommenen ILUC-Effekts lieber fossiles Öl genutzt werden soll. Da die Forschung im Hinblick auf ILUC noch sehr in den Anfängen begriffen ist, sollte der praktikable und sofort umsetzbare Lösungsweg eingeschlagen werden, der in der oben angegebenen Studie vorgeschlagen wird.
@ John Milton:
Sie schreiben: „Sie erwecken den Eindruck, es gäbe etwas wie einen wissenschaftlichen Konsens, dass das Sujet nicht existent ist.“
Ich hatte in meiner Antwort zu iluc oben geschrieben:
„Dieser Effekt ist sehr umstritten, es gibt sehr unterschiedliche Positionen hierzu.“
Sollten Sie meinen Satz so verstanden haben, dass ich ausdrücken wollte, dass es ILUC nicht gibt, wäre dies ein Missverständnis. Der zweite Teil meines Satzes („… es gibt sehr unterschiedliche Positionen hierzu.“) drückt aus, dass ein Konsens in der Wissenschaft noch nicht hergestellt ist. Eine interessante Sammlung der bisher vorhandenen wissenschaftlichen Diskussionsbeiträge findet sich unter http://www.bdbe.de/downloads/PDF/fachinformationen/ifeu-Studie_ILUC/IFEU_ILUC_deutsch.pdf
Allerdings ist die Studie aus dem Jahr 2009, also schon etwas älter.
Bedauerlich ist, dass Organisationen wie der BUND behaupten, dass es eine abgeschlossene Diskussion gebe und sehr konkrete Forderungen zur Einführung eines so genannten ILUC-Faktors stellen. Dies ist aufgrund der noch nicht geklärten tatsächlichen Effekte verfrüht.
Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB)
http://www.biokraftstoffverband.de/downloads/1921/Tank_Teller_SZ
Hier noch ein weiterer interessanter Artikel zur Tank-Teller Frage aus der Süddeutschen Zeitung
Wie drückte es Jean Ziegler schon vor einiger Zeit so messerscharf aus: Biosprit ist ein Verbrechen an der Menschheit! Dem ist nichts hinzuzufügen. Die Preisentwicklung auf dem Weltmarkt einiger der wichtigsten Nahrungsmittel spricht Bände.
Siehe auch: http://news.bbc.co.uk/2/hi/7065061.stm
Hallo
Statt Biosprit würde ich den Begriff Ethanol aus nachwachsenden Rohstoffen verwenden.
@H.O.Müller: Irgendwas ist auch an „nachwachsenden Rohstoffen“ seltsam, aber sicher ist die Bezeichnung schon besser. Wie wär’s mit Ethanol aus landwirtschaftlicher Produktion.
Ich bin kein Rechtsexperte, bin aber schon vor längerem bei der Recherche zu Bio-Lebensmitteln über die entsprechende Verordnung gestoßen: https://secure.wikimedia.org/wikipedia/de/wiki/EG-Öko-Verordnung
Dort heißt es, dass nur Produkte, die der Verordnung genügen, das Präfix “Bio-” benutzen dürfen. Dabei lese ich “Produkte” nicht allein als Lebensmittel, aber vielleicht kann da jemand sachkundiges Erhellung schaffen?
Mit dem Biokraftstoff geht es mir wie mit dem Begriff “Kernkraft”, wo durch “Kraft” ein positiver Eindruck vermittelt wird und was dazu anhält einen neutralen Begriff zu suchen.
Martin Haases Vorschlag “Ethanol aus landwirtschaftlicher Produktion” an Stelle von “Biosprit” klingt für mich sehr vernünftig; “nachwachsende Rohstoffe” klingt für mich zu sehr nach “von selbst nachwachsen”. Was bei industrieller Landwirtschaft unter Einsatz von Mineraldüngern sicher nicht der Fall ist. Ich frage mich allerdings, ob “Biosprit” jetzt nur das Ethanol bezeichen soll oder jeden Treibstoff der Beimischungen jenen Ethanols enthält.