Wenn Gegenstände zum Leben erwachen, ist Vorsicht geboten, können sie doch ungeahnte Kräfte entfalten. Das gilt nicht nur für Besen. Auch M.-e können, werden sie zum Leben erweckt, Übles tun. Beispielsweise von Regierungen etwas fordern, ja gar verlangen: Entscheidungen zum Beispiel, vor allem aber mehr Geld. Plötzlich ist dann so ein M. gar „von Stimmungen getrieben“, ist somit unberechenbar und launisch, wie ein pubertierender Jugendlicher.
Leben diese Dinger tatsächlich? Nein, das darf als unwahrscheinlich gelten. Was also soll das? „Wenn es ein Phänomen wie das absolute Böse überhaupt gibt, dann besteht es darin, einen Menschen wie ein Ding zu behandeln.“ Den Satz schrieb John Brunner einst in seinem Roman Schockwellenreiter. Menschen zu Dingen zu machen, ist eine beliebte Strategie, um Denken zu beeinflussen. Umgekehrt funktioniert es genauso prima. Denn wenn der M. einen eigenen Willen hat, wenn er gar etwas verlangt, kann die Politiker keine Schuld treffen, wenn sie ihm das Verlangte geben. Unterliegen sie dabei doch gar einem Gesetz des M.-es. Die armen, hilflosen Politiker können also gar nicht anders, als die mächtigen und reichen Banken mit bei Bürgern eingesammelten Milliarden zu beschenken.
Doch wer den Handel mit Geld und Aktien personifiziert, wer behauptet, bunt bedrucktes Papier hätte Pläne und Wünsche, der will nur die wahren Verantwortlichen und Forderer nicht benennen. Der will damit seine Unfähigkeit verstecken und seine Verantwortung wegschieben an eine abstrakte Entität, die niemand greifen oder gar belangen kann. Vielleicht aber will er auch nur verbergen, wie macht- und hilflos er eigentlich ist. Denn eine Bundeskanzlerin, die ständig ängstlich warnt, die M.-e dürften nicht beunruhigt werden, kann nicht einflussreich sein. Sonst wäre ihr die Unruhe irgendeines Aktienhändlers egal.
So wichtig ist dieses Verstecken, dass der M. nicht nur personifiziert, sondern sogar divinisiert wird. Der M. wird zu einem Gott. Jedes Handeln in seinem Sinne ist damit alternativlos. Wer es wagt, an dieser Allmacht zu zweifeln, gilt als Tor. Oder schlimmer noch als Ketzer. Denn schließlich sind die Banken doch bitterarm und notleidend, oder?
Mit herzlichem Dank an Matthias H. für die Anregung.
zwei kurze bemerkungen:
bei interesse schaut mal per suchmaschine das schöne gedicht von erich kästner von 1929 an: HYMNUS AUF DIE BANKIERS
zweitens: das schöne zitat von John Brunner (im Lemma Markt): einen Menschen wie ein Ding behandeln: das bedeutet eben, ihn nicht als Zweck an sich selbst behandeln, sondern als Mittel zum Zweck, als Ding. Ihr merkt, Brunner hat den alten Kant variiert, den man, bei aller Skepsis, in diesem Punkt nicht oft genug wiederholen kann: jedes vernünftige Wesen existiert als Zweck an sich selbst.
Und: zuletzt: von einem Buchtitelbild (Paul Lafargue, Vom Ursprung der Ideen – Ausgewählte Schriften, Dresden 1970): NO PEOPLE CAN BE FREE WHILE DEPENDENT FOR THEIR BREAD — (ergo Grundeinkommen)
Vielen Dank für die Hinweise in den anderen Kommentaren!
Danke!
Nun, immerhin waren es “Die Märkte”, die den Silvio Berlusconi nach nunmehr 14 Jahren endlich gefällt haben.
Nicht die italienische Linke.
Es steht zu befürchten, die italienische Linke wird sich von diesem Ereignis, anders als die Märkte und S.B., nicht wieder erholen.
Ach, und aus aktuellem Anlaß die Mario Monti’sche Variation auf das Goethe-Thema:
“Viele hatten vergessen, dass der Markt ‘ein guter Diener, aber ein böser Herr ist'”
Zitiert nach:
Report on the future of the Single Market, von M. Monti, 9.5. 2010
nicht nur das: die Märkte “hoffen”, sie “reagieren prompt”, sie “sehen es auf Länder ab”, sie “gehen auf Talfahrt”, “fürchten sich”, können “sich infizieren”, lassen sich “nur kurz schrecken” und Zinsen sind ein Instrument, um “Regierungen zu disziplinieren” – Halleluja!
Wenn wir uns den Ursprung der Begriffsbestimmung in der Wirtschaft anschauen, landen wir bei Adam Smith, der die Regulierung von Angebot und Nachfrage ‘der unsichtbaren Hand des Marktes’ zuschrieb. Smith war allerdings Philosoph und damit Theoretiker, der nur Funktionen beschrieb und zu seiner Zeit war ueberhaupt nicht absehbar, wie sich die Wirtschaft entwickeln wird. Volkswirtschaftliche Thesen werden ueblicherweise fuer ethische Anliegen interpretiert und so wird die o.g. Passage so verstanden, dass er damit quasi ‘Gott’ in die Wirtschaft eingefuehrt hat. Irgendwie erinnert diese bewusste Missinterpretation von Adam Smith an Lloyd Blankfein, der in einem Interview der ‘New York Sunday Times’ im November 2009 sagte, er sei ein Banker, der den Willen Gottes erfuellt (Blankfein ist Vorstandsvorsitzender von ‘Goldman Sachs’- gleichzeitig waren uebrigens die Herren Mario Draghi und Luca Papademos bei ‘Goldman Sachs’ gerade damit beschaeftigt, die Bilanzen von Griechenland zu faelschen!