Kontrollmittel, zukunftsfähiges

Das von Gegnern der Technik geprägte Wort Nacktscanner durch ein anderes zu ersetzen (Körperscanner, Sicherheitsscanner …), ist gründlich misslungen. Somit bleiben viele Menschen zum Glück skeptisch, wenn am Flughafen ihre Privatsphäre verletzt werden soll. Die Bundesregierung versucht sich nichtsdestotrotz weiter in Vernebelung und hält diese Form der Durchleuchtung für ein „mildes“, ja sogar für ein „zukunftsfähiges K.“ Während „mild“ ganz klar zur Abschwächung des bedeutungsleeren und nicht unbedingt positiv konnotierten Wortes K. dient, ist „zukunftsfähig“ geradezu verräterisch: Was zukunftsfähig ist, ist hoffentlich nicht morgen schon veraltet. In Bezug auf die Nacktscanner drückt sich darin vor allem die Hoffnung der Betreiber aus. Denn kritisiert werden sie noch immer. Sie zeigen einerseits nicht alles Versteckte, andererseits aber immer auch Dinge, die privat bleiben sollten wie beispielsweise medizinische Hilfsmittel oder Körperschmuck. Während Nacktscanner wahrscheinlich immer effizienter werden und mehr Verstecke finden können, ist das Problem der verletzten Privatsphäre mit ihnen nicht lösbar. An der Zukunftsfähigkeit von Nacktscannern darf also gezweifelt werden – zumindest solange das Recht auf Privatsphäre relevant bleibt.

„Wir können im Leistungsbereich auch unter Wahrung der Menschenwürde doch einiges tun.“

Dass Politiker etwas tun können und auch sollten, ist unstrittig. Im obigen Zitat von Innenminister Thomas de Maizière ist allerdings nur aus dem Kontext zu erkennen, was er tun will: Asylbewerbern sollen Leistungen gekürzt werden. Genauer: Sie sollen weniger „Taschengeld“ erhalten. Grund ist die unbewiesene Annahme, dass weniger Asylbewerber nach Deutschland kommen, wenn der Staat ihnen weniger Bargeld gibt. Kurz zur Erläuterung: Das „Taschengeld“ für eine Person beträgt derzeit maximal 143 Euro pro Monat – weil das Bundesverfassungsgericht das gefordert hatte. Die Richter hatten geurteilt, dass weniger nicht geht, weil dann ein Leben in Würde nicht mehr gewährleistet ist. Nun hat sich das Innenministerium ausgedacht, dass Menschen weniger Geld brauchen, wenn man ihnen mehr Kleidung und Essen zur Verfügung stellt. Also hätte der Bundesminister sagen müssen: „Wir können die Leistungen unter Wahrung der Menschenwürde um einiges kürzen.“ Das klingt dann aber sehr negativ, das vage „im Leistungsbereich … einiges tun“ klingt besser. Die Vagheit entsteht – wie so oft bei Nebelsprech – durch ein unspezifisches Kompositum („Leistungsbereich“) und durch ein Passe-Partout-Verb („tun“). Auffällig ist hier auch die Verwendung von gleich zwei Partikeln, um Konzessivität (also eine Einräumung) auszudrücken: _auch_ und _doch_. Unauffälliger wäre es gewesen, wenn der Minister wenigstens einen Partikel weggelassen hätte. Sprachlich zumindest ist weniger oft mehr. Bei der Menschenwürde allerdings geht nicht weniger, denn das „Taschengeld“ ist eben nicht für Kleidung und Essen gedacht, sondern damit Asylbewerber beispielsweise telefonieren oder mit dem Bus fahren können. Innenminister de Maizière wusste also wahrscheinlich, was er tat, als er seine geplante Tat so unspezifisch beschrieb.

Geldgeber

Geben ist eine einseitige Handlung, sie erwartet keine Gegenleistung, zumindest keine materielle. Nicht umsonst steht in der Apostelgeschichte der Bibel: „Geben ist seliger denn Nehmen.“ Alles, was der Geber erhält, ist die Freude daran, einem anderen geholfen zu haben. Der oder die G. jedoch geben sich mit dieser Freude nicht zufrieden. Sie geben ihr Geld nur an arme Regierungen her, wenn sie anschließend dafür noch mehr Geld von ihnen zurückbekommen – als Zinsen. Sie geben das Geld also nicht, sie verleihen es in Form von Krediten. G. ist ein Euphemismus, eine Beschönigung, die andeuten soll, dass hier jemand beschenkt wird. Dabei bekommt der bereits heftig verschuldete Nehmer in dieser Beziehung nur neue Schulden. Der Ausdruck wird sicher oft aus Gedankenlosigkeit verwendet – weil ein Synonym für „Bank“ gesucht ist oder ein Sammelbegriff für all die Organisationen und Gruppen, die an den Problemen in Griechenland beteiligt sind. Doch damit entsteht eine hinterhältige Verschleierung. Sie verbirgt nicht nur die Kredite, sondern auch die Namen derjenigen, die von diesen Krediten profitieren. Das lässt sich sogar noch steigern. Kapitalgeber entfernt sich mit dem Synonym für Vermögen noch ein Stück weiter von der wahren Handlung und der Tatsache, dass es hier ums Geldverdienen geht. Siehe auch → Geld, frisches und → Rekapitalisierung.

Mit herzlichem Dank an Frerk M.

Staatswohl

Vermutlich handelt es sich bei S. um eine Lehnübersetzung des französischen salut public (eigentlich: ‚öffentliches Wohl‘). Im Namen dieses Staatswohls kam es in der Folge der französischen Revolution zum so genannten Terreur, dem Namensgeber von Terror und Terrorismus. Ein Wohlfahrtsausschuss, das Comité du salut public, versuchte damals, die revolutionären Tugenden ohne Ansehen der Person mit der Guillotine durchzusetzen. Trotz dieser unrühmlichen Vorgeschichte schaffte es das Konzept bis in die aktuelle Politik. Allerdings wurde es auf dem Weg dorthin heftig umgedeutet. Aus dem Wohl der Öffentlichkeit, also aller Menschen, wurde das Wohl des Staates, also einiger weniger. Das S. wird heute immer dann hervorgeholt, wenn es darum geht, Bürgerrechte zu beseitigen. Die wurden ins Grundgesetz geschrieben, damit das Gewaltmonopol des Staates Grenzen bekommt und damit der einzelne und somit gegenüber dem Staat ohnmächtige Bürger sich zumindest ein wenig wehren kann. Das wollen viele Regierungen so jedoch nicht hinnehmen und bemühen dazu die abstrakte Idee des S. Sie erheben den leblosen Staat zu einem lebendigen Wesen, dessen Wohlergehen gefälligst allen am Herzen zu liegen habe. Beispielsweise um die Überwachung durch die NSA und den Bundesnachrichtendienst zu rechtfertigen. Gleichzeitig verbietet das S. praktischerweise, dieser Überwachung etwas entgegen zu setzen, ja sogar: die genauen Umstände der Überwachung aufzuklären und öffentlich zu debattieren. Denn der Begriff ist so wunderbar schwammig und undefiniert, dass letztlich alles das S. gefährden kann. Damit knüpfen jene, die das S. als Argument gegen Bürgerrechte anbringen, direkt an die unrühmliche Tradition der französischen Revolution an: Das Wohlergehen des Staates (und seiner Diener) steht über der individuellen Freiheit der Bürger. Siehe auch → Balance (von Sicherheit und Freiheit).

Balance (von Sicherheit und Freiheit)

Von der Bundeskanzlerin über die gesamte Bundesregierung bis hin zur SPD erfreut sich die B. seit Jahren bei all jenen großer Beliebtheit, die mehr Überwachung rechtfertigen wollen. Immer, wenn es darum geht, Bürgern wieder einige ihrer Grundrechte wegzunehmen, wird die B. (von Sicherheit und Freiheit) bemüht. Sie soll denen eine Beißhemmung verpassen, die eben solche ihnen verfassungsmäßig garantierten Rechte einfordern. Und sie soll all die Zaghaften und Zweifelnden, die sich nicht sicher sind, ob die Bespitzelung aller Bürger nicht vielleicht doch zu irgendetwas gut ist, dazu überreden, ihre Freiheit klaglos aufzugeben.

Wer von dem einen mehr will, heißt das sprachliche Bild der B., der nimmt dem anderen etwas weg. Wer Freiheit fordere, mache das Leben aller unsicherer, ja gefährlicher. Wer Sicherheit wolle, der müsse eben ein paar Freiheiten opfern. Doch es gibt diese Balance nicht, da die beiden Ideen nichts miteinander zu tun haben. Sie sind eben nicht die zwei Enden einer Wippe. Das Gegenteil von Sicherheit ist Unsicherheit. Das Gegenteil von Freiheit ist Unfreiheit.

Die Behauptung, es gäbe und brauche irgendeine B. (von Sicherheit und Freiheit), ist eine Lüge. Mehr Überwachung macht garantiert unfrei, ob sie sicher macht, ist unbewiesen. Es gibt vielmehr Indizien dafür, dass eine überwachte Gesellschaft alle verunsichert, denn Überwachung schürt gegenseitiges Misstrauen und Angst.

Deutschland ist eines der sichersten Länder der Erde. Menschen sterben hier, weil sie zu viel essen und sich zu wenig bewegen. Menschen werden hier vor allem von jenen umgebracht, die zu schnell Auto fahren. Sie sterben nicht, weil irgendjemand Bomben zündet oder um sich schießt. Trotzdem wird jedes neue Überwachungsgesetz damit gerechtfertigt, dass nur so, nur durch diese Beschneidung von Freiheitsrechten, das Leben sicherer gemacht werden könne. Tempolimits und mehr Geld für Turnhallen und Sportvereine würden hundert Mal mehr Menschenleben retten als jedes Überwachungsgesetz.

Die Lüge von der B. hat nur eine Funktion: Sie soll die Menschen diskreditieren, die sich gegen Überwachung wehren und Freiheit verteidigen. Denn sie, so die darin verborgene Botschaft, würden irgendetwas aus dem Gleichgewicht bringen. Dabei sind es die Befürworter von flächendeckender Datenspeicherung, von Mautbrückenüberwachung und Festplattenausspähung, die die Balance zerstören – die Balance zwischen bürgerlichen Abwehrrechten und staatlicher Gewalt, die im Grundgesetz verankert ist. Siehe z. B. auch grundrechtsschonend.