Drittstaaten, rückkehrpolitisch relevante

Ein Gastbeitrag von Patrick B.

Abschiebung ist ein hässliches Wort. Was in Ordnung ginge, da es schließlich eine für alle Beteiligten unschöne Angelegenheit beschreibt. Aber im Bundesministerium des Inneren (BMI) ist das hässliche Wort so eine Art Verbal-Voldemort. Ein Voldewort, könnte man sagen – eine Angelegenheit, deren Name nicht genannt werden darf. Also bemüht man im BMI alle Verrenkungen, die das Bürokratendeutsch so hergibt, und schreibt „Durchsetzung der Ausreisepflicht“, wenn Abschiebung gemeint ist, und rückkehrpolitisch relevante D., wenn Länder bezeichnet werden, in die Deutschland gerne mehr Flüchtlinge verfrachten würde. Überhaupt wird in diesem Bereich verschwurbelt, was das Neusprech-Wörterbuch hergibt. „Rückübernahme ausreispflichtiger eigener Staatsangehöriger“ heißt es, wo ein „Entgegennahme der Abgeschobenen“ gereicht hätte, was immer noch verschwurbelt genug klingt. Und wo Abschiebungen vernebelt werden sollen, werden sie „Rückführungen“ genannt, weil das so schön nach freundlicher, gern angenommener Begleitung klingt und nicht nach Flugzeugen voller Polizisten und traumatisierter Menschen.

Danke an den Bundestagsabgeordneten Andrej H. für den Hinweis.

Transitzone

Als Transit wird die Durchquerung eines Landes bezeichnet, wenn sich ein Reisender dort nicht länger als nötig aufhalten will. Dafür gibt es manchmal eine spezielle Erlaubnis, das Transitvisum. Manchmal wird die Durchreise auch einfach geduldet, weil davon auszugehen ist, dass die Reisenden kein Interesse haben, an dem jeweiligen Ort zu verweilen. Beispielsweise an Flughäfen oder Häfen, wo für umsteigende Reisende besondere Bereiche eingerichtet sind, T-n. eben. Transit bedeutet ‚Übergang, Übertritt‘. Bei der T., die gerade die CSU fordert, geht es jedoch um etwas anderes: Hier soll der Grenzübertritt verhindert werden. Es handelt sich um ein Lager, in dem Menschen am Transit gehindert werden sollen. Insofern ist die T. das Gegenteil von dem, was sie behauptet zu sein. Auch das zweite Kompositionsglied Zone ist eine Lüge: Zonen sind großzügige Unterteilungen von Räumen oder Gebieten (eigentlich bedeutet Zone auf Griechisch ‚Gürtel‘). Die CSU aber will Menschen außerhalb des Landes, in das sie einreisen wollen, auf engstem Raum zusammenpferchen, um sie daran zu hindern, das gewünschte Land zu erreichen. Ihr Wunsch soll in der T. geprüft werden, um ihn so schnell wie möglich abzulehnen und sie zurückzuschicken. Es müsste also richtigerweise von Aussperrgefängnis gesprochen werden. Da die Idee so unfreundlich – und übrigens wohl auch illegal ist, werden von den Befürwortern immer wieder neue Euphemismen dafür gesucht. Vor kurzem hieß die T. noch → Aufnahmezentrum.

Konditionalität

Wer bei diesem Wort an Grammatik, Statistik oder Buddhismus denkt, könnte falsch liegen, denn in der internationalen Politik ist damit etwas ganz anderes gemeint: Schon seit 1969 befindet sich die K. in der Satzung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Es bezeichnet die Auflagen oder Bedingungen (lateinisch conditiones), an die die Auszahlung von Krediten oder gar ein Schuldenerlass gebunden sind: K. bedeutet, dass der IWF denjenigen, die Geld vom ihm haben wollen, Vorschriften macht, wie sie ihren Handel mit anderen Ländern und ihren Umgang mit dem geborgten Geld zu gestalten haben. Diese fast beleidigend Nehmerstaaten genannten, müssen beispielsweise sparen oder die Steuern erhöhen – unpopuläre Maßnahmen, die gern mit dem Fremdwort Austerität umschrieben werden, dem griechischen Wort für ‚Ernsthaftigkeit‘ und ‚Disziplin‘, Eigenschaften, die die antiken Athener bei ihren Nachbarn, den Spartanern, sehr bewunderten. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass die K. nicht immer zu einer Verbesserung der Lage geführt hat. Die sogenannten Highly Indebted Poor Countries sind wohl sogar erst durch die K. in ihre verzweifelte Lage gekommen.

„Nicht-öffentlich ist ja nicht gleich geheim.“

Wir erinnern uns: Das Bundesjustizministerium und das Bundesinnenministerium hatten versichert, dass ein Zugriff auf die Vorratsdaten nur nach Prüfung durch einen Richter möglich sei. Dabei war zwischen den Ministerien verabredet worden, dass dennoch auf der Basis von Vorratsdaten so genannte Bestandsdaten beauskunftet werden können, und zwar entgegen der öffentlichen Beteuerungen auch ohne Richtervorbehalt. Die Bestandsdaten sind Name und Adresse von Nutzern einer bestimmten IP-Adresse. Als das ruchbar wurde, beteuerten die Sprecher der Ministerien, es gäbe keine „geheime Nebenabrede“. Kurz darauf mussten sie allerdings einräumen, dass es doch eine solche Nebenabrede gegeben hatte. Zur Entschuldigung wurde vorgebracht, dass diese zwar nicht öffentlich sei, aber geheim sei sie deswegen noch lange nicht, und alles zuvor Behauptete sei daher völlig richtig. Zitat: „Nicht-öffentlich ist ja nicht gleich geheim. Es gibt natürlich eine Reihe von Abreden zwischen jedermann, die deswegen noch lange nicht geheim sind.“ Oberflächlich betrachtet ist das richtig: Das Gegenteil von öffentlich ist privat. Ministerien sind allerdings Bestandteil der res publica, der ‚öffentlichen Angelegenheit‘, und damit handeln sie immer öffentlich und nie privat. Nur durch Geheimhaltung können sie in (hoffentlich) gut begründeten Fällen Angelegenheiten der Öffentlichkeit vorenthalten. Insofern gibt es eben zwischen Ministerien nur öffentliche oder geheime Nebenabreden, aber keine privaten.

Grundrechtsträger

Begriff des öffentlichen Rechts, der vom Bundesnachrichtendienst (BND) umgedeutet und missbraucht wird, um illegale Überwachung zu rechtfertigen. Der G. ist im juristischen Sinn jemand, der die Fähigkeit besitzt, Grundrechte zu tragen. Die einzige Fähigkeit, die es dazu braucht, ist, eine natürliche Person, also ein Mensch zu sein. Das heißt, jeder Mensch hat, sobald geboren (und im deutschen Recht sogar schon vorher) automatisch alle Grundrechte und wird von diesen geschützt. Der BND hingegen behauptet, dass Konstellationen existieren, in denen Menschen keine G. mehr sind. Beispielsweise, wenn zwei Menschen im Ausland telefonieren, die keine Deutschen sind. Ausländer haben nach Meinung des BND keine Grundrechte und dürfen grenzenlos überwacht werden. Außer dem BND ist allerdings niemand der Meinung, dass die Grundrechte nur Deutschenrechte sind. Noch absurder wird es, wenn Deutsche im Ausland für eine ausländische Organisation arbeiten, die von deutschen Behörden als terroristisch angesehen wird. Dann, so der BND, seien sie Funktionsträger dieser Organisation und damit keine G. mehr und dürften ebenfalls ausspioniert werden. Das Tragen wird hier zu einem bewussten Akt umgedeutet. Wer Grundrechte trägt, tut das nach Meinung des BND freiwillig und kann sich damit auch dagegen entscheiden und diese Rechte ablegen. Sämtliche Juristen außerhalb des BND halten das für völligen Unsinn. Der Bundesnachrichtendienst ignoriert vielmehr eigenmächtig die Grundrechte von Menschen, er ist ein Grundrechtsbrecher.

Übrigens: Die einzigen, die sich gegenüber anderen nach dem Gesetz nicht auf Grundrechte berufen können, sind die Beamten des Staates bei der Ausübung ihres Amtes. Grundrechte sind vor allem Abwehrrechte der Bürger gegen den sonst übermächtigen Staat. Mitglieder staatlicher Organe sind daher verpflichtet, die Grundrechte aller Bürger zu achten und zu schützen. Sie sind nach Artikel 1 Absatz 3 des Grundgesetzes Grundrechteverpflichtete. Sie können diese Rechte daher nicht als Abwehrrechte gegen andere Bürger einsetzen, sondern nur gegen den Staat selbst.