Terrorismus, internationaler

Früher gab es die RAF. Das waren Terroristen und so wurden sie und alle anderen genannt, wenn von ihren Attentaten die Rede war. Das klang schlimm genug. Terror kommt schließlich aus dem Lateinischen und heißt Schrecken.

Einfache Terroristen gibt es heutzutage nicht mehr. Zumindest sprachlich. Wenn nun irgendwo eine Bombe explodiert, ist gleich vom internationalen T. die Rede, wer immer das auch sein mag. Gegenüber der veralteten Version enthält der internationale T. mit dem Ismus eine Abstraktion und mit der behaupteten Internationalität eine adjektivische Aufblähung. Das macht ihn bedrohlicher, es lässt ihn nach fremder Macht klingen und nicht mehr nach Menschen.

Der sprachliche Wandel ist dabei leider nicht nur Tünche. Er ist Ausdruck einer besorgniserregenden Veränderung. Das Jagen von Terroristen war eigentlich Sache der Polizei, auch wenn sich Geheimdienste schon früher unrühmlich einmischten. Die fahndete und fragte, ermittelte und kombinierte und verhaftete schließlich Leute. Anschließend standen sie vor einem Gericht, wurden, wenn ihre Schuld erwiesen schien, verurteilt und kamen ins Gefängnis. Hatten sie ihre Strafe verbüßt, wurden sie sogar freigelassen.

Diese Mühe macht sich heute niemand mehr. Für Terroristen sind nun vor allem Geheimdienste und Armeen zuständig und Gerichte braucht es auch keine mehr. Es wird gleich weggesperrt oder gar geschossen und nicht erst lang gefragt. Und so ist aus der Bekämpfung von Kriminalität erst der Kampf gegen Terroristen und dann sogar der Krieg gegen den internationalen T. geworden. Das mag beeindruckender klingen, besser aber ist es nicht. Denn es führt zu zweifelhaften Rechtskonstrukten wie dem Feindstrafrecht, den Gefährdern oder den gezielten Tötungen. Von den Kollateralschäden Opfern ganz zu schweigen. Dabei werden außerdem nicht nur ein paar Gerichte eingespart, sondern all die Menschen- und Bürgerrechte, die eine demokratische Gesellschaft braucht, damit sie funktionieren kann. Und die für alle Menschen gelten. Auch für Terroristen.

Über-Ziercke, Merkel-wir und Guttenberg-Passiv: eine politische Grammatik

Neusprech betrifft nicht nur den Wortschatz. Die Grammatik der politischen Sprache zeigt ebenso Auffälligkeiten. Und die sind oft gut versteckt. Einzelne, ungewöhnliche Begriffe mögen den gemeinen Wähler in Überschriften oder Ansprachen noch irritieren und seinen Argwohn wecken. Die wahren Künstler des Politikersprechs jedoch brauchen keine Neuschöpfungen und Umdeutungen, um ihre Absichten zu verschleiern. Sie nutzen ganz normale Wörter und bauen sie so geschickt zusammen, dass der Zuhörer gar nicht merkt, wie er verschaukelt wird. Anbei eine kleine Sammlung solcher Sprachkunststücke.

  • Das Merkel-Wir: andere vereinnahmen oder aussperren

Kleine Wörter können eine große Wirkung haben. Zum Beispiel das Pronomen der ersten Person Plural. Die häufige Verwendung von wir ist geradezu typisch für die Sprache von Politikern. Das folgende Beispiel aus einer Rede von Angela Merkel auf einer Wahlkampfveranstaltung der CDU in Osnabrück zeigt, warum:

„Heute hätten wir weder die libanesischen Kofferbomber gefunden, noch hätten wir die Schlägereien des alten Mannes in der U-Bahn in München so schnell aufklären können, und heute findet jeder Videoüberwachung auf großen Plätzen, öffentlichen Plätzen, ganz normal.“

Abgesehen davon, dass längst nicht jeder eine Videoüberwachung normal findet und solche Aufzeichnungen weder irgendeinem alten Mann halfen noch möglichen Opfern eines Attentats, kann davon ausgegangen werden, dass Angela Merkel die Kofferbomber nicht persönlich gestellt hat, und an der Aufklärung der „Schlägereien des alten Mannes“ überhaupt nicht beteiligt war. Das wir soll hier also eine Verbindung herstellen zwischen Merkel und ihrer Politik und den eigentlichen Ermittlern. Es wird somit extensiv verwendet. Merkel dehnt sich dadurch aus und macht sich die Erfolge anderer zu eigen. Für Politiker, die unter stetiger Beobachtung stehen und jederzeit die Wirksamkeit ihrer Handlungen beweisen müssen, ist das ein schnell erreichbarer und damit umso schönerer Effekt.

Doch das Pronomen kann noch mehr. Charakteristisch ist die Vermischung von ausschließdendem (exklusivem) und einschließendem (inklusivem) wir. So setzte Merkel ihre oben zitierten Ausführungen wie folgt fort:

„Wenn es die Union nicht gewesen wäre, […], hätten wir heute noch keine Videoüberwachung, und deshalb werden wir auch andere Themen auf die Tagesordnung bringen […]“

Das erste wir ist klar inklusiv, es schließt alle Hörer und überhaupt alle Deutschen mit ein, denn sie alle werden von Videokameras überwacht. Das zweite wir meint hingegen nur noch Merkel und ihre Partei, ist also exklusiv, da es alle Nichtmitglieder ausschließt. Diese ständige Vermischung von einschließendem und aussperrendem wir soll dazu führen, dass sich das Publikum mit der Partei und mit der Kanzlerin identifiziert, es soll die Bindung verstärken – ohne klar zu sagen, dass dort jemand eingebunden wird.

„Über-Ziercke, Merkel-wir und Guttenberg-Passiv: eine politische Grammatik“ weiterlesen

Aufklärungsarbeit

Wenn fremde Mächte unsereins bespitzeln und überwachen, wenn sie lauschen und mitschneiden, dann ist das selbstverständlich Spionage. Wenn die eigenen Spione Kundschafter Agenten das bei anderen tun, dann ist das hingegen A., wie beispielsweise Wolfgang Bosbach von der CDU es nennt. Also etwas Gutes. Und zwar gleich doppelt: Denn Aufklärung ist positiv besetzt und das Zweitglied natürlich auch, denn Arbeit wird gern mit Rechtschaffenheit assoziiert und nicht mit Ganoven. Bei solch ehrlicher A. kann es denn auch schon mal zu etwas Beifang kommen, das hat mit Überwachung nichts zu tun. Klar. Denn merke: Nur die Waffen der anderen sind böse und bedrohlich, die eigenen Waffen dienen der Sicherheit. Der eigenen.

Staatsbürgerkunde

Um Euch die Zeit bis zum nächsten Neusprechfunk zu vertreiben, gibt es einen Podcast zwischendurch, den wir zusammen mit Martin Fischer aufgenommen haben: Staatsbürgerkunde, benannt nach dem Unterrichtsfach in der DDR, das sich der Erziehung der Schüler zu sozialistischen Persönlichkeiten – so hieß das damals – verschrieben hatte. Der Podcast hat den Titel DDR-Sprech (mp3) und ist daher hier als Crosspost gut aufgehoben.

Wir haben darin mehrere Artikel aus der Zeitung Neues Deutschland besprochen, dem damaligen Zentralorgan der SED. Dessen Chefredakteure waren selbstverständlich loyale Befehlsempfänger des Zentralkomitees, also des innersten Machtzirkels der SED, und so las sich das Blatt denn auch. Abgedruckt wurden etwa die Beschlüsse der Parteitage der SED, die zuletzt als außerordentliche Parteitage am 8./9. und 16./17. Dezember 1989 in Berlin stattfanden.

Propaganda und Meinungsmache war die Aufgabe des ND, hier ein Beispiel:

ulbricht wird siegen

Natürlich siegte Walter Ulbricht nur solange, bis er nach Kritik an seinem Führungsstil entmachtet wurde, aber das stand so dann nicht in der Zeitung.

Die heile Welt der Diktatur (pdf), um es mit dem Buchtitel von Stefan Wolle über die Ära Honecker auszudrücken, trieb durch die schreibenden Parteigenossen im ND sprachliche Blüten, die schon weit vor dem Beginn der sogenannten friedlichen Revolution gern ins Groteske abrutschten. Ein Beispiel, das wir besprochen haben, waren engagierte Metallurgen, über die das ND berichtete:

willy sachse

Abgedruckt wurde eine Rede von Dieter Duschek, der mit seinen Metallurgen-Kollegen und seiner Kampfgruppenhundertschaft Willy Sachse (Feinmechaniker und politischer Aktivist, 1896–1944) die DDR allseitig stärken wollte. Wie er das sprachlich rüberbrachte, war uns eine besondere Betrachtung wert.

festspiele

Wir sprachen außerdem über die Jubelberichterstattung anlässlich der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten im Sommer 1973 in Berlin, die vor allem die Weltoffenheit der DDR in den Vordergrund stellen sollte. Man darf sich bei all der Jubelei aber nicht täuschen lassen: Die angereiste und die heimische Jugend hatten trotzdem ihren Spaß, wie diese wunderbare Bilderserie beweist.

Typisch für die ND-Berichte war ein Artikel über einen Besuch des Zentralkomitees der SED beim charismatischen Politiker und Künstler Álvaro Cunhal. Der war Generalsekretär der portugiesischen PCP und wurde nicht nur konsequent falsch geschrieben, sondern in dem Bericht dazu wurden auch seine Eigenschaften und sein bewegtes Leben verschwiegen – genau wie der Inhalt des Gesprächs.

alvaro cunhal

Wir sprachen außerdem über Freiheiten in DDR-Zeitungsredaktionen sowie über

    • Wolf Biermann und seine Ausbürgerung, die dazu führte, dass er erst im Dezember 1989 wieder in der DDR auftreten konnte,
    • Ostdeutsche, DDR-Erinnerungen und Partei-Hochschulen,
    • die ehemalige staatliche DDR-Nachrichtenagentur ADN (Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst), die nach 1989 verkauft wurde, später an die Kirch-Gruppe ging, noch später vom Deutschen Depeschendienst übernommen wurde und unter dem Namen ddp existierte, dann mit der Agentur AP (Associated Press) fusionierte und als dapd 2010 aufhörte zu existieren,
    • das Redigieren.

Wie immer gibt es den Podcast als mp3, alternativ aber auch eine ogg-Version.

Wir bedanken uns außerdem bei Frank und Fefe, da wir wieder ihr Audio-Equipment nutzen durften! :}

Play

Die Neusprechfunker

Der Neusprechfunk fünf, verehrte Interessierte, bekommt jetzt ein Gewinnspiel! Das hat sich zwar niemand gewünscht, aber wir wollen selbstverständlich ganz neue Hörergruppen ansprechen und wissen ohnehin, was Ihr wollt. Man muss nur durchhalten, wenn man erfahren will, wie und was es zu gewinnen gibt.

Was in den Kommentaren mehrfach gewünscht wurde, war ein Neusprechfunk, der nicht wieder monothematisch ist: Kein Problem, haben wir so gemacht.

Ohne schon vorher alles zu verraten, haben wir dem Zeitgeist folgend erschlichene Doktorentitel gestreift, allerdings nur, um intensiv ein mögliches überspezifisches Dementi zu diskutieren, das den CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer betrifft:

scheuer

Wo wir beim Zeitgeist sind: Wir konnten natürlich nicht umhin, über den anhaltenden Skandal um NSA und BND, mitsamt der Metadaten, Umgebungswanzen und Ortungswanzen zu sprechen. Das haben wir zwar schon mehrfach angesprochen, aber im Sinne des Innehaltens erschien uns das dennoch angemessen.

Es hat übrigens wieder ein Weilchen gedauert, den Podcast zu schneiden, unterdessen haben sich für eines unserer Themen im Neusprechfunk 5 (mp3) Neuigkeiten ergeben. Wir sprachen nämlich über Klaus-Dieter Frankenberger von der FAZ. Über ihn und andere Transatlantiker in deutschen Medien hatte die Satire-Sendung Die Anstalt berichtet, was offenbar von den Betroffenen als systemgefährdend angesehen wurde und zu Unterlassungserklärungen führte. (Wirklich sehenswerte Sendung.)

faz

Aber das nur am Rande. Im FAZ-Kommentar von Frankenberger (FAZ vom 18. Januar 2014, Seite 1), den wir besprochen haben, geht es um real existierende Terroristen, die uns natürlich eine nähere Betrachtung wert waren.

hannelore

Wie immer hat uns außerdem die Kümmererpartei SPD beschäftigt, diesmal neben der Enthartzung sowie Hannelore Kraft auch ein emotionales Video einer Steinmeier-Rede auf dem Alexanderplatz in Berlin, wo die Krakeeler los waren.

Apropos Emotionen: Was wir getrunken haben, legen wir hiermit offen.

muskateller

Wir sprachen außerdem – neben Methusalem und seinen Meilern – über:

    • Rosa Luxemburg, die Freiheit der Andersdenkenden und die Proteste und Transparente Oppositioneller bei der SED-Kundgebung am 17. Januar 1988,
    • die Staatsräson,
    • „Bullshit made in Germany“ mit Zwischenentschlüsselung, was eine undiplomatische Umschreibung für De-Mail ist,
    • außerdem erwähnten wir kurz den Staatsbürgerkunde-Podcast, den wir zum Thema DDR-Sprech zwischendurch mit Martin Fischer aufgezeichnet hatten.
    • Die Schadsoftware Flame wollen wir auch nicht verschweigen.

Neusprechfunk 5 als mp3.

Alternativ: ogg-Version von Neusprechfunk 5.

Wir bedanken uns bei Frank und Fefe für das wiederholte freundliche Ausleihen des Audio-Equipments! :}

Play