Hausaufgaben

H. werden für die Schule erledigt, überwiegend von Kindern im Auftrag von Lehrern, die hoffentlich wissen, warum welche Aufgabe erledigt werden soll – zum Wohle der Kinder. Wenn jemand seine H. machen muss, so ist das Subjekt oder genauer der Agens Schüler. In der Linguistik werden solche Einschränkungen über Satzglieder Selektionsrestriktionen oder Subkategorisierung genannt. Erst wenn das Prädikat H. machen in übertragenem Sinn, also metaphorisch verwendet wird, sind andere Subjekte möglich. Das Interessante dabei ist, dass in der Grundbedeutung notwendige Eigenschaften von Satzgliedern in der metaphorischen Verwendung immer noch mitverstanden werden. In der Linguistik wird dieses Phänomen als Persistenz bezeichnet Wenn also Griechenland seine H. machen muss, wie es derzeit immer wieder gefordert wird, so wird Griechenland in der Rolle eines Schülers gesehen, von dem Lehrer eben jene H. einfordern. Dabei ist übrigens unklar, wer genau mit Griechenland gemeint ist, denn Griechenland wird synekdochisch verwendet: Gemeint sind vielleicht die griechische Regierung, die griechischen Politiker oder die griechische Bevölkerung – vielleicht auch alle. Egal wer gemeint ist, sie als unmündige Schüler zu behandeln, ist nicht nur diplomatisch unangemessen.

„Na ja, wir sind im Grunde schon ein Einwanderungsland.“

Auf die Frage, ob die deutsche Politik in Sachen Einwanderung nicht umdenken müsse, antwortet Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Satz: „Na ja, wir sind im Grunde schon ein Einwanderungsland.“ Interessant ist dabei vor allem das Adverb schon, das verwendet wird, wenn etwas früher eingetreten ist, als es erwartet wurde. Merkel stellt den Sachverhalt so dar, als sei es Konsens, dass Deutschland immer Einwanderungsland werden sollte, und es nun eben schon ist – bevor die verantwortlichen Politiker die nötigen Einwanderungsgesetze schaffen konnten. Dass Deutschland ein Einwanderungsland werden soll, war jedoch bislang kein Konsens, zumindest nicht in der Union. Nicht einmal, dass dringend ein Einwanderungsgesetz gebraucht wird, ist in der Partei mehrheitsfähig. Alles, wozu sie sich derzeit durchringen kann, ist der verschwurbelte Passus: „Wir wollen den Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit weiter erleichtern und für ihn werben. (…) Isoliert betrachtet gibt es viele gelungene Ansätze für die Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft. Wir müssen diese guten Ansätze widerspruchsfrei und besser miteinander verknüpfen und in einem Gesetz zusammenführen.“ Er steht in einem Bericht, den eine „Zukunftskommission“ der CDU gerade verabschiedet hat. Irgendwelche Ansätze zur Gestaltung einer Einwanderungsgesellschaft, die man noch irgendwie zusammenführen muss? Eine klare Position sieht anders aus.

Auf den ersten Blick wirkt es, als hätte Merkel mit einem kurzen Satz eine der zentralen Blockaden der Union niedergerissen. Aber da ist ja noch die Adverbialgruppe im Grunde: Sie legt nahe, dass eigentlich alles anders ist, als es öffentlich geäußert wird. Hat vielleicht auch die CDU längst erkannt, dass ihre Haltung unsinnig ist, fürchtet aber, damit Vertriebene früher Zugezogene ältere Wähler zu verärgern? Dann würde der Satz ausdrücken, dass die CDU im Grunde längst für Einwanderung ist, öffentlich aber noch nicht zugeben will, dass sie ihre Position geändert hat. Er könnte aber auch bedeuten, dass Deutschland nach Merkels Meinung einfach so zum Einwanderungsland wurde und es gar keine neuen Gesetze mehr braucht, weil ja alles prima funktioniert. Das würde den verdrucksten Zukunftskommissionsbericht erklären. Merkels Satz ist also kein Ja zur Einwanderung, auch wenn er so klingt. Aber immerhin lässt er hoffen.

Aufnahmezentrum

Genauer „(Grenznahe) Aufnahme-Einrichtungen für Asylbewerber mit geringer Bleibewahrscheinlichkeit“, auch „spezialisierte Erstaufnahmeeinrichtung“ oder „spezielle Ankunftszentren“. Sinnverdrehende Wortschöpfungen der bayerischen Regierung, eigentlich Abschiebelager, die in Ingolstadt und Bamberg geplant sind. Das Ziel der Lager ist nicht die Aufnahme der Flüchtlinge. Die vor allem aus Balkanländern stammenden Menschen sollen dort nur für kurze Zeit gesammelt werden, um sie anschließend umso schneller und effizienter in ihre Herkunftsländer abschieben zu können. Kritiker werfen der Landesregierung vor, berechtigte Asylgründe zu ignorieren und potenzielle Opfer von Verfolgung als Schmarotzer zu diskreditieren. Immerhin bekämen viele Asylsuchende aus dem Kosovo, aus Serbien oder Bosnien in anderen europäischen Ländern durchaus Schutz und würden als Verfolgte anerkannt. Wohl auch deshalb wird das Vorgehen von der bayerischen Regierung sprachlich umgedeutet und so beschönigt. Verwandte Begriffe: → Asylmissbrauch.

Finanzmittel

Pinke, Kohle, Kies – für Geld gibt es viele Ausdrücke. Manche sollen schiere Menge betonen, andere den Aspekt des Handelns, wie eben Pinke, das vielleicht vom polnischen pęk ‚(Geld-) Bündel‘ kommt oder auch, wie die Verdoppelung Pinke-Pinke nahelegt, ein Wort ist, das den Klang fallender Münzen nachahmt. Es gibt aber auch Umschreibungen, die nicht so ausdrucksstark sind, sondern die vom eigentlichen Sinn ablenken. Wie die F. Sie sind abstrakt, nicht beschreibend. Abstraktionen können einen Zusammenhang erklären, aber sie führen dabei immer weg vom Gegenstand. Dass es um Geld geht, tritt hier in den Hintergrund und soll es wohl auch. Denn Geld klingt, als müssten viele Steuerzahler für die schöne Idee bezahlen, die ein Politiker sich gerade ausgedacht hat. Um wie viel schöner kommen da die F. daher. Beim Krieg vor allem wird gelogen? Nein, auch beim Geld. Außerdem sind die F. ein Pleonasmus, eine sinnlose Verdoppelung. Finanzen meint bereits Geldgeschäfte, es bräuchte die Mittel nicht. Ursprünglich waren Finanzen eine Umschreibung für die Einnahmen und Ausgaben des Staates. Das Wort ist jedoch längst so beliebt, dass es inzwischen überall auftaucht. Da sprechen Hasardeure von Finanzprodukten, um den Eindruck zu vermitteln, dass finanzielle Rohstoffe irgendwie veredelt werden, ja es gibt gar eine ganze → Finanzindustrie, was besser und abgehobener klingt als Geldverleiher. Diese Überhöhungen zeigen, was die F. sind: Blasensprech, Wichtigtuerei.

besorgt

Das Wort Sorge ist verwandt mit dem Englischen sorrow und bedeutete wohl ursprünglich so etwas wie Trauer. Von daher hat es sich, möglicherweise beeinflusst durch sein lateinisches Pendant cura, zu der Bedeutung des Sich-Kümmerns weiterentwickelt, was ja auch von Kummer kommt. Die Ableitung b. (‚mit Sorge versehen‘) hat daher eine durchaus positive Bedeutung. Wer b. ist, macht sich Gedanken und will möglicherweise sogar etwas zum Positiven verändern. Jedoch wird b. leider auch in einem ganz anderen Kontext verwendet: als Euphemismus für fremdenfeindlich, rassistisch oder schwulenfeindlich: b.-e Bürger protestieren gegen Flüchtlinge, b.-e Anwohner gegen Flüchtlingsunterkünfte in ihrer Nähe, wobei nicht sicher ist, ob alle „Anwohner“ wirklich dort wohnen, wo sie protestieren. Worum sie sich eigentlich sorgen, bleibt ebenso unklar. Um das Schicksal der Flüchtlinge jedenfalls nicht. B.-e Eltern protestieren gegen das Thema Homosexualität im Unterricht, wobei auch hier nicht sicher ist, ob alle Protestierenden schulpflichtige Kinder haben und welche Sorgen sie sich da im Einzelnen machen. Hier soll verschleiert werden, dass es sich um schwulenfeindliche Proteste handelt. Wer b. in diesen Zusammenhängen verwendet, will hässliche Vorurteile rechtfertigen, ja sie zu etwas Positivem umdeuten. Was hoffentlich nicht gelingt. Ein Zeichen dafür ist, dass b. durch die häufige Verwendung in solchen Kontexten eine negative Konnotation bekommt: Wer b. ist, wirkt nun auf jeden Fall unsympathisch.