Quellen-Telekommunikationsüberwachung

Kommunikation heißt, dass ein Sender (Quelle) Informationen an einen Empfänger (Ziel) übermittelt. Wir haben uns leider längst daran gewöhnt, dass es zum Arsenal kriminalistischer Methoden gehört, Kommunikation zu überwachen, obwohl dabei oft auch Privates belauscht wird. Durch Computer vermittelte Kommunikation abzuhören, ist dabei sogar noch leichter. Es müssen gar keine Wanzen mehr eingebaut werden, die Computer selbst werden zur Wanze, siehe die Quellen-T., gern als Quellen-TKÜ abgekürzt. Sie nutzt die einzigartige Möglichkeit der Computertechnik, an der Quelle mitzulesen. Genau dann also, wenn die Telekommunikation noch gar nicht begonnen hat. Die Quellen-T. ist somit ein Oxymoron, denn wenn gelauscht wird, bevor die Daten den Empfänger erreichen, liegt noch gar keine Kommunikation vor. Gleichzeitig ist der Begriff ein Euphemismus für Überwachung, noch dazu für eine heimtückische Form. Bei zwischenmenschlicher Kommunikation ist die Quelle ein Mensch. Dieser Mensch wird hier von seinem Computer bespitzelt, von einem System, von dem das Bundesverfassungsgericht sagt, dass wir ihm vertrauen können müssen. Der terminus technicus täuscht somit darüber hinweg, dass der Staat die Technik in unseren Händen gegen uns wendet.

Gleichzeitig sind Computer nicht nur Übermittler von Daten. Sie sind auch der Ort, an dem unsere Gedanken zu Information gerinnen, der Ort, an dem aus unseren Visionen Pläne werden. Da Computer inzwischen als Erweiterungen unseres Gehirns gelten können, gehört die Q. dann wohl in die Waffenkammer einer Gedankenpolizei.

Liberalismus, mitfühlender

Der L. ist eine Ideologie, die dem Individuum mehr Rechte geben will und dem Staat weniger. Was ja erst einmal gar nicht schlecht sein muss. Das Attribut mitfühlend gibt nun aber Aufschluss darüber, was diese Ideologie eigentlich bedeutet und dass ihre Anhänger sich dessen durchaus bewusst sind. Warum sonst sollten sie versuchen, ihn durch dieses Adjektiv sympathischer erscheinen zu lassen? Da es nun einen mitfühlenden L. gibt, war der normale L. wohl nicht sehr mitfühlend. Ähnlich dem Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Ebenfalls eine Attribuierung, die vor allem darauf hinwies, dass der Sozialismus eben nicht menschlich war und mit einem solchen Antlitz maskiert werden sollte. Es ist die Zuschreibung einer Eigenschaft, die das System eben nicht besitzt: Meint der L. doch, dass Staat eben nicht helfen soll, auch nicht den Strauchelnden. Helfen will der mitfühlende L. ihnen übrigens auch nicht. Er will ja nur mit seinen Opfern mitfühlen, also Mitleid haben. Was gut klingt, aber nichts kostet und niemandem etwas bringt.

Aufklärung, brutalstmögliche

A. ist vor allem durch Vernunft zu erreichen – zumindest war das die Idee des gleichnamigen Zeitalters. Vernunft ist eine menschliche Begabung; brutal hingegen bedeutet ‚tierisch‘ und ‚unvernünftig‘, also das genaue Gegenteil von aufklärerisch. Brutale A. ist somit bereits ein Oxymoron, ein Widerspruch. Die übertreibende (hyperbolische) Steigerung zu brutalst und das überflüssige (pleonastische) –möglich machen den Ausdruck gänzlich unmöglich. Wer eine brutalstmögliche A. verspricht, könnte ebensogut eine hellstmögliche Verdunklung versuchen.

Das alles ist zwar schon eine Weile her, die Wortwahl aber verdient bis heute Beachtung. Wer sich solchen Nonsens einfallen lässt, drückt vor allem aus, dass er weder das eine noch das andere will. Dass die unvernünftige A. zum geflügelten Wort wurde, beweist, dass jeder die Botschaft verstanden hat. Nun ja, fast jeder.

Kostenloskultur

Die K., gerne auch Umsonst-Mentalität genannt, bedroht angeblich Kultur, Wissenschaft, Journalismus, ja die ganze Wirtschaftswelt. Ist das so? Bedroht das Netz tatsächlich die bestehende Ordnung der Vergütung von Inhalten? Aber hallo, und wie! Doch wo ist das Problem? Ist diese Ordnung etwa a) perfekt und/oder b) ein Naturgesetz? Nein. Sie war nur der Weg, der bisher irgendwie funktionierte. Nun gibt es andere technische Voraussetzungen. Es braucht also neue Wege. Die müssen gefunden und ausgehandelt werden. Das ist mühsam, klar. Aber es ist noch mühsamer, solange irgendein milliardenschwerer Großverleger von einer angeblichen K. faselt und das Bestehende so lange wie möglich konservieren will, statt sich über Neues Gedanken zu machen.

Wobei wir kurz anmerken müssen, dass das Gefasel von der K. natürlich eine Lüge ist. Kostenlos ist der Kram auf keinen Fall, auch der nicht, den Sie hier gerade lesen. Denn a) bezahlen Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit, die wir dann beispielsweise in Preise umsetzen können, die direkt auch kein Geld bringen, aber Ruhm und Ehre und letztlich Buchverträge et cetera. Und b) haben andere sehr wohl Geld dafür bezahlt, in Form von Werbung (nicht hier, aber überall sonst). Die versprechen sich davon ebenfalls mehr von Ihrer Aufmerksamkeit, es muss also eine valide Währung sein.

Die ganze Aufregung ist nur scheinheiliges Gejammer. Immerhin erleben wir die größte deutsche K. seit fast dreißig Jahren in Form des allabendlichen Fernsehbildes. Oder haben Sie schon einmal irgendetwas an Sat.1 überwiesen?

Reserve, stille

Mit der stillen R. bezeichnen Politiker und Arbeitsmartkforscher diejenigen, die keine Arbeit haben, sich aber auch nicht arbeitslos melden – weil sie sowieso keine Unterstützung vom Staat bekommen würden oder so frustriert sind von der ewigen Arbeitssuche, dass sie aufgegeben haben. Die Bezeichnung als R. ist dabei offensichtlich eine Übernahme aus der Militärsprache. Dort meint der Begriff jene, die gerade nicht im Kriegseinsatz sind, aber jederzeit zu ihm herangezogen werden könnten. Wie von der Sprache des Militärs nicht anders zu erwarten, ist das eine Verdinglichung, eine Betrachtung von Menschen als Material. Denn R. bedeutet so viel wie ‚Vorrat‘. Dass jene, die im Sozialsystem keinen Platz finden, weil sie Hausfrau waren oder Selbständig, als sofort verfügbarer Menschenvorrat für den Arbeitsprozess angesehen werden, ist brutal. Dass sie dabei auch noch als still und somit als schweigend bezeichnet werden, ist zynisch. Schweigen die schätzungsweise drei Millionen Betroffenen doch nur deswegen, weil sie niemand fragt, beziehungsweise weil sich niemand für ihr Schicksal interessiert.

Siehe auch Mehrheit, schweigende.

Mit Dank an Sophia Amalie Antoinette Infinitesimalia für die Anregung.