Intelligent

Die Intelligenz hat ihren Ursprung im lateinischen intellegere ‚verstehen‘, eigentlich: ‚zwischen [den Zeilen] lesen‘ und ist eine Eigenschaft, die (bislang) allein dem Menschen zugeschrieben wurde, dem homo sapiens (‚wissender Mensch‘). Dann kamen Ingenieure und Informatiker und setzten sich das Ziel, menschengleiche Maschinen zu bauen und menschliches Denken nachzuahmen und nannten es metaphorisch Künstliche Intelligenz (KI). Kann man machen. Zum Unfug wurde es, als PR-Abteilungen über den Begriff stolperten und die Idee hatten, mit ihm allen möglichen Kram zu vermarkten, der nicht einmal annähernd ‚zwischen den Zeilen lesen‘ kann: Stromnetze, Speicherkarten, Telefone, Grenzkontrollen, Sozialkürzungen und sogar Bomben. Eine Meta-Metaphorik sozusagen oder eine Metaphorik zweiter Ordnung.

Schon klar, Ihr wollt das Zeug irgendwie schicker aussehen lassen, damit genug arme Irre es kaufen. Aber schlaue Bomben? Die Dinger merken sich eine Geokoordinate, mehr nicht. Könnten die ‚verstehen‘, würden sie beidrehen und ihren Bombardier zu treffen versuchen.

Mit Dank an @presseschauer für die Anregung und Eike H. fürs „sparen“.

Cyber-Abwehrzentrum

Quizfrage: Was wehrt ein Cyber-Abwehrzentrum ab? Einen Cybernauten? Die Kybernetik an sich? Oder gleich das ganze Internet? Wir wissen es nicht. Beunruhigenderweise scheint sich auch Innenminister Hans-Peter Friedrich, der das Ding gerade eröffnet hat, nicht ganz sicher zu sein. Sagte er doch: „Ziel ist es, die operative Zusammenarbeit der relevanten staatlichen Stellen zu optimieren und die Schutz- und Abwehrmaßnahmen gegen IT-Vorfälle besser zu koordinieren.“ IT-Vorfälle? Also, äh, alles, von der abgerauchten Festplatte im Innenministerium bis zum Cyberwar?

Das mag jetzt kleinkariert klingen, aber dieser nebelige Name ist ein Problem. Ein Zentrum, das für den Schutz des gesamten (deutschen?) Cyberspace vor was auch immer zuständig ist, kann alles sein: eine unbedeutende Außenstelle der IT-Abteilung des BSI („Have you tried turning it off and on again?“) genauso wie eine allumfassende Überwachungszentrale. Verschwörungstheorie? Gut möglich. Vielleicht ist es ja wirklich ein Zufall, dass dieses Zentrum zum BSI gehört, einer Ausgliederung des Bundesnachrichtendienstes (BND). Und dass es in direkter Nähe des BND wohnt. Der Allmachtsanspruch des Namens legt zumindest die Befürchtung nahe, dass die grundgesetzliche Forderung des Trennungsgebotes im Zweifel weit ausgelegt wird. Wo Militär, Geheimdienste, Polizei und Zoll nun schon mal so nett an einem Tisch sitzen, obwohl sie es besser nicht sollten.

Nebenbei, in dem komischen Namen zeigt sich natürlich auch eine Haltung. Um mit @moeffju zu sprechen: „Wir haben kein Cyber-Zentrum, aber ein Cyber-Abwehrzentrum. Ach, Deutschland.“

Fundamentalisten, linksliberale

Klingt übel und soll es auch, ist es doch eine bewusste Schmähung, die auf dem Niveau der Bild mit Vorurteilen spielt. Glauben Sie nicht? Nun, woran denken Sie beim Begriff Fundamentalisten? Richtig, an al-Qaida. Bei Linken? Genau, an brennende Autos und fliegende Steine. Bei Liberalen, noch dazu Linksliberalen? An die FDP? Sie scherzen. Denken Sie nicht viel eher an Unterstützer der Schwulenehe oder an Kriegsdienstverweigerer und ähnliche „Feiglinge“? Das zumindest hat sich Innenminister Friedrich wohl erhofft, als er „Kritiker der Anti-Terror-Gesetze“ in Bild (sic!) linksliberale F. nannte (übrigens ein Oxymoron, F. sind ja gerade nicht liberal). Sollen Sie doch all jene für gefährlich halten, die sich auf das Grundgesetz berufen und argumentieren, zu viel Überwachung, für welchen gut gemeinten Zweck auch immer, könne nicht gut sein.

Dabei ist das Grundgesetz eine Sammlung von Abwehrrechten. Es soll den Einzelnen vor dem Staat schützen. Denn das Grundgesetz misstraut nicht „dem eigenen Rechtsstaat“, wie Friedrich es seinen Kritikern vorwirft, es misstraut jedem Staat. Aus langer und leidvoller Erfahrung. Somit ist es eine erstaunliche Verdrehung dieser Idee, wenn der Innenminister behauptet, wer den Staat in seiner Macht beschränken wolle, gefährde „Leib und Leben Unschuldiger“. Dient die Beschränkung des Staates doch dazu, die Freiheiten aller zu erhalten und damit letztlich auch ihren Leib und ihr Leben. Denn niemand hat in der Geschichte so bedenkenlos und so erfolgreich unterdrückt, gefoltert und getötet, wie allmächtige Staatsapparate und ihre sich unangreifbar fühlenden Beamten.

Friedrich bedient sich damit also einer negativen Konnotation, in der Sprachwissenschaft auch als Pejoration bezeichnet. Man könnte auch sagen, er betreibt Propaganda.

Dank an janwo für das Oxymoron.

Bomben, virtuelle

Der derzeitige Innenminister fürchtet sich via Massenmedien davor, „kriminelle Banden oder Terroristen“ könnten bald „virtuelle B. zur Verfügung haben“. Wir können ihn beruhigen, vor solchen Bomben muss er sich nicht fürchten – und auch sonst niemand. Ist virtuell doch das Gegenteil von ‚physisch vorhanden‘ und ein virtueller Gegenstand einer, der nur in der Fiktion existiert – in der erdachten oder erträumten Welt. Denn virtuell kommt vom französischen virtuel (‚nicht real, nicht physisch‘), das sich wiederum vom lateinischen virtus (‚Tugend, Charakter‘, eigentlich ‚eines Mannes [vir]‘) ableitet. Es bezieht sich also auf etwas, das höchstens als Metapher funktioniert, ohne selbst vorhanden zu sein. Wovor sich der Innenminister fürchten könnte, wenn er das denn unbedingt will, sind logische B.. Die können tatsächlich einiges Chaos verursachen, in Computerprogrammen. Weswegen man Innenminister Friedrich als eine solche logische B. betrachten könnte, metaphorisch versteht sich. Denn er verwirrt Köpfe.

abstrakt hoch

Abstrakt kommt vom lateinischen Verb abstrahere ‚entziehen‘. So ist die abstrakte Malerei eine, die dem realistischen Abbild entzogen ist beziehungsweise sich von ihm entfernt hat. Eine abstrakte Gefahr ist eine, die sich nicht konkretisiert, vgl.: konkret von concrescere (lat.) ‚zusammenwachsen, erwachsen‘. Sie ist also weniger bedrohlich als eine unmittelbar drohende, konkrete. Das wirft erstens die Frage auf, ob sie damit überhaupt noch eine Gefahr ist. Wird diese doch definiert als (konkrete) Wirkung einer (bis dahin abstrakten) Gefährdung. Zweitens passt zur Gefahr nicht das Adjektiv hoch. Im deutschen sind Türme hoch, Gefahren jedoch sind groß. Das kommt daher, dass die erwähnten Türme sich prima messen lassen, Gefahren eher nicht so, hoch aber nun einmal die Mess- und Vergleichbarkeit auf einer Skala impliziert.

Wenn also der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns Lorenz Caffier (wie viele andere Angstmacher Sicherheitspolitiker vor ihm) sagt, die Terrorgefahr sei abstrakt hoch, dann legt er einerseits nahe, das Risiko sei enorm. Nur um diesen Gedanken mit dem adverbialen abstrakt sogleich wieder zunichte zu machen und eigentlich, wenn auch unwillentlich auszusagen, dass es wohl eher hochabstrakt ist. Sprachlich zumindest hatten wir da schon begabtere Kraftmeier. Karl-Theodor zu Guttenberg beispielsweise. Der immerhin sagte, als er noch ein Amt inne hatte, die Gefahr von Anschlägen sei für manche „abstrakt“, tatsächlich aber „hochkonkret.

Dass sich das Konkrete nicht mehr steigern lässt, soll hier gnädig ignoriert werden, denn es geht um etwas anderes: All diese Wortakrobaten nämlich versuchen das Unmögliche: die Bürger zu warnen und gleichzeitig zu beruhigen. Denn sie sollen sich gerne ein bisschen gruseln, um neue Überwachungsgesetze toll zu finden, aber sie sollen nicht gleich abhauen. Wer will schon Wähler verschrecken. Da das nicht beides gleichzeitig geht, und sie (die Kraftmeier, nicht die Bürger) die Klappe nicht halten wollen, kommt obiger Wahnwitz heraus.